Bei der Verteilung des Senats von Flüchtlingen in den Kiezen spielen in der Regel kaum die soziale Situation in den jeweiligen Kiezen oder ihre Infrastruktur – ob beispielsweise Arztpraxen oder Supermärkte in der Nähe sind – eine Rolle. Das geht aus einer Antwort des Senats auf eine Anfrage des parteilosen Berliner Abgeordneten Alexander King hervor, die der Berliner Zeitung vorliegt. Es zählt wohl vor allem die Platzfrage – und daher treffe es vor allem den Ostteil Berlins mit seinen vielen Brachflächen.

Anlass für den Politiker vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) war die Ankündigung des Senats, 16 neue Containerdörfer für insgesamt 6000 Flüchtlinge zu errichten. Die meisten verteilen sich nämlich wieder auf drei Ostbezirke Berlins – und zwar allein neun. Am stärksten betroffen ist Lichtenberg mit allein vier Standorten, es folgen Pankow mit drei und Treptow-Köpenick mit zwei Standorten. Auch in Reinickendorf entstehen zwei Containerdörfer, in Spandau, Tempelhof-Schöneberg, Neukölln, Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf je eines. Marzahn-Hellersdorf, Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg gehen leer aus.

Neun weitere Flüchtlingslager in Ostberlin: Lichtenberger Bürgermeister nennt Plan „inakzeptabel“

26.03.2024

Kein Platz für Flüchtlingscontainer an der FU in Dahlem: „Woke Fassade bröckelt“

•heute

In Steglitz-Zehlendorf wehrt sich gerade die Freie Universität Dahlem. Dort soll auf einem brachliegenden Gelände der FU ebenfalls ein Dorf hochgezogen werden.

Dabei ist die Lage in den Ostbezirken dramatischer. Allein im Lichtenberger Ortsteil Hohenschönhausen wurden an der Darßer Straße zwei Standorte identifiziert, unweit davon an der Klützer Straße ein weiterer. Bereits jetzt gibt es bereits in Hohenschönhausen sechs Standorte der Flüchtlingsunterbringung. Insgesamt würde die Anzahl in Lichtenberg von zwölf auf 16 steigen. Mit den geplanten 1600 neuen Plätzen käme Lichtenberg auf insgesamt rund 6000.

Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) wehrte sich vor drei Wochen öffentlich gegen die Entscheidung des Senats. Das sei „ein Rückschritt in der Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Bezirken“. Die Bezirke, die bereits am meisten leisteten, würden zusätzlich belastet, so sein Vorwurf. „Um es klar zu sagen: Ich lehne jede weitere Unterkunft in Hohenschönhausen ab. Allein dort wären es dann elf Unterkünfte in einem einzigen Stadtteil unseres Bezirks“, schrieb er. Dies habe mit einer dezentralen Lösung gar nichts zu tun. „Wir wurden zwar informiert, dass diese Standorte in der Prüfung seien. Aber alle vier Standorte sind für Unterkünfte nicht geeignet.“

16.04.2024

•gestern

15.04.2024

In der Anfrage beantwortet der Senat nun, wie sich die Verteilung der Flüchtlinge dargestellt habe: „Der vom Senat benannte Koordinator für Flüchtlingsangelegenheiten hat mit den Bezirksbürgermeistern bzw. mit benannten Stellvertretenden Gespräche unter anderem über die WCD-Standorte unter Beteiligung des LAF und der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) geführt.“ WCD steht für Wohncontainerdörfer.

Weiter heißt es, dass der Koordinator für Flüchtlingsangelegenheiten, Albrecht Broemme, alle Bezirksbürgermeister „über die identifizierten und priorisierten Grundstücke für die WCD-Standorte“ informiert habe. Das Schreiben sei am 29. Februar 2024 rausgegangen. „Darüber hinaus waren die Stadtplanungsämter der jeweiligen Bezirke bei der Vorprüfung der Standorte involviert.“ Und: Am Ende habe der Senat den Rat der Bürgermeister über die Festlegung der Standorte informiert.

Für BSW-Politiker Alexander King steht mit der Antwort des Senats fest, „dass sich die Außenbezirke, gerade im Osten, darauf einstellen müssen, dass sie hier immer zuerst herangezogen werden“.

Zur Berliner Zeitung sagt er: „Ich finde das nicht besonders schlau, denn die Aufnahme vieler neuer Menschen in der Nachbarschaft ist eine große Leistung, die den Bewohnern der betroffenen Kieze abverlangt wird. Und die zu erbringen, fällt nicht unbedingt leichter, wenn man eh schon mit sozialen und Versorgungsproblemen zu kämpfen hat.“

Der BSW-Politiker weiter: „Zum Zweiten erfahren wir aber auch, dass die Bezirksämter durchaus in die Entscheidung über die Verteilung einbezogen waren. Der Lichtenberger Bezirksbürgermeister versucht den Eindruck zu erwecken, als sei ihm das vom Senat gegen seinen Willen aufgedrückt worden.“

Flüchtlingsunterkünfte in Berlin: Warum es so nicht weitergehen kann

22.02.2024

Bezirksbürgermeisterin von Pankow irritiert bei Lanz: Flüchtlingskrise positiv sehen

28.03.2024

Daher wolle die Lichtenberger BSW-Fraktion im Bezirksparlament, die ebenfalls gegen neue Containerdörfer ist, nun auch von Bezirksbürgermeister Schaefer (CDU) und seiner Stellvertreterin Camilla Schuler (Linke) wissen, „wie sie sich in die Beratungen über die Verteilung der Unterbringung eingebracht haben, da sie ja offensichtlich involviert waren“. Bezirksbürgermeister Schaefer habe erst am 26. März öffentlich reagiert, „obwohl er laut Antwort des Senats bereits vier Wochen vorher über die Auswahl der Standorte informiert war. Wir würden gerne wissen, was in der Zwischenzeit gelaufen ist“, so King.

Am Donnerstagabend soll der Lichtenberger Bürgermeister in der BVV von der dortigen BSW dazu befragt werden.

QOSHE - BSW-Politiker kritisiert Flüchtlingsunterkünfte: „Ostbezirke werden immer zuerst rangezogen“ - Anne-Kattrin Palmer
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

BSW-Politiker kritisiert Flüchtlingsunterkünfte: „Ostbezirke werden immer zuerst rangezogen“

12 0
18.04.2024

Bei der Verteilung des Senats von Flüchtlingen in den Kiezen spielen in der Regel kaum die soziale Situation in den jeweiligen Kiezen oder ihre Infrastruktur – ob beispielsweise Arztpraxen oder Supermärkte in der Nähe sind – eine Rolle. Das geht aus einer Antwort des Senats auf eine Anfrage des parteilosen Berliner Abgeordneten Alexander King hervor, die der Berliner Zeitung vorliegt. Es zählt wohl vor allem die Platzfrage – und daher treffe es vor allem den Ostteil Berlins mit seinen vielen Brachflächen.

Anlass für den Politiker vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) war die Ankündigung des Senats, 16 neue Containerdörfer für insgesamt 6000 Flüchtlinge zu errichten. Die meisten verteilen sich nämlich wieder auf drei Ostbezirke Berlins – und zwar allein neun. Am stärksten betroffen ist Lichtenberg mit allein vier Standorten, es folgen Pankow mit drei und Treptow-Köpenick mit zwei Standorten. Auch in Reinickendorf entstehen zwei Containerdörfer, in Spandau, Tempelhof-Schöneberg, Neukölln, Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf je eines. Marzahn-Hellersdorf, Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg gehen leer aus.

Neun weitere Flüchtlingslager in Ostberlin: Lichtenberger Bürgermeister nennt Plan „inakzeptabel“

26.03.2024

Kein Platz für Flüchtlingscontainer an der FU in........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play