Dies also war das Jahr, in dem ich 60 wurde. Ich erwähne das nicht, um nachträglich Geldgeschenke einzusammeln. Obwohl … – Unsinn, es ist, weil das Vaterland wissen sollte, dass ich mich ihm demnächst nicht mehr auf dem Feld der Ehre hingeben kann.

Silvester, 23.59 Uhr, verstreicht die letzte Chance meiner Mobilmachung. Im Gesetz steht, dass im sogenannten Verteidigungsfall die Wehrpflicht mit Ablauf des Jahres endet, in dem der Delinquent seinen 60. Geburtstag beging. Der Russe muss sich mit seinem Angriff also sputen, um noch zu erleben, wie ich Bewegungswunder mich beim Versuch eines Handgranatenwurfs selbst vernichte. Ab Neujahr ist mein Körper nur noch für das Wegräumen von Trümmern verfügbar, sofern die Bandscheiben das zulassen.

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02.10.2023

Diese Konnotation des Jahreswechsels wäre mir fast entgangen. Wer denkt denn an so was? Doch dann sagte der Verteidigungsminister, dass er die Gesellschaft „kriegstüchtig“ machen wolle: „Wir haben jetzt ungefähr fünf bis acht Jahre.“ Das wird eng. Derzeit verspüren nämlich einer Forsa-Umfrage zufolge 61 Prozent der Deutschen wenig bis kein Verlangen, sich ernstfalls für die Heimat in den Schützengraben zu werfen. Am häufigsten würden AfD-Wähler unbedingt zur Waffe greifen, am seltensten Anhänger der Grünen. Diese Konstellation macht mir einen Krieg beinahe zur Verheißung: allein um zu beobachten, wie Anton Hofreiter Alice Weidels Personalreserven in die Schlacht führt.

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Es bedarf einer Umerziehungsanstrengung. Neulich sah ich einen Mann, der seinem Jungen einen Spielzeugpanzer kaufte. Die Dame hinter den beiden in der Schlange guckte sehr indigniert. Tagesbefehl ans Bürgertum: Solche Blicke müssen sofort aufhören. Jeglicher Defätismus gehört getilgt, auch diese durchs Internet spukende Luftaufnahme aus dem Donbass: Auf einem Acker hockt der Soldat und erledigt sein Geschäft. Über ihm schwebt die Drohne. Deren Steuermann studiert den feindlichen Stoffwechsel nicht nur, sondern lässt auch eine Granate fallen. Selbige detoniert neben dem Soldaten. Der sackt seitlich weg. Die Szene verzerrt das Wesen des Heldentods. In Wirklichkeit ist er eine rundum würdige Angelegenheit, sternhagelvoll mit Pathos, so wie das Finale von „Winnetou III“.

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Hoffnung in schwierigen Zeiten: Die Reise dreier Sterndeuter vor gut 2000 Jahren

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Die Ukraine hat seit bald zwei Jahren den Verteidigungsfall. Videos zeigen, wie der Überlebenswille des Staates auf den Selbsterhaltungstrieb junger Männer trifft. Manch postheroischer Zivilist muss von der Straße weggefangen werden, um an der Front seinen Patriotismus entdecken zu können. Andere wähnen sich im Ausland sicher. Doch dort wartet CDU-Wehrexperte Roderich Kiesewetter. Der äußerte kurz vor Weihnachten die besinnlich-christlich-demokratische Idee, den in Deutschland lebenden dauerfeuerfähigen Ukrainern kein Bürgergeld mehr zu geben – und das nicht etwa, damit die hier arbeiten gehen müssen, sondern zu Hause, als militärisches Verbrauchsmaterial.

Auch einige Medienschaffende regten bereits die Rücküberstellung von Kanonenfutter an. Daher mein Volksmasseninitiativaufruf: Greift Fahnenflüchtige aus Kiew auf! Liefert die Memmen im Büro Kiesewetter ab! Werdet Freizeitfeldjäger! Ich kann das von meinem Schreibtisch aus locker fordern; an mich alten Sack, siehe oben, käme der Barras für einen Waffengang schlecht ran. Das heißt, nein, halt: Ich habe ja einen Sohn.

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„Kriegstüchtige“ Gesellschaft: Die letzte Chance der Mobilmachung verpasst

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26.12.2023

Dies also war das Jahr, in dem ich 60 wurde. Ich erwähne das nicht, um nachträglich Geldgeschenke einzusammeln. Obwohl … – Unsinn, es ist, weil das Vaterland wissen sollte, dass ich mich ihm demnächst nicht mehr auf dem Feld der Ehre hingeben kann.

Silvester, 23.59 Uhr, verstreicht die letzte Chance meiner Mobilmachung. Im Gesetz steht, dass im sogenannten Verteidigungsfall die Wehrpflicht mit Ablauf des Jahres endet, in dem der Delinquent seinen 60. Geburtstag beging. Der Russe muss sich mit seinem Angriff also sputen, um noch zu erleben, wie ich Bewegungswunder mich beim Versuch eines Handgranatenwurfs selbst vernichte. Ab Neujahr ist mein Körper nur noch für das Wegräumen von Trümmern verfügbar, sofern die Bandscheiben das zulassen.

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