Daniela M.* weint still vor sich hin, als an diesem Mittwoch das Urteil gegen sie gesprochen wird. Sie starrt vor sich auf den Tisch, atmet tief durch den geöffneten Mund, als würde sie schlecht Luft bekommen. Sie hat Krebs. Niemand im Saal weiß, wie lange sie noch zu leben hat – wohl nicht einmal sie selbst.

Die 25-jährige gelernte Krankenschwester hat ihren kleinen Sohn Felix getötet. Sie hat ihn zunächst mit Tabletten betäubt und den zweijährigen Jungen anschließend in der Badewanne ertränkt. Dafür ist sie nun wegen heimtückischen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden.

Auch der Mann, der ihr gegenübersitzt und Nebenkläger ist, wischt sich Tränen aus den Augen. Er ist der Vater des getöteten Jungen, der Ehemann von Daniela M. In dem Verfahren hat er immer wieder betont, bei seiner Frau bleiben zu wollen, bis zum Schluss.

Mit ihrer Entscheidung bleibt die 30. Große Strafkammer des Berliner Landgerichts unter der von der Staatsanwältin beantragten Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Der Verteidiger der jungen Frau hatte auf Totschlag im minderschweren Fall plädiert, aber keinen konkreten Antrag gestellt. Bei seinem Plädoyer war er beinahe selbst in Tränen ausgebrochen.

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Für die Kammer sei erwiesen, dass sich Daniela M. während der Tat Anfang Oktober vorigen Jahres in einer außerordentlich schweren depressiven Episode befunden habe, sagt Gregor Herb, der Vorsitzende Richter. Dies begründe eine verminderte Steuerungsfähigkeit. Damit verschiebe sich der Strafrahmen. Normalerweise gebe es für Mord eine lebenslange Freiheitsstrafe.

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Laut Herb habe sich die Mutter des zweijährigen Kindes nach einer Brustkrebsdiagnose im Sommer vorigen Jahres in einer scheinbaren Ausweglosigkeit befunden. Sie hatte eine Therapie abgelehnt, weil sie nach einer Kindheit mit einer emotionslosen Mutter, die ihren Lebensweg bestimmt hatte, die Kontrolle über ihren Körper und ihr Leben nicht aufgeben wollte. Zudem hatte sie als Krankenschwester vor Augen, was eine Chemotherapie bedeuten würde.

Sie verbrachten so viel Zeit wie möglich miteinander und mit Felix, den beide über alle Maßen liebten.

Die Angeklagte, die laut psychiatrischem Gutachten schon seit der Geburt des Kindes unter Zwangsgedanken und Ängsten litt, habe nach der Diagnose befürchtet, für den Jungen nicht die Mutter sein zu können, die sie sein wollte und die er verdient habe, so Herb. Mit ihrem Ehemann habe sie nicht über ihre Ängste geredet.

Der Vater von Felix akzeptierte die Entscheidung seiner Frau, eine Behandlung abzulehnen. Sie hätten entschieden, die Zeit, die ihnen noch bleiben würde, so schön wie möglich zu gestalten. „Sie verbrachten so viel Zeit wie möglich miteinander und mit Felix, den beide über alle Maßen liebten“, sagt der Vorsitzende Richter.

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Trotz aller Verzweiflung habe die Angeklagte ihren Tod und den ihres Kindes mit einem gewissen Maß an krimineller Energie geplant, so der Richter. Denn schon einige Tage vor der Tat schrieb sie einen Abschiedsbrief, in dem sie ihre Motivation erklärte. Sie liebe ihr Kind „mehr als alles andere“, hatte sie darin formuliert. „Zu gern hätte ich ihm jeden Wunsch auf der Welt erfüllt, hätte ihn alt werden sehen. Aber mein Körper ist zu schwach und die Welt zu komisch, um dich hier alleine zu lassen.“

Am 2. Oktober schlief der Vater von Felix noch, als Daniela M. ihrem Sohn Tabletten gab. Sie erklärte dem Kind, dass er davon sterben werde, was aber nicht schlimm sei. „Der Junge, der selbstverständlich diese Erklärung nicht nachvollziehen konnte, mit seinen zwei Jahren, und deswegen die Tabletten aß, wurde dämmrig, verstarb aber entgegen der Erwartung nicht“, sagt Herb.

Daniela M. nahm daraufhin selbst Beruhigungs- und Schmerztabletten, spritzte sich schließlich noch Insulin, legte sich in die mit Wasser gefüllte Badewanne, drückte ihren Sohn fest an ihren Bauch. Als der Kindesvater erwachte und ins Bad ging, kam für seinen Sohn jede Hilfe zu spät, er war ertrunken. Daniela M. konnte gerettet werden.

Herb erklärt, dass sich die Heimtücke nicht auf Felix beziehe. Ein Kind in diesem Alter könne nicht arglos sein, weil es noch nicht in der Lage sei, Argwohn zu entwickeln. Vielmehr beziehe sich die Arg- und Wehrlosigkeit auf den Vater des Zweijährigen, den sogenannten schutz-bereiten Dritten. Dieser habe arglos in einem Zimmer nebenan geschlafen. Wäre der Vater bei der Tablettengabe oder später im Bad dabei gewesen, hätte er seinen Sohn vor dem Tode bewahrt, ist sich der Richter sicher.

Ich liebe mein Kind mehr als alles andere. Zu gerne hätte ich ihm jeden Wunsch auf der Welt erfüllt.

Der Vater des getöteten Jungen, der als Buchhalter arbeitet, hatte als Nebenkläger die Richter aufgefordert, seine Frau so milde wie möglich zu bestrafen. Er habe ihr verziehen und wolle die Zeit, die ihr noch bleibe, mit ihr verbringen.

Mit Blick auf diese Bitte wendet sich Herb am Ende seiner Urteilsbegründung noch einmal direkt an die Angeklagte. Es stehe der Kammer nicht zu, Ratschläge zu erteilen. „Aber immerhin haben sie einen Ehemann, der sie bedingungslos liebt“, so der Richter. Dies sollte Ansporn sein, zu überleben und noch einmal über eine Krebsbehandlung nachzudenken.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

*Name geändert

QOSHE - Krebskranke Frau ertränkt in Berlin zweijährigen Sohn – sechs Jahre Haft wegen Mordes - Katrin Bischoff
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Krebskranke Frau ertränkt in Berlin zweijährigen Sohn – sechs Jahre Haft wegen Mordes

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Daniela M.* weint still vor sich hin, als an diesem Mittwoch das Urteil gegen sie gesprochen wird. Sie starrt vor sich auf den Tisch, atmet tief durch den geöffneten Mund, als würde sie schlecht Luft bekommen. Sie hat Krebs. Niemand im Saal weiß, wie lange sie noch zu leben hat – wohl nicht einmal sie selbst.

Die 25-jährige gelernte Krankenschwester hat ihren kleinen Sohn Felix getötet. Sie hat ihn zunächst mit Tabletten betäubt und den zweijährigen Jungen anschließend in der Badewanne ertränkt. Dafür ist sie nun wegen heimtückischen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden.

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Für die Kammer........

© Berliner Zeitung


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