Gestern oben, heute unten. Manchmal, vom Gefühl her viel seltener, ist es auch umgekehrt. So etwas kennt man vom Leben. Hin und wieder auch vom Sport, oft gerade vom Fußball. Jede Woche Wettkampf, häufig sogar zweimal. Da kann man, wenn man wie derzeit nicht gerade Mitglied bei Bayer Leverkusen ist, nicht immer zu den Siegern gehören. Das ist nicht weiter schlimm, schließlich bleibt Fußball für die meisten die schönste Nebensache der Welt und der kitzligste Zeitvertreib sowieso. Trotzdem entwickelt jeder, Freizeitkicker nicht ausgenommen, eine dicke Portion Ehrgeiz, um besser zu sein als der Gegner und am Ende das eine Tor mehr geschossen zu haben als der.

Das klappt nicht immer, völlig klar. Nicht als Team und schon gar nicht als Individualist. Für viele ist es schon ein perfekter Tag, bereits beim Anpfiff auf dem Rasen zu sein. In der Anfangself zu stehen. Sofern man nicht zu jenen Spielern gehört, die wie Kylian Mbappé oder Harry Kane zu den Unverzichtbaren gehören. Nicht immer muss man in dieser Rolle für die entscheidenden Tore sorgen. Ebenso zählt, dafür zuständig zu sein, die des Gegners zu verhindern. Jeder in seiner Kernkompetenz und dass am Ende die mannschaftliche Komponente in bestmöglicher Balance ist.

Von derartigen Spielern hatte und hat auch der 1. FC Union Berlin den einen oder anderen. Viele Jahre war es mit Christopher Trimmel der Kapitän, in der vorigen Saison mit Sheraldo Becker der pfeilschnelle Angreifer. Über mehrere Spielzeiten gehörten vor allem Rani Khedira und Robin Knoche dazu. Beide hatten einen derartigen Lauf, dass sie an die Tür zum Nationalteam klopften, der damalige Bundestrainer Hans-Dieter Flick sie aber nicht öffnete. Manche mit der rot-weißen Brille meinten damals gar, besonders im Hinblick auf das für das deutsche Team letztlich verkorkste WM-Turnier in Katar: Was erlauben Hansi?

Inzwischen ist die Luft in Köpenick in Sachen DFB-Team ein wenig raus und sogar abgekühlt. Ernüchterung ist eingezogen bei den Helden von gestern. Nicht mehr viel ist so wie einst. Gerade wenn sie ans Spiel im Herbst an der Weser denken, das auch für den eigentlich als unantastbar geltenden Trainer Urs Fischer die Wende bringen sollte, mit dem 0:2 aber nur die Serie von Niederlagen fortführte. Khedira, nach langwieriger Wadenverletzung erst im Spiel zuvor zum Saisondebüt gekommen, flog nach einer Stunde vom Platz. Sollte ihm beim Rückspiel an diesem Sonnabend, 15.30 Uhr, im Stadion An der Alten Försterei nicht wieder passieren.

13.03.2024

14.03.2024

13.03.2024

13.03.2024

14.03.2024

1. FC Union Berlin: Kevin Vogt feiert ein besonderes Wiedersehen

14.03.2024

„Alles Andras“ – die Fan-Kolumne zum 1. FC Union Berlin: In Zeiten der Ungewissheit

gestern

Während Khedira sich wieder gefangen hat und immer öfter für Trimmel die Eisernen als Kapitän anführt, so in fünf der letzten sechs Spiele, findet Robin Knoche gerade nicht den richtigen Halt. Ihm ging das Selbstverständnis flöten, die Leichtigkeit ist dahin, auch ist die Gewissheit, immer, stets und ständig die richtige Entscheidung zu treffen, nicht mehr da. Allmählich hat der einstige Immerda seinen Platz verloren. Womöglich begann das alles vor einem halben Jahr in Bremen. Der damalige Abwehrchef, eigentlich die Ruhe und Ausgeglichenheit in Person, hatte mit einem Eigentor die Niederlage auf den Weg gebracht. Das kann selbst an einem nagen, der kürzlich die 300-Spiele-Grenze in der Bundesliga überschritten hat und sich nicht mehr so leicht aus der Bahn werfen lassen sollte.

Seit Knoche vor knapp vier Jahren in Köpenick angeheuert hat, hat es die Eisernen ohne ihn kaum mal gegeben. Und wenn, dann längst nicht so erfolgreich wie mit ihm. Drei Punktspiele hat der Defensivmann in seinen ersten drei Spieljahren verpasst, eines wegen einer Gelbsperre, eines wegen eines Infekts und eines, weil er zwar im Kader aufgeboten war, die neunzig Minuten aber auf der Bank verbracht hat. Immer, mit 0:1 in Bielefeld, 0:2 in Frankfurt und 2:4 bei der TSG Hoffenheim, beendeten die Rot-Weißen die Partien als Verlierer.

Um die Fallhöhe zu verdeutlichen: In dieser Saison hat der langjährige Überflieger bereits in zwei Perioden jeweils dreimal gefehlt. Zunächst wegen einer Wadenblessur, zuletzt hatte er es, obwohl im 20-Mann-Spieltagskader, nicht mehr auf den Platz geschafft. In drei der letzten vier Spiele musste Knoche zuschauen. Mehr noch: Das 1:0 vor vier Wochen bei der TSG Hoffenheim, der zweite Auswärtssieg dieser Saison und so etwas wie ein Befreiungsschlag im Kampf gegen den Abstieg, war der erste Dreier ohne Knoche. Ein Bann war gebrochen.

Andererseits haben die Eisernen mit dem 0:2 gegen den BVB und dem 0:2 beim VfB ohne ihn nun auch wieder nicht gewonnen. Nur geht diese Rechnung in dieser Saison, in der es nach drei ganz und gar überwältigenden Spielzeiten erstmals wieder mehr Niederlagen als Siege gibt, nicht mehr auf, und erst recht nicht mehr in der Rückrunde. Der Grund ist mit 32 ein Jahr älter, mit 1,94 Metern fünf Zentimeter größer, mit 328 Bundesligaeinsätzen, wobei das bei dieser Dimension keine Rolle mehr spielen sollte, einen Hauch erfahrener. Er heißt Kevin Vogt.

Seitdem der Oldie aus Hoffenheim kam und die zentrale Position in der Abwehr beansprucht, ist Knoches Stern am Sinken. Die Versuche, die beiden zu koppeln, verliefen so lala. Vogt im Zentrum und Knoche rechts, das funktionierte noch. Aber Knoche im Zentrum und Vogt links, das ging beim 2:2 gegen Aufsteiger Heidenheim ein bisschen schief. Nur gibt es auf der rechten Flanke mit Josip Juranovic und Christopher Trimmel starke Konkurrenz. Zur Not, das zumindest hat er bewiesen, wäre das auch eine Position für Haberer, auch wenn er derzeit verletzt ausfällt.

Als eine „schwere Entscheidung“ hat Nenad Bjelica jene gegen den einst Unverzichtbaren bezeichnet. Selbst in Wartestellung verhält Knoche sich „professionell und vorbildlich“, betont der Trainer. Auch habe Knoche „jedes Mal top gespielt, wenn er die Möglichkeit hatte“. Manchmal nur ist es so, dass die gegnerischen Stürmer zu schnell und zu wendig sind, sich auch auf engstem Raum behaupten und Unions Abwehrmann mit der Rückennummer 31 dann doch nicht den gewohnten und erwarteten Zugriff bekommt.

Trotzdem und gerade deshalb, weil er alles so macht wie seit dreieinhalb Jahren, ist es für Knoche schwer wie nie. Neun Spiele hat er noch, sofern er das eine oder andere nicht wieder auf der Bank verbringen muss, um den Nachfolger von Urs Fischer von seinen Qualitäten zu überzeugen. Der hält, was sonst, die Tür offen. „Jetzt muss er etwas warten“, hat Bjelica den einstigen Wolfsburger vertröstet, ihn zugleich aber auf dem Zettel: „Er muss bereit sein, wenn seine Chance kommt, und er muss Leistung zeigen.“

Es hat viele Comebacks gegeben in diesem Sport. Die Rückkehr von Toni Kroos in den Kreis des DFB-Teams nach knapp drei Jahren ist damit weniger gemeint. Eher eine solche, wie Knoche sie gelingen könnte. Er war ja nie weg. So richtig da aber war er zuletzt eben auch nicht und mittendrin erst recht nicht. Zumindest nicht auf jenem Stück Rasen, auf dem es am Wochenende um Punkte im Titelkampf oder beim 1. FC Union Berlin im Kampf gegen den Abstieg geht.

Vielleicht geht das Knoche-Comeback auch so: gestern unten, heute oben. Denn am Sonnabend ist Bremen. Gerade gegen Werder hätte er was gutzumachen.

QOSHE - 1. FC Union Berlin: Das große Rätsel um Abwehrchef Robin Knoche - Andreas Baingo
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

1. FC Union Berlin: Das große Rätsel um Abwehrchef Robin Knoche

10 7
16.03.2024

Gestern oben, heute unten. Manchmal, vom Gefühl her viel seltener, ist es auch umgekehrt. So etwas kennt man vom Leben. Hin und wieder auch vom Sport, oft gerade vom Fußball. Jede Woche Wettkampf, häufig sogar zweimal. Da kann man, wenn man wie derzeit nicht gerade Mitglied bei Bayer Leverkusen ist, nicht immer zu den Siegern gehören. Das ist nicht weiter schlimm, schließlich bleibt Fußball für die meisten die schönste Nebensache der Welt und der kitzligste Zeitvertreib sowieso. Trotzdem entwickelt jeder, Freizeitkicker nicht ausgenommen, eine dicke Portion Ehrgeiz, um besser zu sein als der Gegner und am Ende das eine Tor mehr geschossen zu haben als der.

Das klappt nicht immer, völlig klar. Nicht als Team und schon gar nicht als Individualist. Für viele ist es schon ein perfekter Tag, bereits beim Anpfiff auf dem Rasen zu sein. In der Anfangself zu stehen. Sofern man nicht zu jenen Spielern gehört, die wie Kylian Mbappé oder Harry Kane zu den Unverzichtbaren gehören. Nicht immer muss man in dieser Rolle für die entscheidenden Tore sorgen. Ebenso zählt, dafür zuständig zu sein, die des Gegners zu verhindern. Jeder in seiner Kernkompetenz und dass am Ende die mannschaftliche Komponente in bestmöglicher Balance ist.

Von derartigen Spielern hatte und hat auch der 1. FC Union Berlin den einen oder anderen. Viele Jahre war es mit Christopher Trimmel der Kapitän, in der vorigen Saison mit Sheraldo Becker der pfeilschnelle Angreifer. Über mehrere Spielzeiten gehörten vor allem Rani Khedira und Robin Knoche dazu. Beide hatten einen derartigen Lauf, dass sie an die Tür zum Nationalteam klopften, der damalige Bundestrainer Hans-Dieter Flick sie aber nicht öffnete. Manche mit der rot-weißen Brille meinten damals gar, besonders im Hinblick auf das für das deutsche Team........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play