Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind nicht nur für Touristen ein attraktives Ziel. Die Geschwindigkeit, mit der sich der junge Golfstaat entwickelt und die Hauptstadt Abu Dhabi sowie das gehypte Dubai bebaut werden, beeindruckt Geschäftsleute aus der ganzen Welt und lässt sie die Augen vor den Schattenseiten verschließen.

„Wir Deutschen hätten es auch so gemacht, wenn Deutschland am Golf liegen würde“, sagen manche Unternehmer schmunzelnd. Fakt ist: Die Emirate sind mit Öl und Gas reich geworden – und proklamieren jetzt das Ziel, bis 2050 komplett klimaneutral zu werden. Wie geht das? Und vor allem: Wie ehrlich kommunizieren die Staatskonzerne wie Adnoc, die Abu Dhabi National Oil Company, ihre wahren Absichten?

Nach der Klimakonferenz (COP28) im November 2023 in Dubai hat Abu Dhabi kürzlich mit dem World Future Energy Summit nachgelegt: einer Messe mit Ausstellern aus Ländern, die zusammen mit den Emiratis mit grüner Energie lukrative Geschäfte machen wollen. Neben knapp 200 chinesischen Firmen sind auch 17 deutsche Unternehmen im nationalen Ausstellungszentrum Adnoc dabei.

Wir gehen an den Ständen vorbei und sehen Mitarbeiter von 2G Energy, einem Energieausrüster aus Nordrhein-Westfalen, sowie von Bosch lebhaft mit ihren Kunden diskutieren. Bosch habe als Hersteller vom PEM-Elektrolyse-Stack, einem Komponentenstück für den Elektrolyseur zur Herstellung von Wasserstoff, in der gesamten Golfregion sowie in Nordafrika „Fokusmärkte identifiziert“, sagt eine Vertreterin des Konzerns der Berliner Zeitung. Da die Emirate auch eine Dekarbonisierungsstrategie vorgelegt hätten, möchte Bosch hier den Markt erschließen.

26.04.2024

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Auch der Traditionsbetrieb für Industriebatterien, BAE Batterien GmbH, ist aus der deutschen Hauptstadt hierhergekommen, genauso wie die Dornier Group, ein global agierender Berater für die Energieinfrastruktur. Ob das Bekenntnis der Emirate zu Netto-Null-Emissionen bis 2050 nicht scheinheilig sei, fragen wir provokativ.

Boris Westphal, der Geschäftsführer des Solartechnik-Anbieters Suntrace bei der Dornier-Gruppe, hält die Strategie nicht für scheinheilig, sondern für schlau. „Wo kommt das Geld für erneuerbare Energien her?“, fragt er zurück. Natürlich würden die Emiratis den Cash aus fossilen Brennstoffen nutzen, um sich auf die Zeit danach vorzubereiten, sagt er. Hauptsache sei, sie hätten eingesehen, dass ihre Öl- und Gasreserven nicht ewig reichen würden, und hätten sich zum Umstieg auf grüne Energie bereiterklärt.

Jetzt produziert allein Masdar, auch bekannt als die staatliche Abu Dhabi Future Energy Company, weltweit, darunter in Afrika, Malaysia oder Aserbaidschan, jährlich bis zu zehn Gigawatt Strom in Wind und Solarprojekten, betont Westphal. Diese Projekte seien in ihrem Umfang „ungefähr zehnmal größer als das größte deutsche Solar- oder Windprojekt.“ Die Dornier Group sei stolz, den Partnern an der einen oder anderen Stelle zu helfen.

Siemens Energy ist seit kurzem sogar mit einem Innovationszentrum in Abu Dhabi vertreten – und sucht mit dem Ölkonzern Adnoc nach Lösungen für die CO₂-Abscheidung und Speicherung, um der Welt den blauen, mit Erdgas erzeugten Wasserstoff als „CO₂-armes“ Produkt zu verkaufen. Im Oktober 2022 etwa war eine Testlieferung des blauen Wasserstoffs in Form von Ammoniak aus den Emiraten in Hamburg angekommen.

Wasserstoff habe beim führenden Staatskonzern Adnoc allerdings keine Priorität, denn es gebe günstigere Wege zur Generierung von Energie, sagt ein Mitarbeiter des Zentrums. Deswegen entstehe im Innovationszentrum von Siemens Energy aktuell der sogenannte Electrical Heater, ein elektrischer Wärmeerzeuger für energieintensive Industriezweige wie Chemie, Glas oder Stahl. Es sei für die Industrie deutlich kostspieliger, auf den mit Strom erzeugten grünen Wasserstoff alternativ zum Erdgas umzusteigen, wenn man den Strom direkt zur Wärmeerzeugung verwenden könnte, heißt es. Grundsätzlich müsse jede neu entwickelte Technologie einen commercial value, also einen Handelswert haben, damit Adnoc in sie investiere, so der Mitarbeiter. Die Emiratis seien „sehr gute Kaufleute“, erläutert ein deutscher Wirtschaftsvertreter die hiesigen Werte.

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Ein Besuch bei Masdar, dem Betreiber der gleichnamigen Ökosiedlung mitten in Abu Dhabi, bestätigt diese Einschätzung. Schon ab 2026 will das Unternehmen grünen, mit Solarstrom erzeugten Wasserstoff auch nach Deutschland verschiffen, die Lieferverträge sind noch in Arbeit. Nicht nur die Emirate kämen dann als Exportstandorte infrage, sondern auch Spanien oder Marokko, wo Masdar Geschäfte macht. Insgesamt wollen die VAE bereits über 50 Milliarden US-Dollar in saubere Energieprojekte in 40 Ländern investiert haben.

Auch der inzwischen verstaatlichte deutsche Energiekonzern Uniper ist aktiv an Wasserstoffprojekten in den Emiraten beteiligt, mit dem Ziel, Wasserstoff nach Europa zu exportieren. Die Pläne des Staates, mit grünem Wasserstoff überall Geld zu machen, sind zweifellos ehrgeizig – doch bedeutet das auch, dass die Emirate dann wirklich auf fossile Brennstoffe verzichten?

Der Grundtenor lautet: Die Emiratis seien Deutschland für alles dankbar, möchten die Partnerschaft ausbauen – aber ohne moralischen Zeigefinger, bitte. Mohammad Abdelqader El Ramahi, der Abteilungsleiter für grünen Wasserstoff bei Masdar, entkräftet selbstbewusst die Kritik: Es gehe den Emiraten um die Verpflichtung zur Dekarbonisierung, und worum gehe es Deutschland, dem Vorbild der Industrienationen im Mittelpunkt Europas? Er blickt aufs Handy, zeigt die Daten aus der Electricity Maps-App in Echtzeit: „Schauen Sie, in Deutschland wird noch viel Strom aus Kohle erzeugt, mit entsprechenden C0₂-Emissionen“. Die Verpflichtung müsse auch in Deutschland eingehalten werden, suggeriert er. Die Emirate ihrerseits werden in den kommenden Jahrzehnten „viel Engagement zeigen und mutiger vorwärtsgehen“.

Vergleichen wir den Stromverbrauch in beiden Ländern, schneidet die Bundesrepublik durch einen höheren Anteil von erneuerbarer Energie, vor allem in der Windenergie, aktuell besser ab als die Emirate, die ihren Strom nach wie vor überwiegend aus Erdgas erzeugen. Die CO₂-Emissionen fielen im vergangenen März in Deutschland mit 376 Gramm pro Kilowattstunde allerdings nur unwesentlich geringer aus als in den Emiraten mit 388 Gramm.

Ein jährlicher Vergleich wird wiederum durch fehlende Daten aus Abu Dhabi erschwert: Während Deutschland hier Transparenz schafft, wollen die Emirate 2023 über 150 Terawattstunden Strom aus einer „unbekannten“ Quelle erzeugt haben, mit einem durchschnittlichen CO₂-Ausstoß von 673 Gramm pro Kilowattstunde.

Diese mangelnde Transparenz bremst die voreilige Bewunderung für die ambitionierten Energieziele der Emirate. Und sie zeigt, wie flexibel die Herrscher hier ticken. Im Bewusstsein vieler Europäer ist die Überzeugung noch fest verankert, dass Investitionen in grüne Energie einen unmittelbaren, forcierten Ausstieg aus Öl und Gas mit sich bringen, oder dass das eine das andere ausschließt. Je mehr man allerdings mit den Wirtschaftsleuten vor Ort spricht, desto mehr verfestigt sich der Eindruck, dass die wahre Strategie der VAE darin besteht, beide Wege gleichzeitig zu gehen. Und das heißt auch: Öl und Gas zu exportieren, solange es sich rechnet, und ja, sogar neue Öl- und Gasfelder zu entwickeln – trotz des Bekenntnisses zum Netto-Null-2050. Nach dem Motto: Alles kann sich noch zigmal ändern.

Es stimmt zwar, dass neu entstehende Solarkraftwerke dort den Strompreis kräftig drücken, wie Daten des Berliner Start-ups LiveEO zeigen. Die Erzeugungskosten beginnen dadurch schon mit 0,5 Euro-Cent pro Kilowattstunde. Der Verbraucherpreis für den Strommix aus Gas, Atomkraft und Solar liegt daher im Schnitt bei neun Cent für die Haushalte – gegen zuletzt rund 42 Cent in Deutschland. Der Stromverbrauch pro Kopf ist dagegen allerdings mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland.

Das größte Solarkraftwerk Al Dhafra im Emirat Abu Dhabi hat eine Leistung von zwei Gigawatt (GW), und die Gesamtsolarkapazität der Emirate lag 2023 bei nur noch 3,4 GW. Deutschland dagegen hat bereits eine Gesamtleistung aller Solaranlagen von 82,2 GW, und die der Windanlagen 61 GW. Der Plan der Emirate, bis 2030 14 GW und bis 2050 44 GW an Solarenergie zu erzeugen, muss erst erfüllt werden.

Was sich hingegen längst bewährt hat, sind die Exporte von Öl und Gas. Der Adnoc-Chef und Gastgeber der Klimakonferenz in Dubai, Sultan Al Jaber, wollte noch vor kurzem Regierungen in China, Brasilien oder auch Deutschland neue Öl- und Gasabkommen vorschlagen, geht aus den durchgesickerten Briefing-Papieren hervor, die dem gemeinnützigen Center for Climate Reporting und der britischen BBC vorliegen. Nur wenige Wochen nach dem Ende der COP28-Klimaverhandlungen im November gewannen die Öl- und Gaserweiterungsprojekte von Adnoc wieder an Dynamik, berichtete das Branchenmagazin Upstream.

Ein neuer Offshore-Auftrag wurde demnach vergeben, damit der emiratische Staatskonzern seine Ölproduktionskapazität bis 2027 von vier auf fünf Millionen Barrel pro Tag erweitern kann. Mit einem neuen LNG-Projekt Ruwais westlich der Hauptstadt Abu Dhabi will Adnoc zudem die LNG-Produktionskapazitäten verdoppeln. Deutschland ist dem Land dabei gerne behilflich: Das Berliner Energieunternehmen Sefe, früher Gazprom Germania, lässt sich laut einer neuen Vereinbarung ab 2028 jährlich mit einer Million Tonnen LNG von Adnoc beliefern – 15 Jahre lang. Dieser Deal untermauert nicht nur den LNG-Plan der Emirate, sondern festigt auch die Nutzung fossiler Brennstoffe in Deutschland.

Grundsätzlich unterscheidet sich Adnoc wenig von anderen profitorientierten Rohstoffkonzernen, die längst eingesehen haben, dass die Emissionssenkung für vielleicht 20 bis 30 Prozent der Menschheit wichtig ist. Die restlichen sechs Milliarden wollen Energie, egal aus welcher Quelle, und die Nachfrage danach steigt.

Erfolgreiche Bemühungen zur wirtschaftlichen Diversifizierung hätten den Anteil der Öl- und Gasförderung an der Wirtschaftsleistung der Emirate auf „nur“ noch 25 Prozent reduziert, heißt es aus der Hauptstadt. Doch nur Naivlinge glauben an den schnelleren Ausstieg aus Öl und Gas hierzulande. Denn fossile Brennstoffe sichern weiterhin den Wohlstand: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes pro Kopf lag 2023 in den Emiraten mit über 51.908 US-Dollar ähnlich hoch wie in Deutschland (48.750 Euro).

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Eine emiratische Frau in traditioneller schwarzer Abaya erzählte stolz, dass ihr Land, das von „den besten Herrschern der Welt“ regiert wird, jungen Familien kostenlos Land oder Häuser zur Verfügung stellen würde. Von derartigen Geschenken profitieren allerdings nur „würdige“ Emiratis, räumen die Behörden ein, während das Vermögen unter den arbeitenden fast neun Millionen Zuwanderern, die 85 Prozent der Bevölkerung der Emirate ausmachen, besonders ungleich verteilt ist. Die Arbeitsbedingungen der Gastarbeiter lassen im besten Fall zu wünschen übrig. Nicht selten, wie auf den unzähligen Baustellen, sind sie ausbeuterisch bis lebensbedrohlich.

Hand aufs Herz: Die Frauenrechte hier sind ebenfalls sehr reformbedürftig. Die VAE sind im Vergleich zu anderen Golfstaaten zwar am liberalsten, Frauen dürfen hier wie Männer Unternehmen gründen und haben auch sonst Zugang zu Eigentum. Doch sie haben längst nicht dieselben Rechte wie Männer und gelten laut Tradition als „der Schatten des Mannes“. Bei allem Fortschritt darf man nicht vergessen: Die Emirate sind keine Demokratie. Ob die Deutschen also alles ähnlich tun sollten? Das bleibt fraglich.

Und dennoch: Junge Staaten brauchen Zeit für die Entwicklung. Der politische Wille und die Ehrlichkeit sind dabei maßgeblich, denn es zählen am Ende die Ergebnisse, nicht die schönen Worte.

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Milliarden mit Öl, Gas und grüner Energie: Emirate wickeln die Welt um den Finger

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28.04.2024

Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind nicht nur für Touristen ein attraktives Ziel. Die Geschwindigkeit, mit der sich der junge Golfstaat entwickelt und die Hauptstadt Abu Dhabi sowie das gehypte Dubai bebaut werden, beeindruckt Geschäftsleute aus der ganzen Welt und lässt sie die Augen vor den Schattenseiten verschließen.

„Wir Deutschen hätten es auch so gemacht, wenn Deutschland am Golf liegen würde“, sagen manche Unternehmer schmunzelnd. Fakt ist: Die Emirate sind mit Öl und Gas reich geworden – und proklamieren jetzt das Ziel, bis 2050 komplett klimaneutral zu werden. Wie geht das? Und vor allem: Wie ehrlich kommunizieren die Staatskonzerne wie Adnoc, die Abu Dhabi National Oil Company, ihre wahren Absichten?

Nach der Klimakonferenz (COP28) im November 2023 in Dubai hat Abu Dhabi kürzlich mit dem World Future Energy Summit nachgelegt: einer Messe mit Ausstellern aus Ländern, die zusammen mit den Emiratis mit grüner Energie lukrative Geschäfte machen wollen. Neben knapp 200 chinesischen Firmen sind auch 17 deutsche Unternehmen im nationalen Ausstellungszentrum Adnoc dabei.

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26.04.2024

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Boris Westphal, der Geschäftsführer des Solartechnik-Anbieters Suntrace bei der Dornier-Gruppe, hält die Strategie nicht für scheinheilig, sondern für schlau. „Wo kommt das Geld für erneuerbare Energien her?“, fragt er zurück. Natürlich würden die Emiratis den Cash aus fossilen Brennstoffen nutzen, um sich auf die Zeit danach vorzubereiten, sagt er. Hauptsache sei, sie hätten eingesehen, dass ihre Öl- und Gasreserven nicht ewig reichen würden, und hätten sich zum Umstieg auf grüne Energie bereiterklärt.

Jetzt produziert allein Masdar, auch bekannt als die staatliche Abu Dhabi Future Energy Company, weltweit, darunter in Afrika, Malaysia oder Aserbaidschan, jährlich bis zu zehn Gigawatt Strom in Wind und Solarprojekten, betont Westphal. Diese Projekte seien in ihrem Umfang „ungefähr zehnmal größer als das größte deutsche Solar- oder Windprojekt.“ Die Dornier Group sei stolz, den Partnern an der einen oder anderen Stelle zu helfen.

Siemens Energy ist seit kurzem sogar mit einem........

© Berliner Zeitung


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