Daniel-Ryan Spaulding erinnerte die Deutschen während der Corona-Lockdowns mit seiner Videoreihe „It’s Berlin“ an den Hauptstadt-Hedonismus und traf in der Zeit von Kontaktsperren und geschlossenen Clubs einen Nerv. Spaulding wurde in der Rolle des unter Partyentzug leidenden Expats „DaNiel“ zum Internetphänomen.

Der kanadische Komiker zog nach fünf Jahren an der Spree im Oktober 2023 nach New York und regelt in Berlin gerade die Auflösung seiner Wohnung in Kreuzberg. Er verlässt die Hauptstadt im Disput. Der Comedian erklärt, warum er einen Teil der progressiven, queeren Szene Berlins für antisemitisch und toxisch hält.

Herr Spaulding, Sie sind noch mal nach Berlin gekommen, um Ihre Wohnung am Mariannenplatz leerzuräumen. Der Abschied scheint Sie nicht zu schmerzen. Sind Sie fertig mit Berlin?

Nein, ich schaue im Guten zurück. Berlin hat mir viele Möglichkeiten geboten. Ich bin in Berlin mit meiner Karriere vorangekommen. Ich habe mich für den Umzug nach New York vor dem Überfall der Hamas auf Israel entschieden. Da gibt es keinen Zusammenhang. Ich will mich als Künstler und als Mensch weiterentwickeln und dafür ist New York nun der Ort. Ich schaue auch viel milder auf die Deutschen. Ich schätze sie sehr.

Das war nicht immer so. In Ihrer Videoreihe „It’s Berlin“ erscheinen die Deutschen mit ihren Eigenheiten eher als ärgerliche Dreingabe zum freien und hedonistischen Leben in der Hauptstadt.

Die Wahrnehmung mancher Expats habe ich in meinen Videos humorvoll kommentiert. Das heißt nicht, dass ich das so gesehen habe. Die Deutschen haben nach dem 7. Oktober sehr sensibel auf Antisemitismus reagiert und Israel unterstützt. Das hat mich beeindruckt. Ich habe nach meiner Rückkehr aus Israel Anfang April im Club About Blank an einer großartigen Podiumsdiskussion zum Thema Israel-Hass teilgenommen. Leider gab es eine Kundgebung vor dem Club gegen die Veranstaltung. Die habe ich als hasserfüllt erlebt.

Was ist da passiert?

Nun, wir haben drinnen über Antisemitismus gesprochen und draußen haben Leute 200 friedlich Schlange stehende Menschen mit Slogans traktiert. Unter ihnen waren Israelis, Juden und ihre Freunde. Sie wollten lediglich bei einer Community-Veranstaltung ein für sie schmerzhaftes Thema besprechen.

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09.04.2024

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Sie berichten auf sozialen Medien seit Monaten von Angriffen auf Ihre Person aus der linken, queeren Szene Berlins. Wie wurden Sie angegangen?

Um ehrlich zu sein, kümmern mich die Attacken nicht. Aber es erstaunt mich, dass sie aus der linken, queeren Techno-Szene kamen. Viele Israelis haben Ähnliches in Berlin erlebt. Es scheint Mode geworden zu sein, Juden zu schikanieren. Auf sozialen Medien werden absurde Behauptungen über meine Motive aufgestellt. Es heißt, ich werde von Zionisten bezahlt oder es ginge mir nur um neue Follower. Häufig wird behauptet, ich betreibe Pinkwashing. Es wird also ein Bezug hergestellt zwischen meiner sexuellen Orientierung und meinem Standpunkt. Ich bin noch nie so homophob angegangen worden wie seit dem 7. Oktober. Und das kommt ausgerechnet aus queeren Kreisen in Berlin.

Was bedeutet Pinkwashing und warum verstehen Sie diesen Vorwurf an Sie als homophob?

Pinkwashing ist ein Propagandainstrument. Es legt nahe, dass Israel seine Toleranz für sexuelle Minderheit dafür nutzt, um Menschenrechtsverletzungen zu kaschieren. Es wurde geschaffen, um schwule Männer zu diskreditieren, die wie ich wegen der schwulen Szene gerne nach Tel Aviv reisen. Schwule wissen oft mehr über das Leben in Israel als andere, weil wir Freundschaften in Israel pflegen. Jeder schwule Mann, der Israel unterstützt, wird jetzt als Pinkwasher gebrandmarkt. Die Bezeichnung ist antisemitisch und homophob. Darauf weise ich in meinen Videos hin.

Warum wird in der Berliner Blase, in der Sie sich selbst über Jahre bewegt haben, so unsachlich diskutiert?

Ich glaube, dass viele Menschen, in diesem Krieg einen Anlass sehen, Wut zu artikulieren. Mit dem Anlass, dem Krieg zwischen Israel und der Hamas, hat das wenig zu tun.

Es gibt die Theorie, queere Menschen seien besonders empfindlich für Ungerechtigkeit, weil sie selbst Diskriminierung erfahren. Kann die Sensibilität für andere marginalisierte Gruppen auch auf Abwege führen?

Das glaube ich nicht. Ich sehe nun vermeintlich Progressive, die ihrerseits Freude daran haben, andere auszuschließen, sogar ein ganzes Volk. Es gab Erklärungen von Clubs gegen Zionismus. Zionismus bedeutet, dass Israel ein Recht hat, zu existieren. Es ist unmöglich, das zu sagen, und zu erwarten, dass sich Israelis, Juden und ihre Freunde willkommen fühlen.

Sie haben bereits in der Vergangenheit Kritik an linker Identitätspolitik geäußert. Fühlen Sie sich jetzt bestätigt?

Ich glaube, dass manche inzwischen überall nur noch Unterdrücker sehen. Manche sind nicht mehr in der Lage, Nuancen wahrzunehmen.

Wie nuanciert ist es denn, die Folgen des israelischen Militäreinsatzes für die Menschen in Gaza auszuklammern? Davon hören wir in Ihren Beiträgen nichts.

Was nicht nuanciert ist, ist die Militäroperation zu betrachten und dabei nicht zu bedenken, dass Israel Terroristen bekämpft. Diese verfolgen die Strategie, die Opferzahlen unter den Palästinensern in die Höhe zu treiben. Wir leben in einer Welt, in der jüdisches Leid gern vergessen wird. Wir erleben jetzt auch, dass das Schicksal der israelischen Geiseln für manche kein Thema ist, über das man auch nur reden darf. Ich spreche umgekehrt niemanden das Recht ab, seine Trauer um palästinensische Opfer zu äußern.

Sie nehmen über den von der Hamas vom Zaun gebrochen Krieg hinaus eindeutig Partei für Israel im Konflikt mit den Palästinensern. Umgekehrt kritisieren Sie das als einseitig. Hinkt da nicht Ihre Argumentation?

Ich bin nicht gegen das palästinensische Volk, sondern gegen die Hamas. Das sollten wir alle sein und das ist kein kontroverser Standpunkt.

Halten wir fest, der Streit um Israel mit Teilen Ihrer früheren Blase ist heftig und offenbar auch persönlich. Brechen Sie denn nun alle Zelte ab oder behalten Sie doch einen Koffer in Berlin?

Es sind nur wenige Freundschaften auf der Strecke geblieben. Da bin ich froh. Ich habe für meine Äußerungen zu Israel auch Zuspruch in Berlin erhalten. Ich werde sicher wieder zu Besuch kommen. Berlin ist immer noch ein wundervoller Ort. Die Stadt wandelt sich gerade sehr. Und ich habe auch die Hoffnung auf eine progressive Linke, die etwas lernt und in Zukunft niemanden ausschließt. Es wird sich etwas Gutes entwickeln.

QOSHE - Daniel-Ryan Spaulding: Schwule Männer, die Israel unterstützen, werden als Pinkwasher bezeichnet - Cedric Rehman
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Daniel-Ryan Spaulding: Schwule Männer, die Israel unterstützen, werden als Pinkwasher bezeichnet

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11.04.2024

Daniel-Ryan Spaulding erinnerte die Deutschen während der Corona-Lockdowns mit seiner Videoreihe „It’s Berlin“ an den Hauptstadt-Hedonismus und traf in der Zeit von Kontaktsperren und geschlossenen Clubs einen Nerv. Spaulding wurde in der Rolle des unter Partyentzug leidenden Expats „DaNiel“ zum Internetphänomen.

Der kanadische Komiker zog nach fünf Jahren an der Spree im Oktober 2023 nach New York und regelt in Berlin gerade die Auflösung seiner Wohnung in Kreuzberg. Er verlässt die Hauptstadt im Disput. Der Comedian erklärt, warum er einen Teil der progressiven, queeren Szene Berlins für antisemitisch und toxisch hält.

Herr Spaulding, Sie sind noch mal nach Berlin gekommen, um Ihre Wohnung am Mariannenplatz leerzuräumen. Der Abschied scheint Sie nicht zu schmerzen. Sind Sie fertig mit Berlin?

Nein, ich schaue im Guten zurück. Berlin hat mir viele Möglichkeiten geboten. Ich bin in Berlin mit meiner Karriere vorangekommen. Ich habe mich für den Umzug nach New York vor dem Überfall der Hamas auf Israel entschieden. Da gibt es keinen Zusammenhang. Ich will mich als Künstler und als Mensch weiterentwickeln und dafür ist New York nun der Ort. Ich schaue auch viel milder auf die Deutschen. Ich schätze sie sehr.

Das war nicht immer so. In Ihrer Videoreihe „It’s Berlin“ erscheinen die Deutschen mit ihren Eigenheiten eher als ärgerliche Dreingabe zum freien und hedonistischen Leben in der Hauptstadt.

Die Wahrnehmung mancher Expats habe ich in meinen Videos humorvoll kommentiert. Das heißt nicht, dass ich das so gesehen habe. Die Deutschen haben nach dem 7. Oktober sehr........

© Berliner Zeitung


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