Ist das die Lösung für das Drogen- und Kriminalitätsproblem? Der berüchtigte Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg wird nun definitiv nachts abgeschlossen. Und der grün regierte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat nichts mehr zu sagen. CDU-Umweltsenatorin Manja Schreiner hat am Montag das Planungsverfahren dem Bezirksamt entzogen, weil es sich weigert, eine abschließbare Einfriedung um die 14 Hektar große Grünanlage zu errichten. In den kommenden Wochen könnten die ersten Vorarbeiten beginnen.

Am 5. März hatte die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) den Bezirk schriftlich angewiesen, den Zaun zu errichten – ein formaler Akt, der erfüllt werden musste, um den Bezirk zu entmachten. In einem Schreiben vom 7. März an die Senatsverwaltung teilten Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann und Umweltstadträtin Annika Gerold (beide Grünen) mit, man könne und werde der Weisung nicht nachkommen. Damit seien die Voraussetzungen für das sogenannte Eingriffsrecht erfüllt, sagte ein Sprecher der Senatsverwaltung am Dienstag der Berliner Zeitung.

In ihrem Ablehnungsschreiben schießen beide Lokalpolitikerinnen heftig gegen den Senat. Unter anderem beklagen sie, dass die Senatsverwaltung ihnen nur eine Antwortfrist von weniger als zweieinhalb Tagen eingeräumt hatte. Das erwecke den Eindruck, „dass der Senatsverwaltung die Position des Bezirks letztlich gleichgültig ist und die Vorgaben des AZG als reine Formsache schnellstmöglich ‚durchgepaukt‘ werden sollen“. Das Kürzel AZG steht für Allgemeines Zuständigkeitsgesetz, nach dem der Senat Verfahren an sich ziehen kann, wenn Bezirke widerspenstig sind.

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Trotz der kurzen Frist, die ihnen eingeräumt wurde, fanden die Bürgermeisterin und ihre Stadträtin Zeit, eine fünf Seiten lange gründliche Antwort zu verfassen. Unter anderem beklagen sich Herrmann und Gerold darüber, dass aus Schreiners Haus Interna aus dem laufenden Verfahren an die Öffentlichkeit gelangten. In der vergangenen Woche hatten die Berliner Zeitung und andere Medien über die weit gediehenen Pläne des Senats berichtet.

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Herrmann, teilt aber noch weiter aus: „Als Bezirksbürgermeisterin bin ich für die Finanzen des Bezirks zuständig und verantwortlich. Daher kann ich schon aus dieser Verantwortung der Weisung nicht nachkommen. Im Bezirkshaushalt sind keinerlei Mittel für die Errichtung einer solchen Zaunanlage mit verschließbaren Zugängen vorgesehen.“ Eine Auftragsvergabe, ohne dass entsprechende Mittel zur Verfügung stehen, sei ihr rechtlich untersagt.

Eine Spitze kann sie sich nicht verkneifen: Dass gerade durch Schreiners Haus im vergangenen Jahr schriftlich gegebene Finanzierungszusagen beim Radwegebau suspendiert und in anderen Bezirken zum Teil gänzlich zurückgenommen worden seien. „Auch diese Erfahrung lässt uns bei den hier doch erheblichen Kosten in Millionenhöhe äußerst vorsichtig und zurückhaltend sein.“

Allerdings ist auch bekannt, dass das Geld aus dem Landeshaushalt kommt. Im Herbst wurde bei einem Sicherheitsgipfel im Roten Rathaus ein Maßnahmenpaket beschlossen mit einem Umfang von 31 Millionen Euro für die kommenden zwei Jahre – Geld, das aus dem Landeshaushalt kommt und vom Abgeordnetenhaus abgesegnet wurde. Es ist für die gesamte Stadt vorgesehen, das meiste davon aber für den Görlitzer Park und den problembehafteten Leopoldplatz in Wedding.

Ein Lenkungsgremium unter Regie der Senatsumweltverwaltung fragte die Wünsche der Bezirke ab und legte die Zuständigkeiten fest. Auch der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, der Anträge zu etlichen Maßnahmen wie „Kiezhausmeister“, Kiezläufer oder Parkmanager gestellt hat, kann seine Lieblingsprojekte umsetzen. Nur eben beim Zaun sieht die Bezirksbürgermeisterin haushaltsrechtliche Bedenken.

Das Projekt des Zaunbaus steht in keinem Verhältnis zur gelebten Wirklichkeit hier bei uns im Kiez. Was Kai Wegners Regierung da plant, geht komplett an den Bedürfnissen von uns Anwohner*innen vorbei, wir haben Sorge, dass dadurch alles noch viel schlimmer wird. #Görli #Wegner pic.twitter.com/HKT7BxxAWO

Die Einfriedung des Parks soll 1,9 Millionen Euro kosten und 17 bis 19 verschließbare Eingänge bekommen. Weitere 1,5 Millionen Euro sind für Personal vorgesehen und eine wissenschaftliche Untersuchung, ob die Schließung etwas bringt und inwieweit die Kriminalität in die umliegenden Wohngebiete verdrängt wird. Etwa sieben Millionen weitere Euro sind dort für Soziales, Prävention und Parkgestaltung vorgesehen. Unter anderem soll der Park von 40 zusätzlichen Lampen bestrahlt werden.

Die Senatsverwaltung hat nun die Landesgesellschaft Grün Berlin mit Planung und Bau der Umfriedung beauftragt. Einen entsprechenden Antrag habe das Lenkungsgremium zum Sicherheitsgipfel unter Leitung der Senatsverwaltung für Umwelt Montag beschlossen, so der Sprecher.

In ihrem Ablehnungsschreiben merken Herrmann und ihre Stadträtin süffisant an, dass sich die Frage stelle, unter welchen Bedingungen die Bauarbeiten stattfinden sollen. Der Görlitzer Park sei für den angrenzenden Kiez gerade im Sommer eine zentrale Naherholungsfläche. „Der Bezirk schließt daher aus, Flächen für die Bauarbeiten exklusiv zur Verfügung zu stellen. Wir denken hier an Lagerflächen für Zaunelemente, Toilettenstandorte, Zuwegungen etc. Der Bezirk wird keine Maßnahmen genehmigen, die die Bürger:innen in ihrer Nutzung einschränken.“

Ohnehin sehen die beiden Bezirkspolitikerinnen „nicht zu überwindende rechtliche Hindernisse“, etwa bei der Übertragung der zur Errichtung der Umfriedung erforderlichen Teilflächen an die Grün Berlin GmbH.

Der Bau der Umfriedung ist umstritten. Ein Bündnis „Görli zaunfrei“ fordert soziale Maßnahmen statt Polizei und Zaun. Es gab bereits mehrere Demonstrationen gegen den Plan. Auch für diesen Freitag ist wieder eine Demo in Kreuzberg geplant. Andere Anwohner begrüßen die Pläne.

QOSHE - Zaun um den Görlitzer Park: Das sind die Gründe, warum sich der Bezirk verweigert - Andreas Kopietz
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Zaun um den Görlitzer Park: Das sind die Gründe, warum sich der Bezirk verweigert

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12.03.2024

Ist das die Lösung für das Drogen- und Kriminalitätsproblem? Der berüchtigte Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg wird nun definitiv nachts abgeschlossen. Und der grün regierte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat nichts mehr zu sagen. CDU-Umweltsenatorin Manja Schreiner hat am Montag das Planungsverfahren dem Bezirksamt entzogen, weil es sich weigert, eine abschließbare Einfriedung um die 14 Hektar große Grünanlage zu errichten. In den kommenden Wochen könnten die ersten Vorarbeiten beginnen.

Am 5. März hatte die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) den Bezirk schriftlich angewiesen, den Zaun zu errichten – ein formaler Akt, der erfüllt werden musste, um den Bezirk zu entmachten. In einem Schreiben vom 7. März an die Senatsverwaltung teilten Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann und Umweltstadträtin Annika Gerold (beide Grünen) mit, man könne und werde der Weisung nicht nachkommen. Damit seien die Voraussetzungen für das sogenannte Eingriffsrecht erfüllt, sagte ein Sprecher der Senatsverwaltung am Dienstag der Berliner Zeitung.

In ihrem Ablehnungsschreiben schießen beide Lokalpolitikerinnen heftig gegen den Senat. Unter anderem beklagen sie, dass die Senatsverwaltung ihnen nur eine Antwortfrist von weniger als zweieinhalb Tagen eingeräumt hatte. Das erwecke den Eindruck, „dass der Senatsverwaltung die Position des Bezirks letztlich gleichgültig ist und die Vorgaben des AZG als reine Formsache schnellstmöglich ‚durchgepaukt‘ werden sollen“. Das Kürzel AZG steht für Allgemeines........

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