Die Packungen der Einweg-E-Zigaretten sind verziert mit psychedelisch anmutenden Mustern. Sie stehen aufgereiht in einem Späti an der Flughafenstraße in Neukölln und tragen Namen wie „Gelato“ – das heißt „Eis“ auf Italienisch – oder „Amnesia“. Die Bezeichnungen dürften Cannabiskonsumenten bekannt vorkommen.

So heißen auch die noch bis zum 1. April verbotenen Hanf-Blütensorten mit dem berauschenden Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) oder auch bereits im Handel erhältliche Hanfvarianten ohne THC. Die werden aufgrund des Gehalts an nicht berauschendem Cannabidiol (CBD) mit positiven Wirkungen für die Gesundheit beworben. Der Inhaltsstoff der Dampfgeräte in dem Neuköllner Späti ist aber weder das noch illegale THC noch das angeblich das Wohlbefinden fördernde CBD. Sie enthalten Hexahydrocannabinol, kurz HHC.

Der Späti-Verkäufer beantwortet die Frage, was für ein Wirkung HHC habe, mit Schweigen. Habe die Substanz einen ähnlichen Effekt wie CBD, also laut Werbung entzündungshemmend und entspannend? Der Mann zuckt mit den Schultern. Beratung scheint nicht seine Sache zu sein.

Die drei Buchstaben „HHC“ finden sich auch an anderen Spätis auf Hinweisen, dass der Stoff dort verkauft werde. Bisweilen werben die gleichen Spätis auch mit dem Verkauf von Sahnekapseln für sich. Die enthalten Lachgas, das beim Einatmen einen Rausch verursacht.

Im Internet findet sich ein ganzes Sortiment an Süßigkeiten von Gummibärchen bis Schokokeksen, die mit HHC versetzt sind. Onlineshops werben mit Produkten unterschiedlich starker Wirkung. Sie beschreiben die beim Konsum möglichen Effekte allerdings nicht.

Das Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) veröffentlichte im Oktober 2023 eine erste Stellungnahme zu HHC. Medien berichteten im Sommer vergangenen Jahres unter anderem in Baden-Württemberg von Automaten, die E-Zigaretten mit HHC anboten. Die HHC-Automaten tauchten auch in anderen Bundesländern auf. Den Behörden in betroffenen Kommunen war nicht auf Anhieb klar, um was für eine Substanz es sich handelt und wie ihre Risiken einzuschätzen sind.

27.02.2024

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Das BfR bemühte sich, den wissenschaftlichen Stand der Dinge über die bis dahin auf dem Markt weitgehend unbekannte Substanz zusammenzutragen. Das BfR erklärte in seiner Stellungnahme, dass die zur Verfügung stehende Studienlage dünn sei. Allerdings sei davon auszugehen, dass HHC in ähnlicher Weise high mache wie das noch verbotene THC. Die chemische Struktur der beiden Stoffe ähnele sich. Das BfR vermutet, dass etwas höhere Dosen an HHC nötig seien, um ähnlich berauscht zu sein wie durch den Konsum von THC. Die Giftigkeit des Stoffes und mögliche Folgen für die Gesundheit der Konsumenten seien bisher nicht ausreichend erforscht, verlautete das BfR.

Marc Pestotnik von der Berliner Fachstelle für Suchtprävention merkt an, dass eine Qualitätssicherung bei den verkauften HHC-Produkten nicht ausreichend gewährleistet sei. Die Produktionsketten seien oft unklar. Eine Gefahr sieht er auch in der Verharmlosung der Substanz, die zum Teil in Süßigkeiten verarbeitet wird. Auch der Verkauf von E-Zigaretten mit HHC in Kiosken könne gerade bei jungen Menschen den Eindruck erwecken, der Rausch sei gefahrlos. „Der Jugendschutz hängt bei einem unregulierten Verkauf von der Haltung der Verkäuferinnen und Verkäufer ab“, mahnt der Suchtexperte.

HHC ist allerdings nicht zu vergleichen mit chemischen Cannabisersatzstoffen, die vor einigen Jahren wegen schweren Nebenwirkungen verboten worden sind. Synthetische Cannabinoide aus dem Labor riefen unberechenbare Rauschzustände hervor. Todesfälle wurden vor 15 Jahren in Europa in Zusammenhang mit unter dem Namen „Spice“ verkauften Mischungen gebracht. Deutschland verbot „Spice“ 2009. Ein Gesetz machte 2016 ganze, von Chemikern zusammengebraute Stoffgruppen illegal. Leicht in der Molekülstruktur veränderte Varianten von „Spice“ sollten nicht wieder legal im Handel landen.

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Das sogenannte „Neue-Psychoaktive-Stoffe-Gesetz“ (NPSG) von 2016 erfasst aber HHC nicht. HHC ist auch kein künstlichen Cannabinoid aus dem Reagenzglas wie „Spice“. Der Stoff kommt in Spuren in der Hanfpflanze vor. Allerdings ist ein chemisches Verfahren nötig, um aus Hanf eine relevante Menge an HHC zu gewinnen. Es gilt deshalb als halbsynthetisch.

Der Gesetzgeber könnte nun doch aktiv werden, um den Handel mit HHC zu unterbinden. Andere Staaten wie Frankreich, Österreich oder Tschechien haben HHC bereits verboten. Das Bundesgesundheitsministerium erklärt auf Nachfrage, dass eine Aufnahme des Stoffs in das NPSG geprüft werde. „Das weitere Verfahren bleibt insoweit abzuwarten“, erklärt eine Sprecherin. Die Berliner Behörden hätten bei einem Verbot eine rechtliche Handhabe, um die Einweg-E-Zigaretten mit den fantasievollen Namen aus den Regalen der Spätis zu verbannen.

Bislang gilt für die HHC-Verdampfer nur eine gesetzliche Einschränkung. Der Verkauf von E-Zigaretten an Minderjährige unter 18 Jahren ist in Deutschland generell verboten.

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Der Bundestag hat inzwischen die Legalisierung von Cannabis zum 1. April beschlossen. Im Juli soll der nicht kommerzielle Anbau von THC-Hanf in sogenannten Cannabis-Clubs möglich sein. Welchen Sinn könnte ein Verbot von HHC haben, wenn in wenigen Wochen ohnehin legal gekifft werden darf? Marc Pestotnik von der Fachstelle für Suchtberatung sieht in jedem Fall Handlungsbedarf beim Jugendschutz und der Qualitätssicherung. „Wir erwarten, dass es eine angemessene Regulierung solcher Produkte gibt, auch wenn sie noch nicht unter das NPSG oder das Betäubungsmittel-Gesetz fallen“, sagt er.

Ob der Bedarf an berauschenden Alternativen zu THC nach dem 1. April sinke, hält Pestotnik nicht für ausgemacht. Konsumenten unter 18 Jahren können das legalisierte Cannabis nicht frei kaufen. Im Internet, aber auch bisweilen in Spätis, werde der Jugendschutz beim Verkauf von Stoffen wie HHC dagegen oft unzureichend eingehalten. „Deshalb ist es wichtig, durch Prävention die Risiko- und Konsumkompetenzen junger Menschen zu stärken“, sagt er.

QOSHE - HHC: Legales Gras gibt es schon beim Späti - Cedric Rehman
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HHC: Legales Gras gibt es schon beim Späti

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29.02.2024

Die Packungen der Einweg-E-Zigaretten sind verziert mit psychedelisch anmutenden Mustern. Sie stehen aufgereiht in einem Späti an der Flughafenstraße in Neukölln und tragen Namen wie „Gelato“ – das heißt „Eis“ auf Italienisch – oder „Amnesia“. Die Bezeichnungen dürften Cannabiskonsumenten bekannt vorkommen.

So heißen auch die noch bis zum 1. April verbotenen Hanf-Blütensorten mit dem berauschenden Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) oder auch bereits im Handel erhältliche Hanfvarianten ohne THC. Die werden aufgrund des Gehalts an nicht berauschendem Cannabidiol (CBD) mit positiven Wirkungen für die Gesundheit beworben. Der Inhaltsstoff der Dampfgeräte in dem Neuköllner Späti ist aber weder das noch illegale THC noch das angeblich das Wohlbefinden fördernde CBD. Sie enthalten Hexahydrocannabinol, kurz HHC.

Der Späti-Verkäufer beantwortet die Frage, was für ein Wirkung HHC habe, mit Schweigen. Habe die Substanz einen ähnlichen Effekt wie CBD, also laut Werbung entzündungshemmend und entspannend? Der Mann zuckt mit den Schultern. Beratung scheint nicht seine Sache zu sein.

Die drei Buchstaben „HHC“ finden sich auch an anderen Spätis auf Hinweisen, dass der Stoff dort verkauft werde. Bisweilen werben die gleichen Spätis auch mit dem Verkauf von Sahnekapseln für sich. Die enthalten Lachgas, das beim Einatmen einen Rausch verursacht.

Im Internet findet sich ein ganzes Sortiment an Süßigkeiten von Gummibärchen bis Schokokeksen, die mit HHC versetzt sind. Onlineshops werben mit Produkten unterschiedlich starker Wirkung. Sie beschreiben die beim Konsum........

© Berliner Zeitung


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