Manches kommt zur Unzeit. Damit ist nicht die Rückkehr von Nenad Bjelica gemeint, der am Sonnabend, 15.30 Uhr gegen den VfL Wolfsburg nach seiner Dreispielesperre an die Seitenlinie des 1. FC Union Berlin zurückkehrt. Sein Vertretertrio mit Danijel Jumic, Nino Bule und Marie-Louise Eta haben es nämlich gut gemacht. In den Spielen gegen Darmstadt (1:0), bei RB Leipzig (0:2) und in Mainz (1:1) holten die Eisernen immerhin vier Punkte. Das entspricht einem Schnitt von 1,33 Punkten pro Spiel. Hochgerechnet wären das am Saisonende 45 Zähler. Ein Traum. Wahrscheinlich ist es dem Cheftrainer dabei nicht entgangen, dass Eta von vielen Anhängern aus vollem Herzen in den Rang einer Fußballgöttin erhoben wurde.

Vielleicht kehrt Bjelica ja gerade rechtzeitig in seine Coachingzone zurück. Schließlich kennt er VfL-Trainer Niko Kovac ziemlich genau und weiß besser als manch anderer, wie der Junge aus dem Wedding tickt und dass auch er auf seinem Posten angezählt ist. Bjelica und Kovac, beide 52, spielten gemeinsam im kroatischen Nationalteam. Nur sollte Unions Trainer von nun an die Hände lieber vom Ball lassen und erst recht aus dem Gesicht eines Gegenspielers.

Mehr zur Unzeit gerät die Rückkehr von Kevin Behrens an seine alte Wirkungsstätte, an der er sich viele Sympathien erworben, sie aber mit ein paar nicht ganz glücklichen Worten in Windeseile verspielt hat. Warum Wolfsburg? So wurde er auf der VfL-Homepage gefragt. Mit seiner Antwort tappte er in Köpenick in ganz viele Fettnäpfchen: „Weil es noch mal ein Verein in der Bundesliga ist mit Ambitionen, noch mal ein Stück weit professioneller als bei Union …“ Aha! Von einer „neuen Challenge“ gesprochen hat Behrens auch.

Der Sportwissenschaftler und Experimentalpsychologe Siegbert A. Warwitz bezeichnet Challenges als „Dummheiten“ und bevorzugt an deren Stelle Mutproben. Die hätte Behrens auch in Berlin haben können. Womöglich bestand seine Challenge auch eher darin, jener Spieler zu werden, der die kürzeste Zeit brauchte zwischen einem Spiel für einen Verein und gegen ihn. Das ist schiefgegangen. Die dreizehn Tage, die zwischen dem Spiel der Eisernen mit Behrens gegen Darmstadt und der Partie nun gegen Wolfsburg liegen, reichen nur für Platz zwei. Bei Werner Dreßel haben, nachdem er mit dem Hamburger SV einst gegen Kaiserslautern gespielt hatte, nur elf Tage gelegen, bevor er mit dem 1. FC Nürnberg gegen den HSV antrat.

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Ganz und gar zur Unzeit allerdings kommt, dass beim Wiedersehen mit Behrens einer nicht dabei ist, der als Gegenspieler gepasst hätte: Kevin Vogt. Der neue zentrale Abwehrmann fehlt wegen einer Gelbsperre. Wären Vogt, mit 1,94 Metern Körpergröße und 87 Kilo ein Klotz, und Behrens, mit 1,85 Metern und 85 Kilo ebenso alles andere als ein Schwächling, aufeinandergeprallt, hätte es Funken schlagen können.

Glücklicherweise hat die Abwehr mit Danilho Doekhi anderweitig Zuwachs bekommen. Der Niederländer, in seinen Zweikämpfen mit überdurchschnittlich guter Quote, ist nach seiner Verletzung, die er sich Ende Oktober zugezogen hatte, erst seit zwei Spielen wieder dabei. Mit 1,90 Metern ist er auf einer ähnlichen Länge wie Behrens und mit 86 Kilo auch in der gleichen Gewichtsklasse. Auch im Kopfballspiel, in der Vorsaison auf diese Art mit fünf Treffern einer der torgefährlichsten Abwehrspieler, steht er mindestens auf dessen Stufe.

Es müssen, weil mit Christopher Trimmel (Rotsperre) und Janik Haberer (Gelbsperre) neben Vogt zwei weitere Routiniers fehlen, andere ran. Klappt es so reibungslos wie vor einer Woche in Leipzig mit Alexander Schwolow für den erkrankten, inzwischen wieder genesenen Frederik Rönnow, wäre alles in Butter.

Mit der Zeit häufen sich die Tage, in denen Nachrücker (von Lückenbüßern spricht bei ähnlicher Qualität schon lange niemand mehr) für unvergessliche Momente sorgen. Zwei der bewegendsten seien erwähnt. Bei der Weltmeisterschaft 1962 zog sich der damals schon einmalige Pelé im zweiten Gruppenspiel einen Muskelfaserriss zu und fiel für den Rest des Turniers aus. Mit Amarildo kam ein 22-jähriges Greenhorn ins Team, dem kaum jemand etwas Großes zutraute. Zwei Amarildo-Tore jedoch reichten, um Spanien nach Hause zu schießen, ein weiteres im Endspiel, um mit einem 3:1 über die Tschechoslowakei den vier Jahre zuvor in Schweden gewonnenen WM-Titel erfolgreich zu verteidigen.

Ein paar Generationen später, das EM-Endspiel 2016 war keine zehn Minuten alt, verletzte sich der einzigartige Cristiano Ronaldo, für die Portugiesen so etwas wie Herz, Lunge und Kopf zusammen. Ohne ihn, so das Credo, hätte Gastgeber Frankreich leichtes Spiel. So was von daneben! Weil die Portugiesen zusammen für ihren Kapitän alles gaben (vielleicht auch weil sie es ihm zeigen wollten), gewannen sie mit einem 1:0 trotzdem ihren ersten großen Titel.

Um Klassen, besser um Dimensionen kleiner, für den 1. FC Union dennoch von großer Bedeutung, kenne ich es aus dem Stadion An der Alten Försterei aus eigener Erfahrung. Die Saison 1975/76 geht auf die Zielgerade. Heinz Werner, erst im vierten Monat unser Trainer, hat uns in der DDR-Liga auf Kurs Staffelsieg, aber eingetütet ist der noch lange nicht. Und die Aufstiegsrunde gegen Hansa Rostock, Vorwärts Dessau, Motor Werdau und Motor Suhl steht sowieso noch aus. Da bricht sich Wolfgang Matthies, mit 22 Jahren schon die Nummer 1 im Tor, im Training an meinem Kopf zwei Finger. Es ist, zumindest gefühlt, das einzige Kopfballduell, das ich gegen ihn gewonnen habe und er zu spät kommt. Ich hatte keine Ahnung, dass mein Schädel so hart sein könnte. Auf diese Erfahrung hätte ich, gerade in dieser Situation, liebend gern verzichtet.

Was nun? Gerhard Weiß, vor seiner Zeit in Köpenick mit dem FC Vorwärts zweimal DDR-Meister, hatte seine Karriere nach 117 Erstligaspielen gerade 34-jährig beendet. Bleiben mit Wolfgang Gehrke und Axel Leonhardt zwei 18-jährige Burschen, die den Laden hinten schmeißen müssen und es mit dem Staffelsieg auch schaffen.

Weil es der Spielplan gut mit uns meint und wir im Fünferfeld zu Beginn spielfrei sind, bleibt Matthies eine Woche länger, um fit zu werden. Zu unserem Eingreifen in die Aufstiegsrunde ist er glücklicherweise zurück und hält beim 4:0 gegen Dessau seinen Kasten gleich mal sauber. Bis dahin aber haben es zwei aus der zweiten Reihe gewuppt und damit ihren Anteil daran, dass wir trotz des zwischenzeitlichen Ausfalls eines unserer Besten neben Hansa in die Oberliga aufsteigen.

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Wer bei den Eisernen diesmal für Trimmel, Vogt und Haberer auch immer zum Zuge kommt, bei der Ausgeglichenheit des Kaders wird es nur eines geben, eine 1A-Lösung. Damit Nenad Bjelica in Zukunft vielleicht vor einem Problem stehen könnte, das er in Köpenick noch nicht kennt: die Qual der Wahl.

Interessant vielleicht und um die Stimmung rund um die Rückkehr von Kevin Behrens ein wenig aufzuhellen: Werner Dreßel, der gegen sein Ex-Team nach elf Tagen schon aufgelaufen war, hatte die Partie gegen seinen alten Verein 0:3 verloren.

QOSHE - Personalsorgen beim Heimspiel des 1. FC Union Berlin: Wer kümmert sich um Kevin Behrens? - Andreas Baingo
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Personalsorgen beim Heimspiel des 1. FC Union Berlin: Wer kümmert sich um Kevin Behrens?

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Manches kommt zur Unzeit. Damit ist nicht die Rückkehr von Nenad Bjelica gemeint, der am Sonnabend, 15.30 Uhr gegen den VfL Wolfsburg nach seiner Dreispielesperre an die Seitenlinie des 1. FC Union Berlin zurückkehrt. Sein Vertretertrio mit Danijel Jumic, Nino Bule und Marie-Louise Eta haben es nämlich gut gemacht. In den Spielen gegen Darmstadt (1:0), bei RB Leipzig (0:2) und in Mainz (1:1) holten die Eisernen immerhin vier Punkte. Das entspricht einem Schnitt von 1,33 Punkten pro Spiel. Hochgerechnet wären das am Saisonende 45 Zähler. Ein Traum. Wahrscheinlich ist es dem Cheftrainer dabei nicht entgangen, dass Eta von vielen Anhängern aus vollem Herzen in den Rang einer Fußballgöttin erhoben wurde.

Vielleicht kehrt Bjelica ja gerade rechtzeitig in seine Coachingzone zurück. Schließlich kennt er VfL-Trainer Niko Kovac ziemlich genau und weiß besser als manch anderer, wie der Junge aus dem Wedding tickt und dass auch er auf seinem Posten angezählt ist. Bjelica und Kovac, beide 52, spielten gemeinsam im kroatischen Nationalteam. Nur sollte Unions Trainer von nun an die Hände lieber vom Ball lassen und erst recht aus dem Gesicht eines Gegenspielers.

Mehr zur Unzeit gerät die Rückkehr von Kevin Behrens an seine alte Wirkungsstätte, an der er sich viele Sympathien erworben, sie aber mit ein paar nicht ganz glücklichen Worten in Windeseile verspielt hat. Warum Wolfsburg? So wurde er auf der VfL-Homepage gefragt. Mit seiner Antwort tappte er in Köpenick in ganz viele Fettnäpfchen: „Weil es noch mal ein Verein in der Bundesliga ist mit Ambitionen, noch mal ein Stück weit professioneller als bei Union …“ Aha! Von einer „neuen Challenge“ gesprochen hat Behrens auch.

Der Sportwissenschaftler und Experimentalpsychologe Siegbert A. Warwitz bezeichnet........

© Berliner Zeitung


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