In diesen Tagen wird Jenny Erpenbeck öfter um Interviews auf Englisch gebeten, denn sie ist für den International Booker Prize 2024 nominiert. Vorerst steht ihr Roman „Kairos“, übersetzt von Michael Hofmann, mit zwölf anderen Titeln auf der Longlist der renommierten Auszeichnung, Anfang April entscheidet die Jury, ob das Buch in die engere Wahl der besten sechs kommt, am 21. Mai wird in London der Siegertitel verkündet.

Eine Preisverleihung ist für die 1967 geborene Berlinerin nichts Ungewöhnliches. Die Liste ihrer Auszeichnungen beginnt 2001 mit dem Preis der Jury beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt, sie hat Ehrungen erhalten, die den Namen berühmter Kollegen tragen wie Hans Fallada, Heimito von Doderer, Thomas Mann und Uwe Johnson. Aber internationale Würdigungen – wie gerade beim Film für Sandra Hüller zu sehen – strahlen immer auch hierher zurück. Und wenn deutschsprachige Literatur in englischsprachigen Ländern wahrgenommen wird, ist das aus mindestens zwei Gründen etwas Besonderes.

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Zum einen ist das Buch dann einem wesentlich größeren Lesepublikum zugänglich. Zum anderen fällt es den hiesigen Verlagen nicht leicht, Lizenzen nach Großbritannien oder in die USA zu verkaufen. Ins Chinesische, Italienische, Tschechische oder Niederländische wird viel mehr übersetzt als ins Englische. Im Jahr 2022 sind Verträge für Übertragungen von insgesamt 1469 belletristischen Titeln (also Romanen, Lyrik und Dramatik) abgeschlossen worden, nur 66 davon gelten der englischen Sprache. Zu den Autorinnen und Autoren, die es in den Sprachraum geschafft haben, gehören zum Beispiel Olga Grjasnowa, Daniel Kehlmann, Saša Stanišić und Bernhard Schlink.

Jenny Erpenbeck war schon einmal für den Booker Prize nominiert, das war 2018 für ihren Roman „Gehen, ging, gegangen“, ausgezeichnet wurde damals Olga Tokarczuk, die kurz darauf den Nobelpreis für Literatur erhielt. Die New York Times behauptet, dass auch Jenny Erpenbeck „bereits als künftige Nobelpreisträgerin gehandelt wird“, der britische Guardian lobt sie für ihr „Bestreben, verdrängte Geschichten und verklungene Herzschläge zu erfassen“, und das amerikanische Kulturmagazin The Atlantic schreibt: „Mit Erpenbeck hat Deutschland eine seltene Schriftstellerin, deren Schilderungen eines zerrissenen Landes und Jahrhunderts daran erinnern, dass Romanciers Geschichte auf eine Art und Weise behandeln, wie es weder Historiker noch Politiker können.“

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11.03.2024

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Für „Kairos“, den Roman, der von einer ungleichen Liebe erzählt, die 1986 am Alexanderplatz in Ost-Berlin ihren Anfang nimmt und in den Strudel der Umbruchzeit gerät, gilt das ganz besonders.

QOSHE - Berlinerin auf internationaler Bühne: Jenny Erpenbeck für Booker Prize nominiert - Cornelia Geißler
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Berlinerin auf internationaler Bühne: Jenny Erpenbeck für Booker Prize nominiert

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14.03.2024

In diesen Tagen wird Jenny Erpenbeck öfter um Interviews auf Englisch gebeten, denn sie ist für den International Booker Prize 2024 nominiert. Vorerst steht ihr Roman „Kairos“, übersetzt von Michael Hofmann, mit zwölf anderen Titeln auf der Longlist der renommierten Auszeichnung, Anfang April entscheidet die Jury, ob das Buch in die engere Wahl der besten sechs kommt, am 21. Mai wird in London der Siegertitel verkündet.

Eine Preisverleihung ist für die 1967 geborene Berlinerin nichts Ungewöhnliches. Die Liste ihrer Auszeichnungen beginnt 2001 mit dem Preis der Jury beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt, sie hat Ehrungen erhalten, die den Namen berühmter Kollegen tragen wie Hans Fallada, Heimito von Doderer, Thomas Mann und........

© Berliner Zeitung


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