Wieder ein Krisengipfel zur Migration: Am Mittwoch kommen die 16 Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen. Es geht vor allem um den Umgang mit der Flüchtlingskrise. Ganz oben auf der Agenda steht die Bezahlkarte für Asylbewerber, die bundesweit kommen soll. Das Vorhaben sorgt nach wie vor für Streit und Uneinigkeit – jedes Land will es am liebsten auf seine Art regeln. Und manche – wie Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) – sind nach wie vor gar nicht begeistert von der Idee, Asylbewerbern in Zukunft nur einen Teil der Leistungen in bar auszuzahlen.

Auch in der Regierung sind sich die Parteien nach wie vor nicht einig: Am Freitag hatten sich die Ampel-Spitzen auf eine bundesweite Bezahlkarte verständigt, allerdings mit ganz viel Spielraum, auch um die Grünen zu besänftigen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verteidigt die Bezahlkarte für Flüchtlinge. Asylbewerber könnten damit weiter einkaufen gehen, es spare Bürokratie und verhindere, dass das Geld an Schleuser gehe, sagte Faeser.

Die Einigung sieht nun vor, dass die Bezahlkarte ausdrücklich als Option im Asylbewerberleistungsgesetz verankert wird. Wie das umgesetzt wird, liegt dann bei den Ländern. Es sei „eine Formulierungshilfe geschaffen worden“, sagte am Montag ein Regierungssprecher. Nicht mehr und nicht weniger.

Als positiv wertete er, dass sich 14 Länder an dem bundesweiten Vergabeverfahren für die Bezahlkarte beteiligt hatten. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern sind ausgeschert. Ihnen geht das alles nicht schnell genug, sie setzen außerdem auf eine andere Technik.

Und auch sonst ist derzeit alles eher unklar. Chaos ist programmiert. Fest steht derzeit nur, dass die Karte in manchen Ländern noch 2024, in Berlin eher 2025 an den Start gehen dürfte und dann an Asylbewerber ausgegeben wird. Der Betrag, den die Menschen erhalten, verändert sich nicht, nur die Art der Geldausgabe. Die Höhe der Leistungen liegt derzeit zwischen 368 und 460 Euro für Erwachsene.

Hinzu kommt: Schutzberechtigte und Geflüchtete aus der Ukraine sowie Geduldete (nach 18 Monaten) brauchen die Karte nicht, sie bekommen Bürgergeld beziehungsweise Sozialhilfe, wenn nötig.

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Doch jedes Land plant derzeit anders. In Berlin sollen nach wie vor Flüchtlinge an ihr Bargeld kommen. Für SPD-Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) hätte es dafür auch keinen gesetzlichen Rahmen geben müssen. Zur Berliner Zeitung sagt sie: „Ich bin weiterhin der Meinung, dass eine Bezahlkarte auch ohne gesetzliche Änderung umgesetzt werden kann.“ Wichtig sei ihr nur, „dass die Bundesländer weiterhin eigenständig die Rahmenbedingungen festlegen können, weil die Bezahlkarte eben nicht dazu dienen kann, Migration zu steuern und geflüchtete Menschen zu gängeln“.

Kiziltepe sagt weiter: „Ich setze mich so wie bisher dafür ein, dass geflüchtete Menschen in Berlin auch weiterhin das Geld, das ihnen zusteht, zu 100 Prozent selbstbestimmt und ohne Reglementierung verwenden können, auch in Form von Bargeld.“

In Brandenburg wirbt derweil Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) weiter für die Einführung der Karte – unklar bleibt, wie das konkret umgesetzt werden soll. Der Landkreis Märkisch-Oderland prescht allerdings schon vor, will als erster Landkreis in Brandenburg im Alleingang mit einer Bezahlkarte für Asylbewerber starten. Man rechne nach bisheriger Schätzung mit Kosten für das System von etwa 25.000 Euro pro Jahr, sagte der Sprecher des Landkreises, Thomas Berendt, am Montag. Auch Bayern will damit ganz schnell an den Start, möchte sogar noch strenger sein als andere – und nur noch 50 Euro Bargeld ausgeben, der Rest soll über die Karte kommen.

In Thüringen haben zwei Landkreise, ebenso Hannover, die Bezahlkarte bereits eingeführt und testen diese. Folgen sollen bald Landkreise in Sachsen und Hamburg.

Hintergrund der Bezahlkarten-Idee ist vor allem, dass damit Auslandsüberweisungen von Flüchtlingen und die Schleuserkriminalität unterbunden werden. Laut Schätzungen der Bundesbank schickten Migranten 2022 knapp 7,2 Milliarden Euro in ihre Heimatländer.

Allerdings könnte es einen Flickenteppich geben – ohne „einheitliche Standards“, wie der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, bemängelt. Zwar gebe es jetzt bundesrechtlich Klarheit, dennoch seien weitere wichtige Detailfragen offen, sagt er auf Nachfrage.

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Am Zug sind in der Tat jetzt die Länder. Unklar ist beispielsweise nach wie vor, für welche Gruppen von Asylbewerbern die Karte gelten soll – für neu ankommende Asylbewerber oder auch für schon länger hier lebende Geflüchtete, die bereits sogenannte Analogleistungen erhalten.

Weitere offene Fragen, die die Länder jetzt zu klären haben: Bis zu welchem Betrag kann Bargeld abgehoben werden? Gilt die Karte auch im Einzelhandel? Funktioniert sie auf Wochenmärkten? Und vor allem: Könnten Flüchtlinge eventuell ihre Wahl, in welche Stadt sie gehen, danach ausrichten, wo mehr Bargeld ausgezahlt wird?

Auch das soll besprochen werden, heißt es aus Teilnehmerkreisen der Ministerpräsidentenkonferenz. Möglich ist, dass die Behörden die Karten regional auf Deutschland, auf ein Bundesland, auf eine kreisfreie Stadt beziehungsweise einen Landkreis oder auf bestimmte Gemeinden und Orte beschränken. Vorteil: So bleiben die Hilfsgelder in der gewünschten Region und fördern die dortige Wirtschaft.

Ferner gilt für Flüchtlinge, dass sie erst einmal an eine Region gebunden sind: Menschen, die in Deutschland Asyl suchen, werden für die Zeit der Antragsbearbeitung einem bestimmten Bundesland zugewiesen. Dies geschieht durch den sogenannten Königsteiner Schlüssel und soll gewährleisten, dass kein Land über seine Kapazitäten beansprucht wird. Solange der Asylantrag bearbeitet wird, müssen sich Asylbewerber im festgelegten Gebiet aufhalten. Danach jedoch nicht mehr.

QOSHE - Krisengipfel zur Bezahlkarte am Mittwoch: Warum ein Flickenteppich droht - Anne-Kattrin Palmer
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Krisengipfel zur Bezahlkarte am Mittwoch: Warum ein Flickenteppich droht

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04.03.2024

Wieder ein Krisengipfel zur Migration: Am Mittwoch kommen die 16 Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen. Es geht vor allem um den Umgang mit der Flüchtlingskrise. Ganz oben auf der Agenda steht die Bezahlkarte für Asylbewerber, die bundesweit kommen soll. Das Vorhaben sorgt nach wie vor für Streit und Uneinigkeit – jedes Land will es am liebsten auf seine Art regeln. Und manche – wie Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) – sind nach wie vor gar nicht begeistert von der Idee, Asylbewerbern in Zukunft nur einen Teil der Leistungen in bar auszuzahlen.

Auch in der Regierung sind sich die Parteien nach wie vor nicht einig: Am Freitag hatten sich die Ampel-Spitzen auf eine bundesweite Bezahlkarte verständigt, allerdings mit ganz viel Spielraum, auch um die Grünen zu besänftigen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verteidigt die Bezahlkarte für Flüchtlinge. Asylbewerber könnten damit weiter einkaufen gehen, es spare Bürokratie und verhindere, dass das Geld an Schleuser gehe, sagte Faeser.

Die Einigung sieht nun vor, dass die Bezahlkarte ausdrücklich als Option im Asylbewerberleistungsgesetz verankert wird. Wie das umgesetzt wird, liegt dann bei den Ländern. Es sei „eine Formulierungshilfe geschaffen worden“, sagte am Montag ein Regierungssprecher. Nicht mehr und nicht weniger.

Als positiv wertete er, dass sich 14 Länder an dem bundesweiten Vergabeverfahren für die Bezahlkarte beteiligt hatten. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern sind ausgeschert. Ihnen geht das alles nicht schnell........

© Berliner Zeitung


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