Sehr geehrter Herr Musk, ich hätte da mal ein paar Gedanken und schreibe Ihnen deshalb diesen Brief. Ich sehe einfach keinen anderen Weg, Sie zu erreichen. Ich denke, dass Sie als Visionär, als Firmenchef mehrerer globaler Großkonzerne und als aktuell zweitreichster Mensch der Welt sicherlich viel beschäftigt sind. Nun sind Sie in Brandenburg gelandet, um nach dem verantwortungslosen Brandanschlag von mutmaßlichen Linksextremisten auf die Stromversorgung Ihrer Tesla-Gigafactory genau dieses Werk in Grünheide zu besuchen.

Die Lage um Ihre Fabrik für Elektroautos scheint etwas zu eskalieren. Es gibt auch noch sechs Dutzend friedliche Waldbesetzer, die verhindern wollen, dass Sie Ihre Fabrik erweitern. Denn in der Region geht die Angst um, dass Ihre Fabrik den Bewohnern sprichwörtlich das Wasser abgräbt.

Deshalb dieser Brief. Ich als Journalist bin in der privilegierten Position, mich dienstlich an Ihren Konzern wenden zu können. Das habe ich auch wieder am Dienstag gemacht, als bekannt wurde, dass Sie kommen. Aber – wie fast immer – gab es keine Antwort.

Dass bei Tesla eigentlich fast immer nur Elon Musk spricht und sonst kaum etwas aus der Führungsetage zu erfahren ist, ärgert nicht nur uns Journalisten, die unseren Leserinnen und Lesern gern Ihre Pläne darlegen würden. Eigentlich haben wir als die Vierte Gewalt im Staat die Aufgabe, die Politik und die Wirtschaft nicht als Hofberichterstatter zu begleiten, sondern als kritische Beobachter. Aber darum soll es hier gar nicht gehen. Es geht um die Menschen in Grünheide und Umgebung: Das große Tesla-Schweigen ärgert vor allem Ihre Kritiker. Die werfen Ihnen vor, dass Sie Ihre Pläne immer nur scheibchenweise bekannt geben und niemand weiß, was Sie letztendlich wollen.

Ihre Story ist doch die des Visionärs.

Nun können Sie natürlich sagen: Das ist mir egal, ich habe so viele Fabriken, ich habe so viele Kritiker, ich kann darauf nicht eingehen. Das sollten Sie aber. Denn Ihre Story ist doch die des Visionärs, des schlauen Zukunftsdenkers. Mit Ihrem Umstieg vom schmuddeligen Benzinantrieb auf Elektroautos wollen Sie doch die Autobranche revolutionieren, die weltweit zu den großen fossilen Klimasündern gehört.

09.03.2024

11.03.2024

•vor 8 Std.

gestern

gestern

Sie haben große Ideen, sind anderen in den jeweiligen Branchen und der Bevölkerung oft weit voraus. Aber deshalb sind die anderen nicht dumm oder lahm. Die meisten Menschen – egal, wie fortschrittlich sie sich auch geben – bleiben in vielen Alltagsfragen oft doch recht konservativ, wollen lieber das Gewohnte bewahren und müssen vom Vorteil des Neuen erst überzeugt werden.

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Deshalb sollten Sie, sehr geehrter Elon Musk, nicht nur ein technischer Visionär sein. Denn wer vorgibt, fortschrittlich sein zu wollen, von dem wird meist auch erwartet, dass er moralisch wenigstens ein klein wenig besser ist als die verstockte alte Konkurrenz, der immer nur Gewinnmaximierung vorgeworfen wird.

Ihre Fans haben Sie natürlich auf Ihrer Seite, aber warum versuchen Sie nicht auch, Ihre Kritiker zu überzeugen? Denn die meisten sind nicht gegen E-Autos an sich – obwohl viele von ihnen die schweren Wagen mit ihren riesigen und giftigen Batterien durchaus auch als langfristiges ökologisches Problem ansehen. Die meisten sind gegen Ihre Standortentscheidung für Grünheide und damit gegen die viel besser geeignete Lausitz. Dort hätten Sie als echter Ökovisionär glänzen können, der eine zerstörte Braunkohlelandschaft in das europaweit bewunderte Zentrum der deutschen E-Autoindustrie verwandelt. Dort gibt es Platz und Arbeitskräfte.

In Grünheide aber steht die Fabrik in einem Trinkwasserschutzgebiet und viele Anwohner fürchten, dass im Unglücksfall auch Gift aus Ihrer Fabrik ins Grundwasser gelangen könnte und die Wasserversorgung bis nach Berlin gefährdet. Nun gelten Sie vielen als potenzieller ökologischer Buhmann.

Lieber Herr Musk, Sie mögen all die Kritiker nervig finden. Aber nehmen Sie die doch bitte ernst: Denn Kritiker sind wichtig, sogar wichtiger als alle Claqueure oder wohlmeinenden Politiker. Denn wer wenigstens ein klein wenig auf die Ideen seiner Kritiker eingeht, kann auch den wüstesten Meckerern ein wenig Wind aus den Segeln nehmen und problemlos kluge Gegenargumente übernehmen, ohne sein Gesicht zu verlieren. Vor allem aber kann er in der Öffentlichkeit eine Mehrheit für sich gewinnen, ist damit auch beliebter und macht langfristig weniger Fehler.

Denn niemand weiß, ob die Claqueure noch klatschen, wenn dann doch mal eine Krise da ist; und niemand weiß, wie lange die wohlwollenden Politiker noch an der Macht sind. Aber eines ist sicher: Ihre Kritiker bleiben Ihnen erhalten. Denn die haben einfach zu viele gute Argumente auf ihrer Seite: Nicht umsonst haben zwei Drittel der Teilnehmer einer Bürgerbefragung die Ausbaupläne für die Tesla-Fabrik abgelehnt.

Deshalb diese kleine Bitte: Lieber Elon Musk, hören Sie bitte auch auf die Argumente Ihrer Gegner. Es ist ein wenig wie bei der Internetsuche nach einem Hotelzimmer in einer völlig fremden Stadt. Nehmen wir an, es gibt 234 Bewertungen für ein Zimmer, 200 positive, 34 negative. Das Gesamturteil lautet: sehr gut. Wer schlau ist, schaut sich trotzdem vor allem das Negative an und ist damit besser auf die Probleme vorbereitet, die ihn vor Ort überraschen könnten.

Lieber Elon, Sie müssen auf diesen Brief nicht antworten, besuchen Sie vielleicht lieber heimlich die Besetzer in den Bäumen vor Ihrer Fabrik, Ihre Gegner. Zollen Sie Ihnen Respekt, denn es sind ebenfalls Idealisten, die für eine bessere Welt kämpfen. Und vor allem: Sprechen Sie nicht nur mit der Regierung, denn zu einer gut funktionierenden Demokratie gehören nicht nur die Chefs, sondern auch das Volk. Reden Sie doch mal mit den Bürgerinitiativen aus der Region, die haben viel Fachwissen angesammelt. Ihre Presseabteilung kann uns ja hinterher eine Pressemitteilung senden, wie es war.

Vielleicht sind Kompromisse möglich. Denn es kann doch nicht sein, dass die größte industrielle Investition in Ostdeutschland und diese Zukunftstechnologie weiterhin von Terroristen als Angriffsziel missbraucht werden kann.

Lieber Elon, beste Grüße aus Berlin sendet Jens Blankennagel.

PS: Noch etwas wegen des Wassers: Fahren Sie doch einfach 60 Kilometer weiter nach Südosten. Dort befindet sich in der Lieberoser Heide die einzige Wüste Deutschlands, die 1942 nach einem Waldbrand entstand. Diese Wüste wuchs nie wieder zu – auch, weil es in der Region einfach nicht so wahnsinnig viel regnet.

QOSHE - Offener Brief aus der Redaktion: Dear Elon Musk, bitte reden Sie mit Ihren Kritikern! - Jens Blankennagel
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Offener Brief aus der Redaktion: Dear Elon Musk, bitte reden Sie mit Ihren Kritikern!

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13.03.2024

Sehr geehrter Herr Musk, ich hätte da mal ein paar Gedanken und schreibe Ihnen deshalb diesen Brief. Ich sehe einfach keinen anderen Weg, Sie zu erreichen. Ich denke, dass Sie als Visionär, als Firmenchef mehrerer globaler Großkonzerne und als aktuell zweitreichster Mensch der Welt sicherlich viel beschäftigt sind. Nun sind Sie in Brandenburg gelandet, um nach dem verantwortungslosen Brandanschlag von mutmaßlichen Linksextremisten auf die Stromversorgung Ihrer Tesla-Gigafactory genau dieses Werk in Grünheide zu besuchen.

Die Lage um Ihre Fabrik für Elektroautos scheint etwas zu eskalieren. Es gibt auch noch sechs Dutzend friedliche Waldbesetzer, die verhindern wollen, dass Sie Ihre Fabrik erweitern. Denn in der Region geht die Angst um, dass Ihre Fabrik den Bewohnern sprichwörtlich das Wasser abgräbt.

Deshalb dieser Brief. Ich als Journalist bin in der privilegierten Position, mich dienstlich an Ihren Konzern wenden zu können. Das habe ich auch wieder am Dienstag gemacht, als bekannt wurde, dass Sie kommen. Aber – wie fast immer – gab es keine Antwort.

Dass bei Tesla eigentlich fast immer nur Elon Musk spricht und sonst kaum etwas aus der Führungsetage zu erfahren ist, ärgert nicht nur uns Journalisten, die unseren Leserinnen und Lesern gern Ihre Pläne darlegen würden. Eigentlich haben wir als die Vierte Gewalt im Staat die Aufgabe, die Politik und die Wirtschaft nicht als Hofberichterstatter zu begleiten, sondern als kritische Beobachter. Aber darum soll es hier gar nicht gehen. Es geht um die Menschen in Grünheide und Umgebung: Das große Tesla-Schweigen ärgert vor allem Ihre Kritiker. Die werfen Ihnen vor, dass Sie........

© Berliner Zeitung


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