Die Fahrschule Frank im Wedding spricht auf ihrer Internetseite ausdrücklich Senioren an. Sie wirbt für Kurse, in denen ältere Autofahrer in Begleitung eines Fahrlehrers ihre Kenntnisse im Straßenverkehr der Millionenstadt noch einmal auffrischen können. Das Angebot wartet allerdings auf Nachfrage.

Fahrlehrer Frank Schwaneberger kann sich nur an einen älteren Autofahrer in den vergangenen Jahren erinnern, der seine Fahrkenntnisse auffrischen wollte. „Das war ein älterer Mann aus Indien, ein ehemaliger Journalist. Er hatte den Führerschein, ist aber sein Leben lang mit dem Taxi zu Terminen gefahren“, sagt Schwaneberger. Der Mann habe in der Rente wieder Lust bekommen, selbst Auto zu fahren, sich aber im Berliner Großstadtverkehr unsicher gefühlt.

Manche ältere Autofahrer in Deutschland dürften aufgeatmet haben. In der EU diskutierte Zwangsregelungen für ältere Fahrer sind nach einem Votum des Europaparlaments in Straßburg vom Tisch. Die Parlamentarier sprachen sich gegen eine auf fünf Jahre reduzierte Gültigkeit des Führerscheins für über 70-jährige Autofahrer aus. Obligatorische Tests auf Fahrtüchtigkeit von einem bestimmten Alter an sind in der EU-Führerscheinrichtlinie ebenfalls nicht mehr vorgesehen. Der Führerschein soll zwar generell nicht unbegrenzt gelten, sondern nur noch 15 Jahre. Es bleibt aber Sache der Mitgliedstaaten, die Bedingungen für die Verlängerung zu bestimmen.

Schwaneberger sieht durchaus Handlungsbedarf. Er beobachte Schwierigkeiten von Senioren im Straßenverkehr, wenn er mit seinen Schülern auf den Straßen Berlins unterwegs ist. „Vielen fällt zum Beispiel der Schulterblick schwer, wenn sie die Spur wechseln“, sagt er.

Auch andere Fahrschulen in Berlin bieten Auffrischungskurse für Führerscheinbesitzer an. Sie werben aber gar nicht erst ausschließlich um Senioren. Die Mitarbeiterin einer Fahrschule in Charlottenburg erklärt, dass vor allem Menschen zwischen 30 und 40 Auffrischungskurse besuchten. Viele Berufstätige seien jahrelang nicht Auto gefahren, bräuchten dann aber Fahrkenntnisse für ihren Job. „Manche sind auch genervt von den Öffentlichen“, sagt sie.

gestern

•vor 3 Std.

•gestern

•vor 8 Std.

28.02.2024

Der ADAC Berlin-Brandenburg bietet sogenannte„ Fahr-Fitness-Checks“ für Senioren an. Teilnehmer können mit dem eigenen Fahrzeug und einem Fahrlehrer ihre Tauglichkeit für den Straßenverkehr testen. Laut einer Sprecherin nahmen im Durchschnitt 400 ältere Autofahrer das Angebot wahr. Vor der Pandemie seien die Zahlen höher gewissen. Nun gebe es wieder vermehrt Anfragen, sagt sie. Angesichts von Schätzungen, dass jeder Dritte über 80 Jahre noch Auto fährt, scheint die Nachfrage nach einer Probe für die eigenen Fähigkeiten aber begrenzt. Experten spekulieren über die Gründe für ein fehlendes Problembewusstsein bei vielen älteren Autofahrern. Viele vermuten, dass Senioren, die Jahrzehnte hinter dem Steuer saßen, sich zu sehr auf ihre Erfahrung verließen. Eine kritische Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten falle schwer.

Tödliche Unfälle in Berlin: „Wir brauchen keine Verkehrspolitik, die über Leichen fährt“

13.01.2024

Deutschland hat in der Diskussion um eine EU-Führerscheinrichtlinie für die Eigenverantwortung älterer Autofahrer plädiert. Mit dem Pochen auf persönliche Einsicht, statt staatlichem Zwang ist Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) nicht allein. Auch Verkehrsclubs wie ADAC oder ACV sprechen sich für Freiwilligkeit aus. „Obligatorische Gesundheitschecks bedeuten vor allem mehr Bürokratie, anstatt mehr Verkehrssicherheit“, sagt ACV-Geschäftsführer Holger Küster. Studien belegten laut Küster nicht, dass altersbasierte Fahrtauglichkeitsprüfungen schwere Autounfälle durch Senioren signifikant verringern könnten.

Das Europaparlament hat die Führerscheinrichtlinie nun entschärft. Die Diskussion um eingeschränkte Fahrtauglichkeit von Senioren ist allerdings auch in Deutschland damit nicht beendet. Laut Statistischen Bundesamt verschuldeten Menschen über 65 Jahre 2022 knapp über 18 Prozent der Autounfälle mit Personenschaden. Ihr Anteil an der Bevölkerung beträgt circa 22 Prozent. Menschen über 65 Jahre waren allerdings in mehr als zwei Drittel der Unfälle Hauptverursachende. Die Quote bei den über 75-Jährigen betrug 77 Prozent.

Verkehrsunfälle in Berlin: Was die Polizei nach der Cannabis-Legalisierung befürchtet

26.02.2024

Pankow: Diskussionsabend für eine sicherere Teilnahme am Berliner Straßenverkehr

29.02.2024

Thomas Wagner ist leitender Verkehrspsychologe beim Deutschen Kraftfahrzeug-Überwachungs-Vereins (Dekra). Er blickt differenziert auf die Frage nach obligatorischen Fahrtauglichkeitstests für Ältere. Er lehnt die in der EU diskutierte Idee, schon Menschen ab 65 Jahren zu Tests zu zwingen, als zu pauschal ab. Die Gruppe der über 75-Jährigen bereitet ihm allerdings Sorgen. „In dem Alter fällt es in der Regel schwerer, Informationen zu verarbeiten. Das hat mit Veränderungen im Nervensystem zu tun“, sagt er. An einer viel befahrenen Kreuzung auf unterschiedliche Reize gleichzeitig zu achten, falle Menschen über 75 nicht mehr so leicht wie Jüngeren.

Ältere Verkehrsteilnehmer kompensierten altersbedingte Schwächen aber häufig durch ein risikoarmes Verhalten. Dennoch hält Wagner in der Alterskohorte von über 75 Jahren Tests auf Fahrtauglichkeit für angemessen. Er plädiert für sogenannte Rückmeldefahrten. Anders als bei Auffrischungskursen in Fahrschulen soll dabei ein Fahrprüfer mit im Auto sitzen.

Freiwillige Angebote hätten sich in der Vergangenheit als „Rohrkrepierer“ erwiesen. Deshalb sollte es kein Tabu sein, Autofahrer vom 75. Lebensjahr an auch zu den von ihm vorgeschlagenen Rückmeldefahrten zu verpflichten. Sonst drohten in einer insgesamt alternden Gesellschaft mehr Unfälle. „Der Staat muss sich überlegen, wie er diese Lücke in der Verkehrssicherheit schließen kann, falls der Appell an die Eigenverantwortung nicht fruchtet“, sagt er.

QOSHE - Senioren am Steuer: Wenige frischen freiwillig Fahrkenntnisse auf - Cedric Rehman
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Senioren am Steuer: Wenige frischen freiwillig Fahrkenntnisse auf

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03.03.2024

Die Fahrschule Frank im Wedding spricht auf ihrer Internetseite ausdrücklich Senioren an. Sie wirbt für Kurse, in denen ältere Autofahrer in Begleitung eines Fahrlehrers ihre Kenntnisse im Straßenverkehr der Millionenstadt noch einmal auffrischen können. Das Angebot wartet allerdings auf Nachfrage.

Fahrlehrer Frank Schwaneberger kann sich nur an einen älteren Autofahrer in den vergangenen Jahren erinnern, der seine Fahrkenntnisse auffrischen wollte. „Das war ein älterer Mann aus Indien, ein ehemaliger Journalist. Er hatte den Führerschein, ist aber sein Leben lang mit dem Taxi zu Terminen gefahren“, sagt Schwaneberger. Der Mann habe in der Rente wieder Lust bekommen, selbst Auto zu fahren, sich aber im Berliner Großstadtverkehr unsicher gefühlt.

Manche ältere Autofahrer in Deutschland dürften aufgeatmet haben. In der EU diskutierte Zwangsregelungen für ältere Fahrer sind nach einem Votum des Europaparlaments in Straßburg vom Tisch. Die Parlamentarier sprachen sich gegen eine auf fünf Jahre reduzierte Gültigkeit des Führerscheins für über 70-jährige Autofahrer aus. Obligatorische Tests auf Fahrtüchtigkeit von einem bestimmten Alter an sind in der EU-Führerscheinrichtlinie ebenfalls nicht mehr vorgesehen. Der Führerschein soll zwar generell nicht unbegrenzt gelten, sondern nur noch 15 Jahre. Es bleibt aber Sache der Mitgliedstaaten, die Bedingungen für die Verlängerung zu bestimmen.

Schwaneberger sieht durchaus Handlungsbedarf. Er beobachte........

© Berliner Zeitung


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