Früher war mehr Lametta. Das weiß seit Loriots Bonmot in deutschen Wohnzimmern fast jeder. Früher aber waren auch mehr Spitznamen. Das weiß jeder, der auch nur halbwegs im Fußball zu Hause ist. Als ich im Frühjahr 1978 ins Fußballressort beim Deutschen Sportecho kam, empfingen mich mit Jürgen Nöldner und Rainer Nachtigall dort auch zwei Kollegen, die es für die DDR zu Länderspielen gebracht hatten. Nöldner gehörte außerdem 1964 in Tokio zum olympischen Bronzeteam, und 1966 war er Fußballer des Jahres. Hätte ich von dem einen jedoch nicht gewusst, dass er viel lieber auf den Namen Kuppe hört und der andere, völlig logisch eigentlich bei dem Vogel-Namen Nachtigall, auch auf Amsel reagiert, hätte ich als völlig ahnungslos gegolten.

Wenn Kuppe und Amsel telefonierten und ehemalige Mitspieler am Apparat hatten, ging es bei Klaus Urbanczyk nur um Banne, bei Werner Unger um Peitsche, bei Günter Schröter um Moppel, bei Rainer Baumann um Röhre, bei Jürgen Heinsch um Dackel, bei Hans-Ulrich Grapenthin um Sprotte, bei Jürgen Großheim um Bummi, bei Hans-Jürgen Dörner um Dixie, bei Harald Irmscher um Sir und bei Georg Buschner, dem langjährigen und erfolgreichen Nationaltrainer, wenn auch nicht im direkten Gespräch, da war der Respekt dann doch zu groß, um Graf. Trotzdem wusste jeder, wer am anderen Ende war. In der Unterhaltung bei einem Kaffee kamen die wahren Namen erst recht nicht vor.

Spitznamen hatten natürlich auch beim 1. FC Union Berlin Konjunktur. Von Jimmy Hoge wissen nur Fans, dass er eigentlich Günter hieß, Reinhard Lauck ist Mecky, Wolfgang Wruck Ata, Joachim Sigusch Bulle, Wolfgang Matthies Potti, Karsten Heine Kulla, Lutz Hendel Meter, Andreas Hawa Appel und Olaf Seier Leo. Da ähnelt Tusche für Torsten Mattuschka, nicht persönlich nehmen, Freistoßgott, eher einem verunglückten Elfmeter. Früher war, so der Eindruck, auch mehr Fantasie.

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•gestern

16.01.2024

16.01.2024

Die Hoch-Zeit der Spitznamen kennt einer, der die Eisernen erst im vorigen Sommer nach nur einem Jahr verlassen hat, bestens aus familiärer Tradition: Paul Seguin. Sein Vater Wolfgang, Kultspieler des 1974er Europapokalsiegerteams des 1. FC Magdeburg und 21-maliger DDR-Internationaler, wurde selbst Paule gerufen und hört auch heute, mit inzwischen 78, auf diesen Namen. Da war es irgendwann nur logisch, seinen Jüngsten so zu nennen. Wenn man will, ist es für den Filius sogar ein Ritterschlag.

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Mittlerweile scheinen Spitznamen aus der Mode gekommen zu sein. Der Gründe dafür gibt es viele. Die Zeit ist eine andere geworden. Die Verweildauer der Spieler bei einem Verein ist deutlich kürzer und damit die Identifikation mit ihm und den Anhängern loser. Wer in der Bundesliga anheuert, kommt oft aus einem anderen Land, damit einer anderen Kultur, spricht eine andere Sprache, geht einer anderen Religion nach. Zu schnell könnte man ins Fettnäpfchen treten.

Und doch könnte Nenad Bjelica mit der Verpflichtung von Kevin Vogt vor genau diesem Problem stehen. Denn Kevin ist im Stadion an der Alten Försterei alles, nur nicht allein zu Haus. Mit einem weiteren Kevin Vo., der weiter lland heißt, und Kevin Behrens hat der kroatische Trainer drei Spieler in seinem Team mit demselben Vornamen. Was die drei angeht, haben sie aus früherer Zeit in der Bundesliga einen Kevin, der Maßstäbe gesetzt hat: Kevin Keegan. Als der Angreifer aus England 1977 zum Hamburger SV kam, hatte er mit dem FC Liverpool zweimal den Uefa-Cup und Wochen zuvor erst den europäischen Meistercup gewonnen. Als er nach drei Jahren zurück auf die Insel ging, hatte er mit dem HSV den Meistertitel errungen und war zweimal Europas Fußballer des Jahres geworden. Einen Spitznamen übrigens hatte Keegan, nur 1,73 Meter groß, schon von zu Hause mitgebracht: Mighty Mouse, mächtige Maus. Das würde nicht auf Volland (1,79 Meter), noch weniger auf Behrens (1,85) und schon gar nicht auf Vogt (1,94) passen. Sie sollten sich etwas Schlaueres einfallen lassen.

QOSHE - 1. FC Union Berlin: Kevin ist bei den Eisernen alles andere als allein zu Haus - Andreas Baingo
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1. FC Union Berlin: Kevin ist bei den Eisernen alles andere als allein zu Haus

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18.01.2024

Früher war mehr Lametta. Das weiß seit Loriots Bonmot in deutschen Wohnzimmern fast jeder. Früher aber waren auch mehr Spitznamen. Das weiß jeder, der auch nur halbwegs im Fußball zu Hause ist. Als ich im Frühjahr 1978 ins Fußballressort beim Deutschen Sportecho kam, empfingen mich mit Jürgen Nöldner und Rainer Nachtigall dort auch zwei Kollegen, die es für die DDR zu Länderspielen gebracht hatten. Nöldner gehörte außerdem 1964 in Tokio zum olympischen Bronzeteam, und 1966 war er Fußballer des Jahres. Hätte ich von dem einen jedoch nicht gewusst, dass er viel lieber auf den Namen Kuppe hört und der andere, völlig logisch eigentlich bei dem Vogel-Namen Nachtigall, auch auf Amsel reagiert, hätte ich als völlig ahnungslos gegolten.

Wenn Kuppe und Amsel telefonierten und ehemalige Mitspieler am Apparat hatten, ging es bei Klaus Urbanczyk nur um Banne, bei Werner Unger um Peitsche, bei Günter Schröter um Moppel, bei Rainer Baumann um Röhre, bei Jürgen Heinsch um Dackel, bei Hans-Ulrich Grapenthin um Sprotte, bei Jürgen Großheim um........

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