Die Zukunft Berlins war schnell wieder vorbei. Ich weiß nicht, wie lange sie gedauert hat, denn ich habe nur das Ende gesehen: Die Sonne strahlte und die Straßen waren menschenleer. Die eigentlich quirlige Großstadt Berlin war verlassen, tot, verwaist. Die Szenerie wirkte wie in einem Weltuntergangsfilm, wie die eindringlichen Standbilder der Stille, kurz bevor das Chaos losbricht.

Sonst parken die Autos bei uns in Friedrichshain auch in Einfahrten, unter Halteverbotsschildern, auch mal auf dem Fußweg, doch nun: gähnende Leere. Vor der Haustür waren gleich fünf Plätze frei; so leer habe ich diese Straße noch nie gesehen, nicht mal bei unserem Einzug vor 15 Jahren. Damals fand sich bei uns fast immer ein Parkplatz, inzwischen dauert die Suche manchmal genauso lange wie eine Fahrt quer durch Berlin. Dieses Mal dauerte sie genau null Sekunden. Platz ohne Ende. Wir sahen vor uns die Zukunft der leeren – der fast autofreien – Stadt: Was war passiert?

Alles war ganz normal, und doch war etwas anders: Es war kurz vor dem Ende der Osterfeiertage – und es stand auch noch eine ganze Ferienwoche an.

Ostern gehört nun mal zu den zwei großen Familienfesten, zu denen viele Neu-, Mittel- und Altberliner die Hauptstadt mal wieder verlassen, um in ihre alten Heimaten zu fahren: Aschaffenburg, Aschersleben oder Aschbach. Nur die Urberliner sind dann noch da oder all jene, denen ihre Familien in der Provinz gerade tüchtig egal sind.

Lieber zwei Stunden im Auto sitzen, als einen Parkplatz riskieren!

04.05.2023

Neue Daten: So viele öffentliche Parkplätze gibt es in der Berliner Innenstadt

07.11.2023

Jedenfalls war unsere Straße viel leerer. Das wirkte einerseits friedlich und ruhig, aber auch ein wenig beängstigend, weil ja nicht nur die Autos fehlten, sondern auch die Menschen, die sich den vielen freien Platz erobern könnten.

Ich erinnerte mich an einen Dokumentarfilm über die Mobilitätswende und die Vorkämpfer. Da zeigte ein Mann aus San Francisco, wie sie dort mit Computersimulationen schon mal all die breiten Straßen durch die Stadt neu verplanen, für die Zeit nach der Autodominanz. Sie wollen mehr Parks, Grünflächen und Spielplätze.

gestern

•gestern

03.04.2024

•vor 25 Min.

•gestern

In der Berliner Kurzzeitzukunft sah alles noch etwas blutleer aus. Aber das liegt auch an den Sehgewohnheiten. Absurd eigentlich, dass Großstadtaugen es für völlig normal halten, auf endlose Reihen von Autos zu schauen, die ungenutzt am Straßenrand stehen.

Berlin ist von einer autofreien Stadt noch weit entfernt. Im Vorjahr wurden 82.112 Autos neu zugelassen, der vierthöchste Wert des vergangenen Jahrzehnts. Und auch bei Bussen und Bahnen ist noch einiges im Argen. Aber es gibt ja eine typische Berliner Alternative: Da unser Auto nach der Urlaubstour nun einen idealen Parkplatz hat, fahre ich wieder jeden Tag Rad.

QOSHE - Parkplätze in Berlin: Die autofreie Zukunft war nur ein paar Stunden lang zu sehen - Jens Blankennagel
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Parkplätze in Berlin: Die autofreie Zukunft war nur ein paar Stunden lang zu sehen

20 35
05.04.2024

Die Zukunft Berlins war schnell wieder vorbei. Ich weiß nicht, wie lange sie gedauert hat, denn ich habe nur das Ende gesehen: Die Sonne strahlte und die Straßen waren menschenleer. Die eigentlich quirlige Großstadt Berlin war verlassen, tot, verwaist. Die Szenerie wirkte wie in einem Weltuntergangsfilm, wie die eindringlichen Standbilder der Stille, kurz bevor das Chaos losbricht.

Sonst parken die Autos bei uns in Friedrichshain auch in Einfahrten, unter Halteverbotsschildern, auch mal auf dem Fußweg, doch nun: gähnende Leere. Vor der Haustür waren gleich fünf Plätze frei; so leer habe ich diese Straße noch nie gesehen, nicht mal bei unserem Einzug vor 15 Jahren. Damals fand sich bei uns fast........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play