Eine Schneewarnung für die Uckermark – damit warteten die Morgennachrichten am Montag in Berlin auf. Am Wochenende hatte es bereits in den Mittelgebirgen geschneit, in der Nacht dann waren die Temperaturen in der Region Berlin-Brandenburg unter null gefallen, und um genau 11.28 Uhr begann tatsächlich auch in Berlin ein kleines Schneetreiben über dem Alexanderplatz.

Der April bietet dieses Mal eine extrem wechselvolle Temperaturkurve: 26,9 Grad meldete Berlin-Buch am 9. April – ab 25 Grad gilt ein Tag als Sommertag. Am 21. April war dann der Tiefstwert erreicht: winterliche minus 2,1 Grad. Doch dieses Auf und Ab, dem die Menschen ganz einfach mit dickeren oder dünneren Jacken begegnen können, ist für die Natur ein Problem: zum Beispiel für die Biene.

Da die Biene nun mal das drittwichtigste Nutztier für Menschen ist und der allerwichtigste Bestäuber von Pflanzen, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dieser Kälteeinbruch für die Natur und damit etwa für die Obsternte dieses Jahres haben wird.

„Die aktuellen Temperaturen sind zu niedrig für das Ausfliegen der Honigbienen“, sagte Jens Radtke der Berliner Zeitung. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf nordwestlich von Berlin. „Doch die Bienen sind schon draußen gewesen.“ Die Bienenvölker überwintern als kleinere Kolonie in den Bienenstöcken, im Frühjahr fliegen sie aus und die Völker wachsen wieder. Alles hängt davon ab, wie viel Nektar und Pollen sie finden. „Die Natur ist aufeinander abgestimmt, in diesem Fall die Pflanzen und die Bestäuberinsekten.“

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Die Honigbienen fliegen ab zehn Grad Außentemperatur und Sonnenschein, wenn der Himmel bedeckt ist, ab etwa zwölf Grad. Es gab also ab Februar die passenden Temperaturen und die Völker konnten sich gut entwickeln. „Aber die jetzige Kälte ist dann schon problematisch“, sagte Radtke. Sie werde dafür sorgen, dass die Entwicklung der Bienenvölker erst einmal gestoppt werde. Denn wenn es länger kälter als zehn Grad ist, geben die Pflanzen keinen Nektar mehr ab. Und ohne Nektar kein Futter für die Bienenvölker. „Das kann dann dazu führen, dass die Brut eingeschränkt wird“, sagte der Fachmann.

Es kann sogar zu kannibalischem Verhalten kommen, dass also Teile der Brut gefressen werden, damit die anderen überleben können. „Es könnte auch zum Verhungern von Bienenvölkern führen“, sagt Radtke. Deshalb sei es die wichtigste Aufgabe der Imker, die Probleme rechtzeitig zu erkennen und zum Beispiel die Bienen ersatzweise mit Zuckerlösung zu füttern.

Die Imker haben mehr Arbeit und Kosten und eventuell auch weniger Honig. Doch was bedeutet die Kälte für die Pflanzen? Probleme kann es vor allem bei jenen Pflanzen geben, bei denen die Blüten bereits aufgegangen sind: Das ist bei den Frühblühern der Fall und damit auch beim Obst. „Bei Kälterückschlägen können die Blüten in einer Starre verbleiben und die Blühzeit wird auch verlängert“, sagte Radtke. Aber das lasse sich nicht unendlich ausdehnen. „Ein großer Teil der Obstblüten wird wohl vor einer ausreichenden Bestäubung verblühen oder gar erfrieren.“

Dafür seien auch gar keine Minustemperaturen nötig und richtig klirrender Frost. Denn Wasser dehne sich ab vier Grad und niedriger aus. Die Ausdehnung des Wassers in den Zellen könne zum Platzen der Zellen führen und dadurch zum Erfrieren. „Vieles hängt davon ab, wie lange diese Kälteperiode andauert“, sagte Radtke.

Stefan Lindicke ist am Montagmittag in einer seiner Apfelplantagen unterwegs. Er betreibt einen großen Hof bei Werder, dem traditionellen „Obstgarten der Berliner“. „Wir sind noch dabei, die Schäden zu begutachten“, sagt der Obstbauer. Sie in Werder hätten ja bislang noch Glück gehabt, denn die Nacht zum Montag sei erst die erste Frostnacht gewesen. Die Temperaturen lagen bei minus drei bis minus fünf Grad. Lindicke erzählt, dass bei ihm bei vielen Bäumen die Blüte in den Obstgehölzen bereits abgeschlossen sei. Und vor zehn Tagen, als es so schön warm war, sei auch reichlich Bienenflug gewesen und die Bestäubung lief auf Hochtouren.

Nun habe sich aus vielen Blüten bereits der sogenannte Fruchtansatz gebildet, also kleine Früchte. „Die sind leider noch frostempfindlicher als die Blüten“, sagte Lindicke. Es könne also sein, dass sie so stark geschädigt sind, dass der Baum die jungen Kirschen und Äpfel wieder abwirft. „Das kann also für die Ernte durchaus dramatisch werden.“ Aber für eine Bilanz sei es noch viel zu früh. Denn es zeige sich erst nach ein paar Tagen, wie viele junge Früchte abgeworfen werden. „Außerdem sind ja noch zwei weitere Frostnächte angekündigt“, sagte er.

QOSHE - Der lange Kälteeinbruch sorgt für ernsthafte Probleme bei Berliner Bienen und Obstbäumen - Jens Blankennagel
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Der lange Kälteeinbruch sorgt für ernsthafte Probleme bei Berliner Bienen und Obstbäumen

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22.04.2024

Eine Schneewarnung für die Uckermark – damit warteten die Morgennachrichten am Montag in Berlin auf. Am Wochenende hatte es bereits in den Mittelgebirgen geschneit, in der Nacht dann waren die Temperaturen in der Region Berlin-Brandenburg unter null gefallen, und um genau 11.28 Uhr begann tatsächlich auch in Berlin ein kleines Schneetreiben über dem Alexanderplatz.

Der April bietet dieses Mal eine extrem wechselvolle Temperaturkurve: 26,9 Grad meldete Berlin-Buch am 9. April – ab 25 Grad gilt ein Tag als Sommertag. Am 21. April war dann der Tiefstwert erreicht: winterliche minus 2,1 Grad. Doch dieses Auf und Ab, dem die Menschen ganz einfach mit dickeren oder dünneren Jacken begegnen können, ist für die Natur ein Problem: zum Beispiel für die Biene.

Da die Biene nun mal das drittwichtigste Nutztier für Menschen ist und der allerwichtigste Bestäuber von Pflanzen, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dieser Kälteeinbruch für die Natur und damit etwa für die Obsternte dieses Jahres haben wird.

„Die aktuellen Temperaturen sind zu niedrig für das Ausfliegen der Honigbienen“, sagte Jens Radtke der Berliner Zeitung. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Länderinstitut für........

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