Gemütliches Frühstück und dann dieses Wort aus dem öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunk, ohne jede Vorwarnung im Sportblock kurz vor den Nachrichten: FRAUSCHAFT. Da fällt der Löffel ins Müsli: „Ja, ist ER denn wieder da?“ ER, der erste Genderpolitiker auf deutschem Boden mit Masseneinfluss, der Führer, der seine Biodeutschen stets mit „Liebe Volksgenossen und Volksgenossinnen“ ansprach.

Hatte ich vielleicht falsch verstanden? Schnell nachhören in der DLF-Audiothek. „Frauschaft“ hat der Sportreporter erfolgreiche Wintersportlerinnen genannt. Allen Ernstes.

Um zwei Buchstäblein ergänzt, war die Frauschaft unter Führers Führerschaft 1931 zur organisierten NS-Frauenschaft geworden, die bald 2,3 Millionen Mitglieder:innen (muss man heutzutage wohl sagen) zählte. Die Historikerin Katja Kosubek schrieb in einer Studie zur politischen Motivation früher Nationalsozialistinnen über die enthusiastischen Anhängerinnen Adolf Hitlers, diese hätten von ihrem Angehimmelten „innen- und außenpolitische Stabilität, wirtschaftlichen Aufschwung“ sowie Kampf gegen „Überfremdung“ erhofft. Was für ein aktuelles Programm.

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Ein herausragendes Hervorbringsel der NS-Frauenschaft ist übrigens das Dirndl – das Erfolgsmodell der Volksgenossin Gertrud Pesendorfer, 1939 bis 1945 Reichsbeauftragte für Trachtenarbeit und Leiterin der Mittelstelle Deutsche Tracht der NS-Frauenschaft. Sie schnitt alten Trachten Ärmel und Röcke kurz, legte das Dekolleté der Maiden frei und schnürte ihre Taillen – fertig war der Sexy-Frauschaftslook als Idealbekleidung der aktiven, offenherzigen deutschen Frau. 1945 blieb die vollständige Eroberung der deutschen Frauschaftskleiderschränke wegen der Befreiung vom NS-Wesen stecken. Heute ist das Dirndl beliebter denn je.

Die Neuzeit-Frauschaft im Öffentlich-Rechtlichen soll natürlich etwas anderes suggerieren: Sie wollen das Wort Mannschaft meiden, weil angeblich irgendjemand auf die Idee kommen könnte, die Frauennationalmannschaft könne männlich gelesen werden. Dabei können selbst männlichste Mannschaften nicht anders als weiblich sein. Es heißt nämlich DIE Mannschaft.

Auch das noch! Ein generisches Femininum – so wie all die schönen deutschen Wörter, die auf -schaft enden: Landschaft, Freundschaft, Erbschaft, Liebschaft… Die sehr alte Nachsilbe -schaft geht auf das Indogermanische, also in die Jahrzehntausende unserer Sprachentwicklung zurück und bedeutete Gestalt, Beschaffenheit (jeweils die), und zwar in organisierter Form (weibl.). Das Verb „schaffen“ gehört zur Wortfamilie.

In der Berliner Zeitung tauchte die „Frauschaft“ erstmals am 1. November 1975 auf, in den Kleinanzeigen, Rubrik Tiermarkt. Da suchen Welpen „nette FrauSchaft“, also wohl ein Frauchen. Wie wäre es mit der Neubildung „Frauchenschaft“? Diskutabel?

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In späteren Zeitungsausgaben wird mit dem Wort Frauschaft eher männerwitzig herumgefrotzelt, zum Beispiel, wenn es um Gruppen von Versagerinnen geht oder um Politiker, die um der lieben Quote willen ein paar Damen an Land/ins Boot/in die Geschäftsführung oder ins Kabinett ziehen müssen.

Ach, Wörter können so unschuldig sein. Bis sie vergiftet werden. Frauschaft? Dann lieber Team – das Team.

QOSHE - Sprachverwirrung: Frauschaft, Frauenschaft, Frauchenschaft? Noch ein Genderauswuchs - Maritta Adam-Tkalec
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Sprachverwirrung: Frauschaft, Frauenschaft, Frauchenschaft? Noch ein Genderauswuchs

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11.01.2024

Gemütliches Frühstück und dann dieses Wort aus dem öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunk, ohne jede Vorwarnung im Sportblock kurz vor den Nachrichten: FRAUSCHAFT. Da fällt der Löffel ins Müsli: „Ja, ist ER denn wieder da?“ ER, der erste Genderpolitiker auf deutschem Boden mit Masseneinfluss, der Führer, der seine Biodeutschen stets mit „Liebe Volksgenossen und Volksgenossinnen“ ansprach.

Hatte ich vielleicht falsch verstanden? Schnell nachhören in der DLF-Audiothek. „Frauschaft“ hat der Sportreporter erfolgreiche Wintersportlerinnen genannt. Allen Ernstes.

Um zwei Buchstäblein ergänzt, war die Frauschaft unter Führers Führerschaft 1931 zur organisierten NS-Frauenschaft geworden, die bald 2,3 Millionen Mitglieder:innen (muss man heutzutage wohl sagen) zählte. Die Historikerin Katja Kosubek schrieb in einer Studie zur politischen Motivation früher........

© Berliner Zeitung


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