In den kommenden Monaten wird der Wannsee wieder zu einem beliebten Vergnügungsort. Kulturstätten gibt es ringsum auch, wesentliche politische Ereignisse haben sich zugetragen. Davon erzählen Jochen Arntz und Holger Schmale, langjährigen Lesern noch aus der Berliner Zeitung vertraut, in ihrem Buch „Wannsee. An den Ufern deutscher Geschichte“ (Verlag Herder). Fragen wir einen von beiden, Holger Schmale: Ist der Wannsee der deutsche See schlechthin, weil sich dort so vieles spiegelt?

Holger Schmale: Jeder verbindet mit dem Wannsee bestimmte Bilder. Manche werden ihn als Sehnsuchtsort empfinden, ganz sicher ist er auch ein Schicksalsort der Deutschen. Denn die dunkelsten und heitersten Kapitel der Geschichte haben dort Spuren hinterlassen. Der Dichter Heinrich von Kleist erschoss sich und seine Geliebte am Wannseeufer. Hier haben die Nazis ihre Konferenz zur „Endlösung der Judenfrage“ abgehalten, heute erinnert eine Gedenkstätte daran – und ein Museum an den Maler Max Liebermann.

Wir glauben, dass es eine Art Mythos Wannsee gibt, der immer weiter gesponnen wird. Dem versuchen wir mit dem Buch auf den Grund zu gehen. Ein entscheidendes Merkmal sind die Villen am Ufer, die Ende des 19. Jahrhunderts entstanden sind. Also haben wir uns angeschaut, welche Prominenten darin gelebt haben. Das Wasser ist ein großes Thema, nicht nur wegen des Strandbads, auch die Ruder- und Segelclubs leben davon, und es gibt die Fähre, die zum Preis eines BVG-Tickets eine kleine Kreuzfahrt ermöglicht. Wir haben herausgefunden, dass Melitta von Stauffenberg sie noch kurz vor dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 benutzt hat. Als Grenzgebiet – ich sage nur: Glienicker Brücke! – blieb der See auch während der deutschen Teilung politisch.

Ein Kapitel widmet sich der Musik, die stilistisch von Conny Froboess über Harald Juhnke zu den Ärzten und den Toten Hosen reicht. Auch die Inseln spielen eine Rolle, die fantastische Pfaueninsel der Hohenzollern, die sehr früh auch ein öffentlicher Kulturort war. Das unterscheidet sie von der Reichen-Insel Schwanenwerder, wo Besucher keinen Zugang zum Wasser finden.

gestern

•vor 55 Min.

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Wir haben versucht, die vielen historischen und kulturellen Fäden, die sich am Wannsee entspinnen, zu verknüpfen. Es ist kein Stadtführer, mit dem man von Ort zu Ort geht, aber ich bin mir sicher, dass man das Buch gut vor oder nach einem Ausflug lesen kann.

QOSHE - Ist der Wannsee der deutsche See schlechthin, weil sich dort so vieles spiegelt? - Cornelia Geißler
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Ist der Wannsee der deutsche See schlechthin, weil sich dort so vieles spiegelt?

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28.04.2024

In den kommenden Monaten wird der Wannsee wieder zu einem beliebten Vergnügungsort. Kulturstätten gibt es ringsum auch, wesentliche politische Ereignisse haben sich zugetragen. Davon erzählen Jochen Arntz und Holger Schmale, langjährigen Lesern noch aus der Berliner Zeitung vertraut, in ihrem Buch „Wannsee. An den Ufern deutscher Geschichte“ (Verlag Herder). Fragen wir einen von beiden, Holger Schmale: Ist der Wannsee der deutsche See schlechthin, weil sich dort so vieles spiegelt?

Holger Schmale: Jeder verbindet mit dem Wannsee bestimmte Bilder. Manche werden ihn als........

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