Geschenke werden im Profifußball nicht verteilt. Also richtige Geschenke, die von Herzen kommen. Nicht solche, bei denen dem Gegner der Ball einschussbereit in den Lauf oder auf den Fuß gespielt wird oder andere läppische Fehler ihn geradezu einladen, das Spiel zu gewinnen. Es geht um ein Geschenk zum Geburtstag für einen, der lange schon dabei ist, am längsten von allen. Zugleich ist er der Älteste von ihnen. Am Samstag, dem Tag, an dem der 1. FC Union Berlin ab 15.30 Uhr im Stadion An der Alten Försterei im Bundesliga-Ligaspiel auf Aufsteiger 1. FC Heidenheim trifft, wird der Oldie der Truppe, die sich gerade wieder gefangen hat und den Kopf aus der Abstiegsschlinge zu ziehen scheint, 37 Jahre alt: Christopher Trimmel.

Wie kein Zweiter steht der Kapitän für den Weg, den die Eisernen in den vergangenen Jahren zurückgelegt haben. Niemand macht dem Österreicher vor, wie er zu laufen oder zu stehen, zu springen oder zu antizipieren hat. Fast scheint es sogar, dass Trimmels Dasein mit dem der Eisernen verbunden ist wie bei siamesischen Zwillingen. Geht’s dem einen gut, kann auch der andere nicht klagen.

Kaum nämlich waren die Köpenicker ins deutsche Fußball-Oberhaus aufgestiegen, nahm die Karriere des Abwehrspielers im österreichischen Nationalteam richtig Fahrt auf. Zu den drei Länderspielen, die Trimmel 22-jährig als Aktiver von Rapid Wien bestritt, in denen er gegen Kamerun, Rumänien und Dänemark zusammen nur 52 Minuten auf dem Feld war und die zehn Jahre zurücklagen, kamen flugs 22 dazu. So etwas nennt man gemeinhin Spätstarter.

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20.02.2024

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Im zehnten Jahr ist Trimmel ein Eiserner. Das hat in schnelllebigen Zeiten wie den modernen durchaus was von Methusalem. In 323 Pflichtspielen stand der Österreicher für die Rot-Weißen auf dem Rasen. Er war in der Zweiten Bundesliga (152 Spiele) dabei und im DFB-Pokal (22), er hat die Relegation zur Bundesliga bestritten (1) und die Spiele in der Europa Conference League (7), er hat in der Europa League gespielt (9) und in der Champions League (3). Erst recht war und ist er in der Ersten Bundesliga dabei. Mit 129 Einsätzen ist er hier der Rekordhalter.

Trimbo, wie sie ihn rufen, gehört zu den routiniertesten Spielern der Bundesliga. Nicht einmal eine Handvoll andere Feldspieler, die derzeit in Deutschlands Vorzeigeliga kicken, sind älter. Es sind der Japaner Makoto Hasebe, 40, von Eintracht Frankfurt, der in dieser Saison allerdings erst vier Punktspiele bestritten hat, Bochums Franzose Anthony Losilla (wird in zwei Wochen 38) und Norman Theuerkauf vom 1. FC Heidenheim, dem jetzigen Gegner. Der Mittelfeldmann des Aufsteigers ist genau vier Wochen älter als der Spielführer des 1. FC Union Berlin.

Komplettiert wird die Riege der Langlebigen durch Bayern Münchens Schlussmann Manuel Neuer. Der Weltmeister von 2014 wird in fünf Wochen 38. Zu ihnen allen kann man Dauerbrenner sagen. Wahlweise auch Dinosaurier.

Nur: So wie die Eisernen noch lange nicht sicher sind, ob sie den Klassenerhalt schaffen, kann Trimmel nicht sicher sein, in der kommenden Saison weiterhin einer der ihren zu sein. Bereits unter Urs Fischer hatte sich angedeutet, dass die Zeit des Anführers in Köpenick nicht erst mit vielleicht 40 zu Ende sein könnte. Ein Gespräch unter Männern hatte es damals gegeben, bei dem Trimmel seinem Trainer deutlich machte, dass ein Kapitän seinen Platz eher auf dem Rasen haben sollte als auf der Ersatzbank oder beim Warmhalten. Beide, der Österreicher und der Schweizer, haben für den Verein aus dem Berliner Südosten die Kurve gekriegt.

Der Kapitän, wie sich herausgestellt hat, besser als der Coach. Vorerst zumindest. Auch, weil er mit Josip Juranovic einen um achteinhalb Jahre jüngeren Widersacher auf seiner Position weiß und mit dem kroatischen Landsmann des Trainers Nenad Bjelica zu manchen Zeiten etwas Ähnliches wie Jobsharing veranstalten muss. Den Kampf um einen Platz auf derselben Position nennt Trimmel einen „auf Augenhöhe“. In Stein gemeißelt ist deshalb nichts, schon gar nicht in seinem Alter.

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Trotzdem deutete zuletzt einiges darauf hin, dass Trimmels Chancen eventuell so schlecht nicht stehen. Bei einem Spieler wie ihm, der sich um den Verein derart verdient gemacht hat und der nach Köpenick kam, als die Eisernen gerade Zweitliga-Achter geworden waren, sollte etwas gehen. Nicht aus Dankbarkeit, die gibt es selten im Profifußball, aber aus Professionalität. Üblicherweise werden Verträge von reifen – in Trimmels Fall könnte man sagen: ausgereiften – Spielern nicht für mehrere Jahre verlängert. Oft sind Verlängerungen um eine weitere Spielzeit an eine Klausel gebunden, eine gewisse Anzahl an Partien zu absolvieren und womöglich in der Startelf gestanden zu haben. Damit bleibt das Risiko für den Verein überschaubar. Der Spieler wiederum wird an seinem Ehrgeiz gepackt. Sofern er sich denn packen lässt.

Trimmel lässt sich packen, keine Frage. Als Fußball-Romantiker, als den er sich erst dieser Tage wieder bezeichnete, könne er sich gut vorstellen, über die Saison ein Eiserner zu bleiben. Ansonsten? Ein, zwei oder gar drei Jahre würde er sich noch geben. Am liebsten in Köpenick, notfalls auch anderswo. Das wiederum ist nach einer so langen Zeit, wie sie Trimmel zwischen Wald- und Wuhleseite verbracht hat, schwer vorstellbar. Zwölf Startelfeinsätze in der Bundesliga stehen für ihn in dieser Saison jedenfalls bereits zu Buche, je ein weiterer in der Champions League und im DFB-Pokal. Dazu kommen sieben weitere als Einwechsler. Es sah, auch wenn ihm die Sperre von zwei Spielen nach dem Platzverweis beim 0:2 in Leipzig einen kleinen Strich durch die Rechnung gemacht hat, schon mal schlechter aus.

Gegen Heidenheim ist es ein Spiel der Kilometerfresser. Der Aufsteiger legt im Schnitt pro Partie 121,8 Kilometer zurück und ist in dieser Wertung Spitzenreiter. Allen voran Lennard Maloney, ein ehemaliger Unioner, der pro 90 Minuten fast 13 Kilometer abspult. Auch Tim Kleindienst (11,49 km) und Patrick Mainka (11,0 km) sind gut unterwegs. Als Team liegen die Eisernen mit 120,8 Kilometern auf Rang 3. Individuell sind sie mit Janik Haberer (12,27 km) und Robin Gosens (12,19 km) ziemlich vorn dabei. Fußball ist eben auch ein Laufspiel.

Aber da ist ja auch der Geburtstag. Ein besonderer Tag mit einem wichtigen Spiel. Läuferisch kann Trimmel („Ich bin schnell, das ist auf meiner Position wichtig“) durchaus mithalten. Auf durchschnittlich 11,34 Kilometer bringt er es in anderthalb Spielstunden. Oft ist es dem österreichischen Oldtimer indes nicht passiert, dass er mit den Eisernen an einem 24. Februar gespielt hat. In der Bundesliga noch gar nicht. Dabei hätte es gleich in der ersten Saison nach dem Aufstieg klappen können. Bei Eintracht Frankfurt traten die Köpenicker vor vier Jahren an, holten mit einem 2:1 sogar einen Dreier – nur ohne ihren Kapitän. Der hatte in der Woche zuvor beim 2:3 zu Hause gegen Bayer Leverkusen seine fünfte Verwarnung kassiert.

Dafür lief es 2017 und 2018 zur Feier des Tages deutlich eleganter, beide Male in einem Heimspiel. Erst – der Trainer hieß Jens Keller und die Mitspieler unter anderen Damir Kreilach, Roberto Puncec, Simon Hedlund und Stephan Fürstner – gab es ein 2:0 gegen 1860 München. Zwölf Monate später, als Trainer hatte André Hofschneider übernommen und die Mitspieler hießen Steven Skrzybski, Sebastian Polter, Felix Kroos, Toni Leistner und Marc Torrejon, wurde Sandhausen mit 2:1 bezwungen.

Geschenke in Form einer Einsatzgarantie wird es nicht geben. Nicht zum Geburtstag, nicht einmal für den Kapitän. Manchmal kann es schnell gehen, in beide Richtungen. Es kann weitergehen, es kann genauso gut zu Ende sein. Trotz zehn Jahren im Verein. Das haben sie bei Urs Fischer, der in seiner sechsten Saison war, gerade erst erlebt. Trotzdem könnte es für Christopher Trimmel ein unvergesslicher Tag werden und er seinem Ziel, ein weiteres Jahr das Union-Trikot zu tragen, einen Schritt näherkommen.

QOSHE - 1. FC Union Berlin: Ein Hoch auf einen ganz besonderen Unioner! - Andreas Baingo
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1. FC Union Berlin: Ein Hoch auf einen ganz besonderen Unioner!

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23.02.2024

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Wie kein Zweiter steht der Kapitän für den Weg, den die Eisernen in den vergangenen Jahren zurückgelegt haben. Niemand macht dem Österreicher vor, wie er zu laufen oder zu stehen, zu springen oder zu antizipieren hat. Fast scheint es sogar, dass Trimmels Dasein mit dem der Eisernen verbunden ist wie bei siamesischen Zwillingen. Geht’s dem einen gut, kann auch der andere nicht klagen.

Kaum nämlich waren die Köpenicker ins deutsche Fußball-Oberhaus aufgestiegen, nahm die Karriere des Abwehrspielers im österreichischen Nationalteam richtig Fahrt auf. Zu den drei Länderspielen, die Trimmel 22-jährig als Aktiver von Rapid Wien bestritt, in denen er gegen Kamerun, Rumänien und Dänemark zusammen nur 52 Minuten auf dem Feld war und die zehn Jahre zurücklagen, kamen flugs 22 dazu. So etwas nennt man gemeinhin Spätstarter.

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© Berliner Zeitung


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