Die U-Bahn der Linie 5 nach Hönow war an jenem Mittwochabend im September vorigen Jahres voll. Es herrschte Feierabendverkehr. Fahrgäste lasen, hörten Musik, schauten aus dem Fenster, schliefen. Nur einer führte lautstarke Selbstgespräche, sodass er offenbar die Mitfahrenden störte. Als ihn ein Fahrgast mehrfach aufgefordert hatte, leiser zu sein, zog der Mann ein Messer.

Seit Dienstag muss sich Van T. in einem Sicherungsverfahren vor einer Strafkammer des Berliner Landgerichts verantworten. Die Staatsanwaltschaft strebt die Unterbringung des psychisch kranken Mannes in einer psychiatrischen Klinik an.

Sie wirft dem 29-Jährigen gefährliche Körperverletzung vor. Van T. soll am 13. September zwischen den Bahnhöfen Elsterwerdaer Platz und Wuhletal mindestens fünfmal auf den Fahrgast eingestochen haben, der ihn zur Ruhe ermahnt hatte.

Das 27-jährige Opfer ist in dem Verfahren Zeuge. Tobias H., ein Systemadministrator, sagt vor Gericht, wenn er sich gegen den Angreifer nicht mit Tritten gewehrt hätte, „hätte er mich umgebracht“.

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Tobias H. kam aus dem Fitnessstudio und wollte nach Hause. Er saß in der Bahn und las. Ein paar Plätze weiter habe ein Herr gesessen, der laut und in aggressivem Ton mit sich gesprochen habe. Er habe ihm mit dem Finger auf dem Mund bedeutet, ruhig zu sein, sagt der Zeuge. Das habe auch kurz funktioniert, doch dann habe der Mann erneut lautstark geredet.

Zweimal ging Tobias H. zu dem lärmenden Mann. Beim zweiten Mal habe er ihn geschüttelt, gesagt, dass er ruhig sein solle, erinnert sich der Zeuge. Dann sei er wieder zu seinem Platz gegangen, habe weiter gelesen, bis die Leute anfingen zu schreien.

Van T. hatte aus einer Tüte ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von zehn Zentimetern gezogen und hatte sich vor Tobias H. aufgebaut. Fünfmal stach er auf sein Opfer ein, das sich nach Angaben anderer Fahrgäste mit Händen und Füßen gewehrt habe.

Am Bahnhof Wuhletal floh der Angreifer aus dem Zug. Tobias H. kam in ein Krankenhaus, musste operiert werden, war jedoch nicht lebensgefährlich verletzt. „Ich habe nicht optimal reagiert“, sagt H. nun als Zeuge. Er hätte den laut redenden Mann nicht einschüchtern sollen.

09.03.2024

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Andere Zeugen beschreiben, dass Van T., der im Prozess die Tat zugegeben hat, vor den Messerstichen Tobias H. aufgefordert habe, mit ihm die Bahn zu verlassen. Erst als H. nicht reagierte, soll der Beschuldigte das Messer gezogen haben. Von den lauten Selbstgesprächen des Beschuldigten hätten sich alle belästigt gefühlt, sagt ein 62-jähriger Mann.

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Eine 57-jährige Augenzeugin der Messerattacke berichtet, dass es ihr nach der Tat schwergefallen sei, wieder mit der U-Bahn zu fahren. „Mir ist klargeworden, wie schnell so eine Situation explodieren kann.“

Drei Tage nach der Tat wurde der aus Vietnam stammende Van T., der keinen festen Wohnsitz hat, festgenommen, seitdem befindet sich der offenbar psychisch kranke Mann im Maßregelvollzug. Vor Gericht hat er sich bei Tobias H. entschuldigt.

Van T. stand im Juni 2022 schon einmal vor Gericht. Er hatte in Supermärkten und Drogerien Nahrungsergänzungsmittel, Babynahrung und Lippenstifte im Wert von insgesamt 850 Euro geklaut, um seine Drogen zu finanzieren. Weil er schuldunfähig war, wurde er freigesprochen.

Der Prozess wird fortgesetzt.

QOSHE - Prozess in Berlin: 29-Jähriger stach in U5 Mann nieder, der ihn zur Ruhe ermahnte - Katrin Bischoff
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Prozess in Berlin: 29-Jähriger stach in U5 Mann nieder, der ihn zur Ruhe ermahnte

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12.03.2024

Die U-Bahn der Linie 5 nach Hönow war an jenem Mittwochabend im September vorigen Jahres voll. Es herrschte Feierabendverkehr. Fahrgäste lasen, hörten Musik, schauten aus dem Fenster, schliefen. Nur einer führte lautstarke Selbstgespräche, sodass er offenbar die Mitfahrenden störte. Als ihn ein Fahrgast mehrfach aufgefordert hatte, leiser zu sein, zog der Mann ein Messer.

Seit Dienstag muss sich Van T. in einem Sicherungsverfahren vor einer Strafkammer des Berliner Landgerichts verantworten. Die Staatsanwaltschaft strebt die Unterbringung des psychisch kranken Mannes in einer psychiatrischen Klinik an.

Sie wirft dem 29-Jährigen gefährliche Körperverletzung vor. Van T. soll am 13. September zwischen den Bahnhöfen Elsterwerdaer Platz und Wuhletal mindestens fünfmal auf den Fahrgast eingestochen haben, der ihn zur Ruhe ermahnt hatte.

Das 27-jährige Opfer ist in dem Verfahren........

© Berliner Zeitung


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