Öffentliche Proteste gehören seit einiger Zeit zum politischen Alltag. Es begann zu Corona, als sich aufgebrachte und verzweifelte Menschen nicht mehr anders zu helfen wussten, als auf die Straße zu gehen. Die Staatsgewalt ging mit extremer Härte gegen die Demonstranten vor und fegte die Straßen in der Folge mit Hygienevorschriften, Abstandsregeln und Versammlungsverboten frei.

Die sogenannten Klimakleber waren Idealisten, die mit brachialen Aktionen den Straßenverkehr zum Erliegen brachten. Ihr hehres Anliegen – die Rettung des Weltklimas – wurde jedoch nicht verstanden. Die anfangs wohlwollende öffentliche Meinung richtete sich bald gegen die Aktivisten, mit teils drakonischen Strafen wurde die Bewegung gestoppt. Luisa Neubauer zog sich zurück und schloss sich stattdessen den absolut sicheren Protesten gegen rechts an.

Und schließlich sind seit geraumer Zeit die Bauern unterwegs. Sie kämpfen gegen den Vorwurf, sie seien von rechts unterwandert. Allerdings, so zeigt sich in Frankreich, Polen und ab Montag auch wieder in Brüssel: Die Bauern sind nicht leicht unterzukriegen. Sie wollen weitermachen, bis sie ihre Interessen durchgesetzt haben.

In den Mainstream des öffentlichen Protests passen auch die Aktionen der Fußball-Fans. Die eng vernetzte Fan-Szene hat in dieser Woche geschafft, wovon die Bauern nur träumen: Sie hat den Beschluss der Deutschen Fußball-Liga (DFL), ausländischen „Investoren“ den Einstieg in die Bundesliga zu ermöglichen, glatt gekippt – sehr zum Erstaunen des Fußball-Geldadels.

Die Proteste der Fans waren humorvoll, kreativ, geradezu intellektuell: Sie warfen Tennisbälle auf die Spielfelder, worauf die Spiele unterbrochen werden mussten. Die Aktion war absolut gewaltfrei, entfaltete aber eine extreme Wirkung. Denn es war klar, dass die Fans mit der Aktion ein Spiel beliebig oft und beliebig lang unterbrechen konnten. Die Aktion atmete einen Hauch von 1989. Die Mächtigen wurden ohnmächtig, die Arroganten hilflos, die Einpeitscher sprachlos. Und die TV-Kommentatoren mussten sich auf die Zunge beißen, was dem einen oder anderen spürbar schwerfiel.

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21.02.2024

20.02.2024

21.02.2024

Der Versuch, die Fans als böse „Ultras“ zu diskreditieren, ging ins Leere: In allen Stadien wurden die Proteste von den Besuchern unterstützt. Niemand zeigte mit dem Finger auf die Fans! Am Ende warf die DFL das Handtuch: Die Verantwortlichen hatten „das Volk“ unterschätzt: Das lag weniger an den Chefs der meisten Vereine, die haben in Deutschland ihre Ohren immer noch relativ nah an den Fans. Das Problem liegt in der Struktur der von den Vereinen ausgegliederten Kapitalgesellschaften. Auf dieser Ebene war die Fehlentscheidung getroffen worden. In den Kapitalgesellschaften haben Manager das Sagen, die nur die Sprache des Geldes kennen.

Die Lektion, die sie nun schmerzhaft lernen mussten, sollten auch alle anderen studieren, die in Politik und Gesellschaft Verantwortung tragen: Verachtet das Fußvolk nicht. Entscheidet nicht über die Köpfe hinweg. Und glaubt nicht selbstherrlich, dass ihr auf dem längeren Ast säßet. Die Fans werden immer mehr Tennisbälle haben als ihr Kanonenkugeln.

QOSHE - Sieg der Fußball-Fans: Warnung an die Arroganz der Macht - Michael Maier
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Sieg der Fußball-Fans: Warnung an die Arroganz der Macht

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23.02.2024

Öffentliche Proteste gehören seit einiger Zeit zum politischen Alltag. Es begann zu Corona, als sich aufgebrachte und verzweifelte Menschen nicht mehr anders zu helfen wussten, als auf die Straße zu gehen. Die Staatsgewalt ging mit extremer Härte gegen die Demonstranten vor und fegte die Straßen in der Folge mit Hygienevorschriften, Abstandsregeln und Versammlungsverboten frei.

Die sogenannten Klimakleber waren Idealisten, die mit brachialen Aktionen den Straßenverkehr zum Erliegen brachten. Ihr hehres Anliegen – die Rettung des Weltklimas – wurde jedoch nicht verstanden. Die anfangs wohlwollende öffentliche Meinung richtete sich bald gegen die Aktivisten, mit teils drakonischen Strafen wurde die Bewegung gestoppt. Luisa Neubauer zog sich zurück und schloss sich stattdessen den absolut........

© Berliner Zeitung


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