Ich habe Pizza gegessen und war anschließend pappsatt. Das ist nicht unbedingt eine Information, die einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden müsste. Allerdings handelte es sich um Aschermittwoch, den Beginn der Fastenzeit, die bis Ostern andauert. Dadurch erhält der Vorgang einer Nahrungsaufnahme besondere Brisanz.

Jedenfalls hatte ich kurzzeitig ein schlechtes Gewissen, mir die Völlerei nicht versagt zu haben. Das ist Blödsinn. Ich faste schließlich über das komplette Jahr hinweg, mache Intervallfasten. Das ist kein Blödsinn. Das ist sogar hochmodern. Eine Frauenzeitschrift hat mir das jetzt erst wieder bestätigt. Intervallfasten, stand da geschrieben, sei in aller Munde – im Zusammenhang mit dem Verzicht auf Essen ein interessantes Bild.

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Um nicht weiter vom Thema abzukommen, soll nun von dem Japaner Yoshinori Ohsumi die Rede sein, der 2016 den Nobelpreis für Medizin bekam. Er konnte nachweisen, dass hungernde Körperzellen einen Prozess in Gang setzen, der sich Autophagie nennt. Beschädigte Zellteile werden quasi verdaut. Von wegen: Am Aschermittwoch ist alles vorbei. Nach 14 Stunden hungern geht es erst richtig los, beginnt das Recycling. Wer auf diese Weise zwei Stunden lang Zellschrott entsorgen möchte, muss somit 16 Stunden ohne Festnahrung bestreiten. Acht Stunden Schlaf abgezogen, kommt man somit auf insgesamt acht Stunden Kohldampf schieben bei vollem Bewusstsein.

So weit der evidenzbasierte Verzicht. Inzwischen hat sich um das vorösterliche Fasten ein wahrer Wildwuchs entwickelt. Gefastet werden kann so gut wie alles. Beliebt, weil für die meisten offenbar leicht zu verschmerzen, ist das Alkohol fasten; einer aktuellen Umfrage der Krankenkasse DAK zufolge würden das 77 Prozent der Menschen hierzulande vorziehen. Als weniger für die Selbstkasteiung geeignet gelten Süßigkeiten, 74 Prozent möchten sie weglassen. Außerdem Fleisch (54 Prozent), Rauchen (50), Fernsehen (42) und schließlich das Auto (24).

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Nicht statistisch erfasst, aber in einer Art Pilotprojekt von der Bundesregierung deutschlandweit durchgeführt wurden bereits das Heizungsfasten, Stromfasten, Warmwasserfasten und Konsumausgabenfasten. Da ist es bis zum Müllfasten gedanklich nur ein kleiner Schritt. Sorgenfasten, Wutfasten sowie Fluchfasten fand ich auf einer christlich orientierten Ratgeberseite, die außerdem zum Meckernfasten aufrief. Vom Ratgeberfasten stand da nichts.

Ich persönlich versuche es demnächst mal mit Stressfasten. Wollte ich immer schon mal machen. Leider endet in meiner Firma das Arbeitfasten früher oder später im Jobfasten. Doch auch hier stellt die Intervalltechnik eine gesunde Alternative dar: 16 Stunden nichts tun und dann acht Stunden mal schauen. In diesem Sinne: Schönen Feierabend!

QOSHE - Fastenzeit in Berlin: Toll, worauf ein Mensch so alles verzichten kann! - Christian Schwager
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Fastenzeit in Berlin: Toll, worauf ein Mensch so alles verzichten kann!

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14.02.2024

Ich habe Pizza gegessen und war anschließend pappsatt. Das ist nicht unbedingt eine Information, die einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden müsste. Allerdings handelte es sich um Aschermittwoch, den Beginn der Fastenzeit, die bis Ostern andauert. Dadurch erhält der Vorgang einer Nahrungsaufnahme besondere Brisanz.

Jedenfalls hatte ich kurzzeitig ein schlechtes Gewissen, mir die Völlerei nicht versagt zu haben. Das ist Blödsinn. Ich faste schließlich über das komplette Jahr hinweg, mache Intervallfasten. Das ist kein Blödsinn. Das ist sogar hochmodern. Eine Frauenzeitschrift hat mir das jetzt erst wieder bestätigt. Intervallfasten, stand da geschrieben, sei in aller Munde – im Zusammenhang mit dem Verzicht auf Essen ein........

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