Dass Frauen Kinder bekommen, ist die allernormalste Sache der Welt. Eigentlich. In Deutschland wurden im Vorjahr 690.000 Kinder geboren. Die meisten Eltern sind hoffentlich glücklich darüber, selbst wenn die Frauen nur zufällig oder ungewollt schwanger geworden sein sollten. Ein Kind zu bekommen und es beim Großwerden zu begleiten, ist für viele Menschen ein großer Sinnstifter im Leben.

Die Fähigkeit sich fortzupflanzen ist eines der Grundmerkmale des Lebens, dazu gehört ebenfalls, dass ein Lebewesen aus Zellen bestehen muss, dass es wächst, sich bewegt, auf Reize reagiert und einen Stoffwechsel hat.

Glücklicherweise können Paare heute ganz allein entscheiden, ob sie Kinder wollen. Unverheiratete, kinderlose Frauen werden nicht mehr ausgegrenzt oder als „alte Jungfern“ diffamiert. Es gibt etliche Frauen und Männer, die freiwillig auf Nachwuchs verzichten und kinderlos glücklich sind. Das ist Freiheit.

Ungewollt kinderlos: Wie ein Algorithmus beim Kinderwunsch helfen kann

16.07.2022

Leihmutterschaft ist in Deutschland verboten – und das ist gut so

vor 8 Min.

Aber in Deutschland ist etwa jedes zehnte Paar ungewollt kinderlos. Das hat nichts mit Freiheit zu tun, denn es ist oft ein gesundheitliches Problem, für das die Frauen oder Männer nichts können, ein nicht selbst verschuldeter Makel. Diese Frauen sind von der normalsten Sache der Welt ausgeschlossen.

Sie leiden darunter und suchen dann oft Hilfe bei Ärzten. Es gibt die unterschiedlichsten Methoden: von der Hormonbehandlung der Frau über die Befruchtung der Eizelle im Reagenzglas bis zu Eizellspenden. Bei Eizellspenden zeigt sich, wie ungerecht vieles geregelt ist: Ist ein Mann unfruchtbar, kann sich das Paar problemlos Sperma aus der Samenbank holen. Liegt das Gesundheitsproblem aber bei der Frau, ist die Eizellspende in Deutschland verboten. Absurd.

gestern

26.04.2024

•gestern

In Deutschland sind auch Leihmutterschaften verboten. Bei denen trägt eine fremde Frau das Kind eines anderen Paares aus. Sollte das erlaubt werden? Wie so oft fällt das Nein leichter als das Ja. Weil ein Nein so wunderbar moralisch korrekt klingt, etwa weil verhindert werden soll, dass wohlhabende Paare aus dem Westen mit ihrem Geld die soziale Not von Frauen in ärmeren Ländern ausnutzen.

Wer im politischen Raum über die vielen Wege zu einem Kind diskutiert, geht – wie meist bei lebenspraktischen Problemen – vor allem theoretisch und moralisch an die Sache heran. Wer aber Kinderlose kennt, weiß von der tiefen Verzweiflung, die Frauen durchleiden, wenn sie wieder und wieder versuchen, schwanger zu werden. Oft ist es ein jahrelanger stiller und einsamer Kampf, kräftezehrend und zermürbend. Da ist zum einen die Vorfreude und Anspannung, ob sich die befruchtete Eizelle dieses Mal endlich einnisten wird. Da ist zum anderen die tiefe Enttäuschung und der Zusammenbruch, wenn es nach Wochen oder Monaten des Hoffens und Bangens doch zu einer Fehlgeburt kommt. Dieses seelische Auf und Ab kann Paaren ihre Leichtigkeit rauben, ihre Lebensfreude, ihre Hoffnung auf Glück.

Doch trotz modernster Behandlung und vieler Versuche bleiben manche erfolglos, kinderlos und glücklos. Viele geben dann verzweifelt auf, für einige wenige aber bleibt der Kinderwunsch bestehen. Sie fahren nach Tschechien oder ins katholische Spanien, weil dort Eizellspenden nicht verboten sind. Oder sie fuhren vor dem Krieg in die Ukraine oder nach Belarus für eine Leihmutterschaft.

Paare mit dem unstillbaren Wunsch nach einem Kind tun viel, manche fast alles. Davon profitieren auch dubiose Geschäftemacher im Ausland, die mitunter junge Frauen als Leihmütter ausbeuten. Wäre es da nicht sinnvoller, in Deutschland zumindest die freiwillige und altruistische – also nichtkommerzielle – Leihmutterschaft zu erlauben, mit klaren, nachprüfbaren Regeln und Kontrollen?

Für eine Leihmutterschaft entscheidet sich wohl niemand aus einer Laune heraus. Mitunter ist es der letzte Ausweg aus einer ungewollten Kinderlosigkeit. Es gibt sicherlich Gründe, die gegen dieses Konzept sprechen, auch, dass sich manche der Kinder später beklagen, weil sie sich „hergestellt“ fühlen. Aber das kann auch bei Kindern aus dem Reagenzglas der Fall sein, eine Methode, die in Deutschland erlaubt ist. Entscheidend ist nicht die Art der Entstehung eines Kindes, sondern die Zuwendung, die es bekommt, die Aufmerksamkeit, die Hilfe auf dem Weg ins Leben, die Liebe.

Und egal, wie umstritten Leihmutterschaft ist: Sollte es nicht das Ziel der Politik sein, Menschen die Chance zu eröffnen, auf regulärem Weg ein Kind zu bekommen – wie all die anderen auch? In Deutschland fehlt es nicht nur an einer kinderfreundlicheren Politik in vielen Bereichen, es fehlt vor allem an Kindern.

Hier lesen Sie das Contra: Leihmutterschaft ist in Deutschland verboten – und das ist gut so

QOSHE - Leihmutterschaft ist in Deutschland verboten – das sollte sich ändern - Jens Blankennagel
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Leihmutterschaft ist in Deutschland verboten – das sollte sich ändern

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28.04.2024

Dass Frauen Kinder bekommen, ist die allernormalste Sache der Welt. Eigentlich. In Deutschland wurden im Vorjahr 690.000 Kinder geboren. Die meisten Eltern sind hoffentlich glücklich darüber, selbst wenn die Frauen nur zufällig oder ungewollt schwanger geworden sein sollten. Ein Kind zu bekommen und es beim Großwerden zu begleiten, ist für viele Menschen ein großer Sinnstifter im Leben.

Die Fähigkeit sich fortzupflanzen ist eines der Grundmerkmale des Lebens, dazu gehört ebenfalls, dass ein Lebewesen aus Zellen bestehen muss, dass es wächst, sich bewegt, auf Reize reagiert und einen Stoffwechsel hat.

Glücklicherweise können Paare heute ganz allein entscheiden, ob sie Kinder wollen. Unverheiratete, kinderlose Frauen werden nicht mehr ausgegrenzt oder als „alte Jungfern“ diffamiert. Es gibt etliche Frauen und Männer, die freiwillig auf Nachwuchs verzichten und kinderlos glücklich sind. Das ist Freiheit.

Ungewollt kinderlos: Wie ein Algorithmus beim Kinderwunsch helfen kann

16.07.2022

Leihmutterschaft ist in Deutschland verboten – und das ist gut so

vor 8 Min.

Aber in Deutschland ist etwa jedes zehnte Paar ungewollt kinderlos. Das hat nichts mit Freiheit zu tun, denn........

© Berliner Zeitung


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