Seit Wochen wirbt Grünen-Agrarminister Cem Özdemir für die Tierwohlabgabe. Nun werden die Pläne konkreter, das Landwirtschaftsministerium legte den Ampel-Fraktionen ein Eckpunktepapier vor. Kritiker sprechen von einer „Strafsteuer“, die nur wieder die Verbraucher belaste.

Geht es nach Özdemir, sollen in Zukunft „Fleisch, Fleischerzeugnisse und genießbare Schlachtnebenerzeugnisse“ extra besteuert werden. Nachzulesen ist das in einem „Konzept für eine Verbrauchsteuer auf bestimmte tierische Produkte“, das der Berliner Zeitung vorliegt. Die Folge: Fleisch, Wurst, aber auch Fertiggerichte mit Fleischanteil dürften künftig teurer werden.

Ziel der Tierwohlabgabe ist laut Özdemir, den Landwirten den tiergerechten Umbau ihrer Ställe zu finanzieren. Wie viel das sein wird, ist jedoch noch unklar. Die Höhe der Abgabe soll „politisch“ entschieden werden, heißt es in dem Papier. Mitte Januar sprach Özdemir im Bundestag allerdings von „wenigen Cent pro Kilogramm“ mehr. Er fügte allerdings auch hinzu: „Wenn die Currywurst ein paar Cent teurer wird, dann ist die Angst vor dem Shitstorm groß.“

Pikant ist allerdings, dass die Steuereinnahmen aus der Abgabe nicht direkt an die Bauern, sondern wie üblich in den Bundeshaushalt fließen würden. Zweckgebunden wären sie damit nicht, kritisieren Verbände. Aber immerhin sei als Ziel des Gesetzesvorhabens festgehalten, „Steuereinnahmen für wichtige, vornehmlich landwirtschafts- und ernährungspolitische Vorhaben“ zu generieren.

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Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, sagt der Berliner Zeitung: „Die vorgeschlagene Ausgestaltung eines Tierwohl-Cent setzt am falschen Ende an. Es ist vollkommen unklar, wie sichergestellt werden soll, dass das Geld am Ende auch beim Landwirt ankommt – dies muss aber Sinn und Zweck einer Tierwohlabgabe sein.“

Er fügt hinzu: „Darüber hinaus ist für uns völlig unverständlich, weshalb das Thema Entbürokratisierung trotz aller Lippenbekenntnisse nicht endlich ernsthaft angegangen wird.“ Eine Verbrauchssteuer schaffe erst einmal massive Bürokratie und Zusatzkosten, „ohne dass ein Mehrwert für die Tierhalter entsteht“. Die Landwirtschaft brauche jetzt vor allem Lösungen, die alle Betriebe entlasten, so Krüsken.

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Die Debatte um eine Tierwohlabgabe wird seit Jahren geführt. Die ursprüngliche Idee war, durch die Einnahmen den Umbau der Ställe und eine Verbesserung der Tierhaltung zu finanzieren. Ein entsprechender Vorschlag kam etwa vom Kompetenzzentrum Nutztierhaltung, besser bekannt als Borchert-Kommission, benannt nach dem Leiter der Expertenkommission, dem ehemaligen Landwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU).

Die Borchert-Kommission nannte vor vier Jahren für die Höhe der Tierwohlabgabe übrigens einen denkbaren Aufschlag von 40 Cent je Kilo Fleisch und Wurst. Basis dafür ist, dass die Kommission bis 2040 einen Finanzierungsbedarf von bis zu 3,6 Milliarden Euro pro Jahr für den Umbau der gesamten Tierhaltung in Deutschland ermittelt. Das wäre deutlich mehr als ein „Tierwohlcent“.

Daran erinnert auch Steffen Reiter, Sprecher vom Verband der Fleischwirtschaft. Zur Berliner Zeitung sagt er: „Der Verband der Fleischwirtschaft hat sich aktiv in die Arbeit der Borchert-Kommission eingebracht. Wir stehen hinter dem Konzept zur Transformation.“

Doch „umstellungswillige Landwirte“ bräuchten dafür „eine dauerhaft verlässliche Finanzierung ihrer Bemühungen für mehr Tierwohl“. Reiter sagt weiter: „Eine mögliche Abgabe darf nicht als Instrument der politischen Konsumsteuerung missbraucht werden. Die Finanzierung der Transformation muss praxisnah zusammen mit der Wirtschaft ausgestaltet werden und darf nicht alleine die heimische Fleischproduktion belasten.“

Drastischere Worte findet CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann. Sie sagte der Berliner Zeitung: „Cem Özdemir zeigt, worum es ihm wirklich geht: Unter dem Deckmantel des Tierwohls wird eine neue Strafsteuer generiert. Wer Fleisch essen will, muss mehr zahlen – egal ob Rinderfilet, Hähnchenkeule oder Schweinehack. Fleisch wird zum Luxusgut. Über die Erlöse freut sich die Staatskasse. Landwirte und Tiere schauen in die Röhre.“

Die Tierschutzorganisation Provieh dagegen begrüßt das Vorhaben ausdrücklich. „Der Tierwohlcent kann die langfristige Finanzierung für den dringend notwendigen Umbau der Tierhaltung sicherstellen, die von der Tierschutzorganisation schon seit langem gefordert wird“, heißt es. Entscheidend sei allerdings, sagen auch die Tierschützer, dass die „Einnahmen aus der Verbrauchssteuer zielgerichtet in höhere Tierwohlstandards fließen“.

Tatsächlich ist die Fleischproduktion bereits in den vergangenen Jahren in Deutschland zurückgegangen. Mit rund 6,8 Millionen Tonnen sank sie im letzten Jahr erneut um vier Prozent, wie aus am Mittwoch veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden hervorgeht.

QOSHE - Tierwohlabgabe fließt nicht an Bauern: Neue „Strafsteuer“ für Fleischesser? - Anne-Kattrin Palmer
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Tierwohlabgabe fließt nicht an Bauern: Neue „Strafsteuer“ für Fleischesser?

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07.02.2024

Seit Wochen wirbt Grünen-Agrarminister Cem Özdemir für die Tierwohlabgabe. Nun werden die Pläne konkreter, das Landwirtschaftsministerium legte den Ampel-Fraktionen ein Eckpunktepapier vor. Kritiker sprechen von einer „Strafsteuer“, die nur wieder die Verbraucher belaste.

Geht es nach Özdemir, sollen in Zukunft „Fleisch, Fleischerzeugnisse und genießbare Schlachtnebenerzeugnisse“ extra besteuert werden. Nachzulesen ist das in einem „Konzept für eine Verbrauchsteuer auf bestimmte tierische Produkte“, das der Berliner Zeitung vorliegt. Die Folge: Fleisch, Wurst, aber auch Fertiggerichte mit Fleischanteil dürften künftig teurer werden.

Ziel der Tierwohlabgabe ist laut Özdemir, den Landwirten den tiergerechten Umbau ihrer Ställe zu finanzieren. Wie viel das sein wird, ist jedoch noch unklar. Die Höhe der Abgabe soll „politisch“ entschieden werden, heißt es in dem Papier. Mitte Januar sprach Özdemir im Bundestag allerdings von „wenigen Cent pro Kilogramm“ mehr. Er fügte allerdings auch hinzu: „Wenn die Currywurst ein paar Cent teurer wird, dann ist die Angst vor dem Shitstorm groß.“

Pikant ist allerdings, dass die Steuereinnahmen aus der Abgabe nicht direkt an die Bauern, sondern wie üblich in den Bundeshaushalt fließen würden. Zweckgebunden........

© Berliner Zeitung


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