Für November kündigt Suhrkamp ein neues Buch von Serhij Zhadan an, „Chronik des eigenen Atems“ heißt es, es enthält „50 + 1 neue Gedichte“. Ob der im Herbst 2022 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnete Dichter seinen Verlag in Deutschland besuchen wird? Ob der Sänger und Texter der Band Zhadan I Sobaky, die im Sommer 2023 das Haus der Berliner Festspiele in eine lebensprühende Konzerthalle verwandelte, dann wieder einen Auftritt haben wird? Das ist alles erschreckend unsicher. Denn Serhij Zhadan hat angekündigt, dass er nun aktiv in das Chartia-Bataillon der ukrainischen Nationalgarde eintreten wird.

Es herrscht Krieg in der Ukraine, wie noch täglich in der Zeitung steht, auch wenn die Aufmerksamkeitsökonomie die Nachrichten verdrängt. Wer Zhadans Roman „Internat“ gelesen hat, weiß, dass er 2014 begonnen hat, mit der russischen Annexion der Krim und der Intervention im Donbass. Und wer „Himmel über Charkiw“ gelesen hat, das Buch mit seinen Posts in den sozialen Netzwerken vom 24. Februar bis 24. Juni 2022, der weiß, wie der Autor vor Ort für das Überleben kämpft. „Schwer zu sagen, wie die Situation an der Front sein wird, wenn dieses Buch erscheint“, schrieb Zhadan im Nachwort.

Das ist mehr als anderthalb Jahre her. Die Lage ist jetzt so, dass der 49-Jährige sich genötigt sieht, seinen Posten als Helfer im Hintergrund zu verlassen. „Wir unterstützen unsere Armee nicht deshalb, weil wir Krieg wollen, sondern weil wir unbedingt Frieden wollen“, sagte er in seiner Dankesrede zum Friedenspreis in der Paulskirche zu Frankfurt am Main. Serhij Zhadan, der Germanistik studiert hat und seine Doktorarbeit über den ukrainischen Futurismus schrieb, veröffentlichte schon als 17-Jähriger Gedichte und erlangte früh internationale Anerkennung. Sein 2010 erschienener Roman „Die Erfindung des Jazz im Donbass“ wurde von der BBC zum „Buch des Jahrzehnts“ gekürt. 2018 erhielten Sabine Stöhr und Juri Durkot den Preis der Leipziger Buchmesse für ihre Übersetzung von Zhadans „Internat“ aus dem Ukrainischen.

Serhij Zhadan: Wenn wir aufhören, uns zu wehren, geben wir uns der Vernichtung preis

10.10.2022

Umfrage-Überraschung: Immer weniger Ukrainer glauben an Sieg

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Das Chartia-Bataillon gehört als 13. Brigade zur ukrainischen Nationalgarde. Gegründet wurde es kurz nach dem russischen Überfall von einem wohlhabenden Unternehmer, einem Freund Serhij Zhadans. Der Schriftsteller sollte dem Bataillon den Namen geben. Er wählte ihn so, dass die Stadt Charkiw zu erkennen ist und mit „art“ das Wort Kunst anklingt. Er schrieb dieser Einheit auch eine Hymne. Nun wird er deren Aufnäher an einer Uniformjacke tragen.

QOSHE - Ukraine: Der Friedenspreisträger Serhij Zhadan meldet sich zum Kriegsdienst - Cornelia Geißler
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Ukraine: Der Friedenspreisträger Serhij Zhadan meldet sich zum Kriegsdienst

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04.04.2024

Für November kündigt Suhrkamp ein neues Buch von Serhij Zhadan an, „Chronik des eigenen Atems“ heißt es, es enthält „50 1 neue Gedichte“. Ob der im Herbst 2022 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnete Dichter seinen Verlag in Deutschland besuchen wird? Ob der Sänger und Texter der Band Zhadan I Sobaky, die im Sommer 2023 das Haus der Berliner Festspiele in eine lebensprühende Konzerthalle verwandelte, dann wieder einen Auftritt haben wird? Das ist alles erschreckend unsicher. Denn Serhij Zhadan hat angekündigt, dass er nun aktiv in das Chartia-Bataillon der ukrainischen Nationalgarde eintreten wird.

Es herrscht Krieg in der Ukraine, wie noch........

© Berliner Zeitung


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