Der Schock sitzt tief nach dem israelischen Angriff auf die Helfer der Organisation World Central Kitchen (WCK). Sieben Hilfskräfte aus unterschiedlichen Ländern, unter anderem aus Polen und Großbritannien, starben dabei. Die Attacke aus der Luft soll trotz vorheriger Absprachen mit der israelischen Seite erfolgt sein. Die israelische Regierung hat eine Untersuchung angeordnet. Am Freitag entließ das israelische Militär zwei hochrangige Offiziere. Der Brigadekommandeur für Feuerunterstützung und der Brigadestabschef hätten gegen die Einsatzregeln verstoßen, teilte das Militär mit.

Hilfskräfte der Berliner Organisation Cadus sind seit Februar im Auftrag der UN in Gaza. Sie helfen bei der medizinischen Notversorgung. Patrick Münz von Cadus schildert, warum seine Mission in Gaza nun noch gefährlicher geworden ist.

Herr Münz, wie hat Ihr Team von dem israelischen Angriff auf die Helfer von World Central Kitchen erfahren, und wie gehen Sie mit der Nachricht um?

Unsere Kanäle vor Ort haben uns schon recht früh über den Angriff informiert, wir sind absolut schockiert. Schon wieder sind Helfer getötet worden, und nun sind sechs Kräfte aus dem Ausland darunter. Wir beurteilen die Situation jetzt Tag für Tag neu. Bisher sind wir davon ausgegangen, dass wir als Helfer einen bestimmten Schutz haben und dass Israel das respektiert.

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Und das gilt nun nicht mehr?

Die Vereinten Nationen verhandeln eigentlich mit den Kriegsparteien und informieren sie über Bewegungen internationaler Helfer im Einsatzgebiet. Wir sind sehr beunruhigt, dass es dennoch zu diesem Angriff kam. Wir können nur hoffen, dass die Attacke eine Ausnahme war und Israel dafür sorgt, dass so etwas nicht mehr passieren wird.

Kannten Sie die getöteten Helfer von WCK?

WCK verteilt Nahrung an die Menschen in Gaza. Cadus ist mit einem medizinischen Team vor Ort und hilft Verletzen. Da gibt es wenig Berührungspunkte. Aber man ist sich über den Weg gelaufen. Es sind bekannte Gesichter gewesen. Das trifft einen sehr.

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•gestern

03.04.2024

•vor 4 Std.

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Das ist nachvollziehbar. Fühlen Sie sich in Ihrem Einsatzgebiet in Rafah im Süden Gazas zumindest sicherer?

Es ist nach dem Angriff auf das WCK-Team schwer einzuschätzen. Wir gingen ja davon aus, dass auch die Gefahr für das Team von WCK geringer ist, weil es sich eben um humanitäre Helfer gehandelt hat. Die UN haben die israelische Armee sicher über jeden Schritt des WCK-Teams informiert, wie sie es bei uns tun. Rafah wird von Flugzeugen und von Schiffen mit Raketen beschossen, obwohl sich Hunderttausende Geflüchtete hier aufhalten. Der Osten Rafahs wird mit Artillerie beschossen. Der Angriff zeigt, dass man sich nirgendwo in Gaza sicher fühlen kann.

Steht ein Abbruch Ihrer Hilfsmission im Raum?

Ein Abbruch steht nach so einem Vorfall immer zur Debatte. Die Situation wird ständig von uns neu beurteilt. Wir haben uns gemeinsam mit der Cadus-Zentrale in Berlin dafür entschieden, den Einsatz fortzusetzen, die Lage sehr genau zu beobachten und zusammen mit den UN Sicherheitsvorkehrungen zu erhöhen.

Verlassen andere Organisationen nun Gaza?

Ich habe davon nichts gehört. Allerdings hat WCK seine Operationen zur Essensverteilung eingestellt. Das ist die Konsequenz, mit der zu rechnen ist. Sollte es einen weiteren Angriff geben, könnten sich auch weitere Hilfsorganisationen zurückziehen.

Welche Folgen hätte das?

Wir haben jetzt schon die Situation, dass die humanitäre Hilfe nicht ausreicht. Es sind viel zu wenig Ressourcen vorhanden für das Ausmaß der Not. Das hat in erster Linie damit zu tun, dass zu wenig Hilfsgüter nach Gaza hereinkommen. Hunderttausende hungern im Norden Gazas wortwörtlich zu Tode. Die nicht optimalen Abwürfe von Essen aus der Luft und einige Transporte auf dem Landweg reichen nicht im Geringsten aus. Man mag sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn sich jetzt auch noch Helfer zurückziehen.

Cadus versorgt Verletzte. Welche Aussichten hätten sie ohne Ihre Hilfe?

Wir sind im Moment die einzige Organisation, die unter dem Schirm der Weltgesundheitsorganisation medizinische Evakuierungen macht. Es gibt Hunderte Verletzte im Norden, die ganz dringend eine bessere medizinische Versorgung benötigen. Unsere Kapazitäten sind als einziges Team vor Ort schon begrenzt. Aber wenn wir abbrechen, wäre das eine Katastrophe.

QOSHE - Berliner Gaza-Helfer nach Angriff: Dachten, dass wir „einen bestimmten Schutz haben“ - Cedric Rehman
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Berliner Gaza-Helfer nach Angriff: Dachten, dass wir „einen bestimmten Schutz haben“

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05.04.2024

Der Schock sitzt tief nach dem israelischen Angriff auf die Helfer der Organisation World Central Kitchen (WCK). Sieben Hilfskräfte aus unterschiedlichen Ländern, unter anderem aus Polen und Großbritannien, starben dabei. Die Attacke aus der Luft soll trotz vorheriger Absprachen mit der israelischen Seite erfolgt sein. Die israelische Regierung hat eine Untersuchung angeordnet. Am Freitag entließ das israelische Militär zwei hochrangige Offiziere. Der Brigadekommandeur für Feuerunterstützung und der Brigadestabschef hätten gegen die Einsatzregeln verstoßen, teilte das Militär mit.

Hilfskräfte der Berliner Organisation Cadus sind seit Februar im Auftrag der UN in Gaza. Sie helfen bei der medizinischen Notversorgung. Patrick Münz von Cadus schildert, warum seine Mission in Gaza nun noch gefährlicher geworden ist.

Herr Münz, wie hat Ihr Team von dem israelischen Angriff auf die Helfer von World Central Kitchen erfahren, und wie gehen Sie mit der Nachricht um?

Unsere Kanäle vor Ort haben uns schon recht früh über den Angriff informiert, wir sind absolut schockiert. Schon wieder sind Helfer getötet worden,........

© Berliner Zeitung


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