In Brandenburg könnte am Wochenende wohl endgültig eine Ära bei der AfD zu Ende gegangen sein – die Ära Kalbitz. Der gebürtige Münchner Andreas Kalbitz war jahrelang die treibende Kraft im Brandenburger Landesverband, der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. Kalbitz war der zweite Mann hinter Björn Höcke im „Flügel“ der AfD, einer innerparteilichen rechtsextremistischen Gruppierung, die sich offiziell 2020 aufgelöst hat. Der 51-Jährige war mit seiner harten Linie das Zugpferd der Partei in Brandenburg, konnte viele Wähler mobilisieren – doch nun steht sein Name nicht mehr auf der Landesliste, die am Wochenende beim Landesparteitag in Jüterbog beschlossen wurde.

Nicht nur das: Auch die Noch-Parteichefin Birgit Bessin, die den Parteitag eröffnet hatte, steht nicht auf der Liste. Andere aus dem Kalbitz-Bessin-Lager sind ebenfalls nicht mehr dabei. Insgesamt finden sich elf der derzeit 24 Landtagsabgeordneten nicht auf der Liste. „Das frühere Kalbitz-Lager wurde ganz klar abgestraft“, sagte ein Abgeordneter der Partei der Berliner Zeitung. Damit hat ein parteiinterner Machtkampf, der seit mehr als einem Jahr läuft, weitere Klarheit gebracht.

Bei der Wahl 2019 konnte ein Sieg der AfD durch die selbsternannte „Brandenburg-Partei“ SPD – die seit dem Ende der DDR den Ministerpräsidenten stellt – noch verhindert werden. Damals siegte die Partei des Regierungschefs Dietmar Woidke mit 26,2 Prozent knapp vor der AfD.

Verfassungsschutz abschaffen und Remigration: So will die AfD in Brandenburg an die Macht

06.04.2024

Nun ist bei der Rechtsaußen-Partei Hans-Christoph Berndt der neue starke Mann und führt die Liste an. Der 68-Jährige wurde mit 87 Prozent gewählt. Er ist Chef des südbrandenburgischen Vereins Zukunft Heimat, der etliche Großdemonstrationen gegen die Einwanderungspolitik der Merkel-Regierung organisiert hat und vom Verfassungsschutz als „erwiesen rechtsextremistisch“ eingestuft wird. Vor Jahren holte Kalbitz den früheren Mitarbeiter der Berliner Charité in die AfD, nun hat Berndt seinen Förderer verdrängt.

•gestern

06.04.2024

07.04.2024

07.04.2024

gestern

Berndt hat ein klares Ziel für die Landtagswahl: „Wir wollen stärkste Fraktion werden und ich will den Ministerpräsidenten ablösen.“ Er spricht davon, dass sich „die Parteien den Staat zur Beute“ gemacht hätten. Als einen Punkt führt er die Amtsdauer des Regierungschefs an. „Dietmar Woidke wird am Ende dieser Legislaturperiode länger Minister oder Regierungschef sein, als Erich Honecker Generalsekretär in der DDR war.“ Woidke sei inzwischen auch seit 30 Jahren im Landtag. „Wer so lange in solchen Positionen ist, kennt die Probleme der normalen Leute nicht mehr.“

Berndt und der neu gewählte Parteichef René Springer sind gegen „Migrationschaos“ und für eine harte Remigrationspolitik. Als die „Geheimpläne“ von Rechtsradikalen zur Abschiebung vor einigen Wochen für Schlagzeilen und Großdemonstrationen sorgten, schrieb Springer in sozialen Medien: „Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen.“

Das Amt als Parteichef übernimmt Springer an diesem Mittwoch von Birgit Bessin, die es eigentlich nur so lange besetzen wollte, bis Kalbitz wieder offiziell Mitglied der Partei wäre und den Chefposten übernehmen würde.

Kalbitz war ab 2017 Chef der AfD in Brandenburg, doch dann wurde ihm vorgeworfen, als junger Mann Mitglied bei der später verbotenen Neonazi-Gruppe HDJ gewesen zu sein. Er habe dies verschwiegen, und eine Mitgliedschaft in solchen Organisationen sei mit der AfD-Mitgliedschaft nicht vereinbar. Kalbitz verlor all seine Chefposten in der Partei, und die AfD annullierte auch seine Mitgliedschaft. Er klagte zwar jahrelang schlagzeilenträchtig gegen den Rauswurf, doch auch das ist nun vorbei. „Der juristische Weg ist ausgeschöpft“, sagte Kalbitz am Montag der Berliner Zeitung. „Da wäre nur noch eine Verfassungsbeschwerde möglich, aber das ist mir zu teuer und zu langwierig.“

Wie sieht er die Tatsache, dass er nicht auf der Liste steht? „Im Prinzip hätte ich gern politisch weitergearbeitet“, sagte er, „aber die Machtverhältnisse haben sich geändert.“ Was er nun machen will, sagte er noch nicht. „Ich weiß es noch nicht genau. Es gibt noch keinen Plan B.“

Verbot der AfD: Die Debatte kommt wieder zum falschen Zeitpunkt

29.12.2023

Dieser Machtkampf ist von politischer Bedeutung, weil im September gleich drei Landtagswahlen im Osten der Republik anstehen, die das Parteiensystem wohl nachhaltig verändern werden: Gewählt wird in Thüringen, Sachsen und Brandenburg – und überall wird die AfD nach bisherigen Umfragen sehr wahrscheinlich die stärkste Partei.

Die einen spekulieren, dass Kalbitz versuchen könnte, doch noch einen Wahlkreis in Sachsen abzubekommen, andere, dass er vielleicht auf einen Mitarbeiterposten in Thüringen abzielt, wo sein früherer „Flügel“-Chef Björn Höcke die stärkste Fraktion anführen könnte. Gleichzeitig wird spekuliert, dass Kalbitz doch noch in Brandenburg in den Landtag will. Denn in Südbrandenburg soll er sich um ein Direktmandat bemühen. Er selbst sagte dazu: „Über einen eventuellen Antritt habe ich noch nicht entschieden.“

Es gibt zwei Wege, ins Parlament zu gelangen, einerseits über die Landesliste, andererseits über ein Direktmandat: Bei der letzten Wahl bekam die AfD 23,5 Prozent der Zweitstimmen, über die die Kandidaten der Liste einziehen. Damit stand die Partei knapp auf Platz zwei hinter der SPD. Derzeit hat die AfD 24 Abgeordnete. Auf der Wahlliste vom Wochenende stehen die Namen von 35 Männern und Frauen. Rein theoretisch könnte damit ein Großteil von ihnen in den Landtag einziehen, denn derzeit bekommt die Partei in Umfragen 25 Prozent, ist damit stärkste Kraft und steht deutlich vor den Regierungsparteien SPD und CDU, die beide bei 19 Prozent stehen.

Doch die Liste ist bei der AfD in Brandenburg inzwischen gar nicht mehr allein entscheidend, wie etwa bei den Grünen oder der Linken, bei denen fast alle Abgeordneten über die Liste einziehen, weil deren Vertreter fast nie Direktmandate erobern. Das ist bei der AfD anders. Sie bekam 2019 immerhin 15 Direktmandate und lag damit auf Platz zwei hinter der SPD. Auch dieses Mal wird wohl der größte Teil der AfD-Abgeordneten über ein Direktmandat in den Landtag einziehen, denn ein Direktmandat sticht nun mal einen Listenplatz.

Derzeit ist die AfD-Fraktion gespalten in die Anhänger des Bessin-Kalbitz-Lagers und das neue starke Lager um Fraktionschef Hans-Christoph Berndt (Listenplatz 1), den parlamentarischen Geschäftsführer Dennis Hohloch (Platz 2) sowie den frisch gewählten Parteichef und Bundestagsabgeordneten René Springer. Auch wenn die Liste von deren Lager dominiert ist, wird das andere nicht verschwinden. Die abgewählte Parteichefin Bessin hat sich beispielsweise einen Wahlkreis in Südbrandenburg gesichert, den sie sicher gewinnen wird; so bleibt sie wohl im Parlament.

Bekam AfD-Politiker Bystron Geld aus Moskau? Er spricht von „Diffamierungskampagne“

04.04.2024

Noch sind nicht alle Direktplätze vergeben, also könnten auch einige bisherige Kalbitz-Anhänger noch einen Platz bekommen und doch in den Landtag einziehen.

Wird das auch Andreas Kalbitz selbst gelingen? Das jedenfalls will die neue Führung der AfD verhindern. „Sollte er in Südbrandenburg tatsächlich aufgestellt werden, werden wir das verhindern“, sagte Fraktionschef Berndt. Der neue Parteivorstand müsse alle Plätze absegnen. „Wir werden das nicht zulassen, wir werden unsere Unterschrift nicht geben.“ Selbst wenn damit in dieser AfD-Hochburg niemand für die AfD antreten und das Direktmandat quasi an andere Parteien verschenkt werden würde: „Andreas Kalbitz hat schon auch etwas für die Partei getan, aber er hat auch großen Schaden angerichtet. Andreas Kalbitz ist Vergangenheit.“

QOSHE - AfD in Brandenburg: Das Ende der Ära Andreas Kalbitz - Jens Blankennagel
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

AfD in Brandenburg: Das Ende der Ära Andreas Kalbitz

7 1
09.04.2024

In Brandenburg könnte am Wochenende wohl endgültig eine Ära bei der AfD zu Ende gegangen sein – die Ära Kalbitz. Der gebürtige Münchner Andreas Kalbitz war jahrelang die treibende Kraft im Brandenburger Landesverband, der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. Kalbitz war der zweite Mann hinter Björn Höcke im „Flügel“ der AfD, einer innerparteilichen rechtsextremistischen Gruppierung, die sich offiziell 2020 aufgelöst hat. Der 51-Jährige war mit seiner harten Linie das Zugpferd der Partei in Brandenburg, konnte viele Wähler mobilisieren – doch nun steht sein Name nicht mehr auf der Landesliste, die am Wochenende beim Landesparteitag in Jüterbog beschlossen wurde.

Nicht nur das: Auch die Noch-Parteichefin Birgit Bessin, die den Parteitag eröffnet hatte, steht nicht auf der Liste. Andere aus dem Kalbitz-Bessin-Lager sind ebenfalls nicht mehr dabei. Insgesamt finden sich elf der derzeit 24 Landtagsabgeordneten nicht auf der Liste. „Das frühere Kalbitz-Lager wurde ganz klar abgestraft“, sagte ein Abgeordneter der Partei der Berliner Zeitung. Damit hat ein parteiinterner Machtkampf, der seit mehr als einem Jahr läuft, weitere Klarheit gebracht.

Bei der Wahl 2019 konnte ein Sieg der AfD durch die selbsternannte „Brandenburg-Partei“ SPD – die seit dem Ende der DDR den Ministerpräsidenten stellt – noch verhindert werden. Damals siegte die Partei des Regierungschefs Dietmar Woidke mit 26,2 Prozent knapp vor der AfD.

Verfassungsschutz abschaffen und Remigration: So will die AfD in Brandenburg an die Macht

06.04.2024

Nun ist bei der Rechtsaußen-Partei Hans-Christoph Berndt der neue starke Mann und führt die Liste an. Der 68-Jährige wurde mit 87 Prozent gewählt. Er ist Chef des südbrandenburgischen Vereins Zukunft Heimat, der etliche Großdemonstrationen gegen die Einwanderungspolitik der Merkel-Regierung organisiert hat und vom Verfassungsschutz als „erwiesen........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play