An diesem Montag hat die 40. Große Strafkammer des Berliner Landgerichts in einem viel beachteten Prozess ihr Urteil über den Arzt Christoph Turowski verkündet. Der Sterbehelfer ist wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren Haft verurteilt worden.

Laut dem Gericht hatte Turowski die Tatherrschaft – und Isabell R. zu einem Tatwerkzeug gegen sich selbst gemacht.

Kurz vor dem Urteil war Turowski bei seiner Ankunft im Landgericht noch von in dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten – ausgegangen. Seine Begründung: Der psychiatrische Sachverständige in dem Verfahren hat nicht ausgeschlossen, dass die suizidierte Frau trotz ihrer Erkrankung einen freien Willen gehabt haben könnte.

Die 37-jährige Studentin Isabell R. starb am 12. Juli 2021. Sie wählte den Freitod, die tödliche Infusion setzte sie in einem Hotel in Lichterfelde selbst in Gang. Sie war schwer depressiv, und der Arzt Christoph Turowski half ihr, ihren offenbar lang gehegten Wunsch zu erfüllen: zu sterben.

Der Mediziner, der 2015 in den Ruhestand ging und sich seit vier Jahren in der Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) als Sterbebegleiter engagiert, besuchte Isabell R. Nach eigenen Worten erfuhr er, dass die Studentin seit 2005 an schweren Depressionen litt und sie, da ihr nichts geholfen habe, sterben wolle. Er habe ihr geraten, sich an einen Sterbeverein zu wenden. Doch das habe Isabell R. abgelehnt. Er sagt, er habe nie an ihrer freien Willensbildung gezweifelt.

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Ohne einen psychiatrischen Gutachter hinzuzuziehen, stellte ihr der Arzt schon zwei Wochen später Tabletten zur Verfügung, die normalerweise tödlich wirken. Doch nach der Einnahme erbrach Isabell R. die Pillen und überlebte. Am 12. Juni 2021 legte Turowski, so hat er es im Prozess bestätigt, der Frau in einem Hotelzimmer eine Infusion mit einem tödlich wirkenden Medikament. Die Studentin öffnete das Ventil selbst. Wenig später war sie tot.

Christoph Turowski sagt, er habe für die DGHS bereits hundert Menschen beim Sterben begleitet. Es waren allerdings Schwerkranke, die Mitglied in der Gesellschaft waren und von Psychologen und Juristen zu ihrem Sterbewunsch befragt und begutachtet wurden. Isabell R. hingegen war nie Mitglied in der DGHS.

In dem Prozess hatten auch Hinterbliebene ausgesagt, deren schwerstkranke Familienmitglieder von dem Arzt beim Suizid begleitet wurden. Sie hatten nur Gutes von Christoph Turowski erzählt und von großer Dankbarkeit gesprochen. Allerdings waren die Sterbewilligen von der DGHS vermittelt worden und sie waren wohl auch nicht psychisch krank.

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Urteil gegen Sterbehelfer: Haftstrafe für Berliner Arzt

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08.04.2024

An diesem Montag hat die 40. Große Strafkammer des Berliner Landgerichts in einem viel beachteten Prozess ihr Urteil über den Arzt Christoph Turowski verkündet. Der Sterbehelfer ist wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren Haft verurteilt worden.

Laut dem Gericht hatte Turowski die Tatherrschaft – und Isabell R. zu einem Tatwerkzeug gegen sich selbst gemacht.

Kurz vor dem Urteil war Turowski bei seiner Ankunft im Landgericht noch von in dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten – ausgegangen. Seine Begründung: Der psychiatrische Sachverständige in dem Verfahren hat nicht ausgeschlossen, dass die suizidierte Frau trotz ihrer Erkrankung einen freien Willen gehabt haben........

© Berliner Zeitung


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