Die Pläne des Senats scheinen eindeutig und unverrückbar: Zu Beginn dieses Jahres wurde bekannt, dass das einstige DDR-Vorzeigefreizeitparadies und spätere Zankobjekt SEZ an der Landsberger Allee abgerissen werden soll. Und zwar komplett. „Die Umsetzung des Bebauungsplans wird den Abriss des gesamten Gebäudebestands erfordern“, hieß es in der Antwort der Senatsverwaltung für Finanzen auf die schriftliche Anfrage des Linke-Politikers Damiano Valgolio.

Laut der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wird die Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte auf dem Areal Hunderte Wohnungen bauen. Auch eine Schule soll entstehen. Vielleicht kommt eine Kita hinzu.

Einen Termin für den Abriss des SEZ gibt es zwar noch nicht, die Pläne sollen aber so schnell wie möglich in die Tat umgesetzt werden, hieß es. Dagegen allerdings regt sich Widerstand.

Nicht nur Prominente wie Gregor Gysi oder die in Ost-Berlin geborenen Schauspieler Milan Peschel und Jördis Triebel zeigten sich gegenüber der Berliner Zeitung entsetzt über die Abrisspläne des Senats.

Auf der Plattform change.org hat eine im Dezember 2023 gestartete Privatpetition an den Senat mit dem Begehren „Das SEZ sanieren und als Sport- und Freizeitfläche für alle wieder öffnen!“ schon knapp 8000 Unterschriften gesammelt.

19.03.2024

•gestern

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Viel Resonanz hat zudem eine Unterschriftensammlung des Friedrichshainer Vereins Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) ausgelöst. Anlässlich des 43. Jahrestags der Einweihung des Berliner Sport- und Erholungszentrums – das SEZ war am 20. März 1981 feierlich eröffnet worden – protestierten Unterstützer der Aktion am Mittwoch gegen den geplanten Abriss. Mitglieder der Gruppe Architects for Future sprachen sich aus Klimaperspektive gegen den Abriss von Bestandsgebäuden aus.

Gestern haben wir zusammen mit dem Verein G.i.B. über 10.000 Unterschriften übergeben, davon 7.600 Unterschriften von unserer Petition. Und wir sammeln weiter: https://t.co/5EcGig6e5n 💪 Gern weiter unterschreiben und teilen 🙏 #SEZ #SEZretten #SEZberlin #Friedrichshain pic.twitter.com/6qtFN0Wfuv

Im Rahmen der Aktion wurden insgesamt 10.125 Unterschriften gegen den SEZ-Abriss per Fahrradkurier an den Senator für Stadtentwicklung Christian Gaebler von der SPD überbracht, wie die Initiative mitteilt.

„Das SEZ ist eine Ikone der Architektur, es befindet sich in einem erhaltenswerten Zustand. Der geplante Abriss wäre sozial, ökologisch und städtebaulich desaströs. Soziale Infrastrukturen wie das SEZ gehören zur Daseinsvorsorge. Angesichts einer dicht besiedelten Nachbarschaft und der generellen Bäderknappheit in Berlin füllt die Wiederinbetriebnahme einer Sport- und Erholungsstätte eine gravierende Lücke“, sagt Carl Waßmuth, Initiator der Petition.

Auch Damiano Valgolio, direkt gewählter Abgeordneter im Friedrichshainer Westen, teilt die Ansicht, dass das SEZ nicht so einfach abgerissen werden darf. Valgolio hat deshalb ein Konzept entwickelt, was auf dem Gelände aus seiner Sicht möglich gemacht werden müsse. Das Dokument liegt der Berliner Zeitung vor.

Darin heißt es, das SEZ sei „nicht nur ein Stück Berliner Stadtgeschichte“. Seine Stilllegung habe „den Mangel an bezahlbaren Freizeitangeboten weiter verschärft. Angesichts dieses Mangels erscheint es absurd, die bestehenden Gebäude abzureißen, sollten sie noch intakt sein.“

Der Linke-Politiker geht in seinem Konzept von 200 bis 300 neuen Wohnungen aus. Gleichzeitig solle wieder „ein Sport- und Freizeitangebot entstehen, das der großen Tradition des SEZ gerecht wird“. Seine Partei sei der Auffassung, dass sich beides nicht ausschließe. Konkret fordert Valgolio zunächst ein Baugutachten zum Zustand der Gebäude. „Dabei ist zu prüfen, was weiter genutzt werden kann und was mit welchem Aufwand wieder in Gang gebracht werden kann.“

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Parallel dazu könne man auf dem hinteren Teil des Grundstücks mit dem Bau einer Gemeinschaftsschule samt Sportflächen beginnen. Im Rahmen von Zwischennutzungen sei „so schnell wie möglich in öffentlicher Hand wieder ein Sport- und Freizeitangebot im SEZ für die Menschen in der Umgebung zu schaffen“, heißt es in dem Papier weiter.

Soweit baulich möglich, sei dabei insbesondere die Roll- und Schlittschuhbahn im süd-westlichen Flügel wieder in Betrieb zu nehmen. „Für die Sportflächen im nördlichen Flügel wird gemeinsam mit den Sportvereinen der Umgebung ein öffentliches Sportangebot als Zwischennutzung entwickelt.“

Auch das Hallenbad könne „bei vertretbaren Kosten“ wieder in Betrieb genommen werden. Für den Fall, dass das nicht möglich sei, sei zu prüfen, „ob es unter Lärmschutz-Aspekten möglich ist, das Freibad im Außenbereich wieder zu eröffnen und um ein weiteres Becken zu erweitern. Das Freibad dürfte in einem baulich deutlich besseren Zustand als das Hallenbad sein, da es noch vor wenigen Jahren in Betrieb war“.

Der Leipziger Investor Rainer Löhnitz, der das Areal im Jahr 2003 unter dem zuständigen Senator Thilo Sarrazin (SPD) für den symbolischen Preis von einem Euro gekauft und dann rudimentär weiterbetrieben und saniert hatte, bot Teile des SEZ zuletzt noch zur Vermietung an. So wurde hier erst kürzlich eine Krankenhausserie gedreht. Für den Außenpool kann man auf der SEZ-Homepage aktuell noch immer eine Anfrage stellen.

Mit einem erweiterten Freibad würde „ein wertvolles Freizeitangebot für die Sommermonate geschaffen und der Mangel an Schwimmflächen zumindest etwas behoben“, heißt es im Konzept von Valgolio. Gleichzeitig könne man mit dem Bau der Wohnungen dem Mangel in der Stadt begegnen. Der Politiker ist sich sicher, ein vollständiger Abriss des SEZ-Gebäudes sei nicht notwendig.

Er fordert einen städtebaulichen Ideenwettbewerb, „um unter Beteiligung der Anwohnerschaft die beste Lösung zu finden“. Im Widerstand der Anwohner sieht Valgolio die Bestätigung für seinen aus seiner Sicht „realistischen Vorschlag“.

Der Senat hatte indes zuletzt immer wieder betont, an seinen Plänen festhalten zu wollen. Danach sind nicht 200 bis 300, sondern 500 Wohnungen sowie „Flächen für einen dringend erforderlichen Schulstandort“ auf dem Areal vorgesehen.

Der Bebauungsplan widerspräche zwar nicht dem Bestandsschutz der bestehenden Gebäude, so der Senat. „Ein dauerhafter Sportbetrieb dürfte aber ausgeschlossen sein. Keines der Gebäude steht unter Denkmalschutz.“ Die frühere öffentliche Sportnutzung sei bereits Ende 2002 aufgegeben worden.

Eine Änderung des Bebauungsplans sei nicht vorgesehen, hieß es zuletzt aus der Finanzverwaltung. Man habe die Öffentlichkeit seit 2016 in alle Überlegungen einbezogen. Allerdings findet sich in einer Mitteilung vom Februar aus der Stadt­ent­wicklungsverwaltung auch folgender Satz: „Vor dem Abriss des Gebäudes wird geprüft, ob wesentliche identitätsstiftende Merkmale erhalten werden können.“

QOSHE - Kampf um Erhalt des SEZ in Friedrichshain geht weiter: „Der geplante Abriss wäre desaströs“ - Anne Vorbringer
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Kampf um Erhalt des SEZ in Friedrichshain geht weiter: „Der geplante Abriss wäre desaströs“

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21.03.2024

Die Pläne des Senats scheinen eindeutig und unverrückbar: Zu Beginn dieses Jahres wurde bekannt, dass das einstige DDR-Vorzeigefreizeitparadies und spätere Zankobjekt SEZ an der Landsberger Allee abgerissen werden soll. Und zwar komplett. „Die Umsetzung des Bebauungsplans wird den Abriss des gesamten Gebäudebestands erfordern“, hieß es in der Antwort der Senatsverwaltung für Finanzen auf die schriftliche Anfrage des Linke-Politikers Damiano Valgolio.

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Nicht nur Prominente wie Gregor Gysi oder die in Ost-Berlin geborenen Schauspieler Milan Peschel und Jördis Triebel zeigten sich gegenüber der Berliner Zeitung entsetzt über die Abrisspläne des Senats.

Auf der Plattform change.org hat eine im Dezember 2023 gestartete Privatpetition an den Senat mit dem Begehren „Das SEZ sanieren und als Sport- und Freizeitfläche für alle wieder öffnen!“ schon knapp 8000 Unterschriften gesammelt.

19.03.2024

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19.03.2024

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