Ein mieser Moment, den man im Fußballfan-Leben nicht einfach so vergisst: Ein Samstagnachmittag irgendwann im Mai, die pralle Sonne scheint einem ins Gesicht und die eigene Herzensmannschaft ist abgestiegen. Weil sie zu schlecht für den großen Bundesligazirkus war; weil die elf Spieler auf dem Rasen versagt haben; weil das Team nicht die Portion Glück hatte wie andere Mannschaften aus West- und Süddeutschland. Und weil der Bundesliga-Verbleib schlichtweg nicht verdient war.

Am 20. Mai vergangenen Jahres musste auch ich den Abstieg meiner Fußballmannschaft miterleben. Das 1:1 von Hertha BSC war gegen den VfL Bochum zu wenig. Dazu: Das Gegentor, erzielt von Keven Schlotterbeck, kassierten die Blau-Weißen in der Nachspielzeit.

Doch während für alle Hertha-Fans in Berlin, Brandenburg und der Welt der Boden unter den Füßen an besagtem Mai-Nachmittag weggezogen wurde, sieht die Welt ein Zweitligajahr später wieder wesentlich sonniger aus: Rekorde bei den Mitgliederzahlen, keine überteuerten und inhaltsleeren Marketingmaßnahmen, bei denen man nur den Kopf schüttelt. Stattdessen identifizieren sich Herthaner wieder mit der „Alten Dame“, das Olympiastadion ist sogar gefühlt stärker besucht als im vergangenen Erstligajahr; dazu ausverkaufte Auswärtsblöcke in Paderborn oder Elversberg. Es macht wieder Spaß, Hertha-Fan zu sein. Danke, Zweite Bundesliga!

Denn der Abstieg aus der Beletage des deutschen Fußballs bewirkt eine reinigende Wirkung in der geschundenen Hertha-Fan-Seele. Mannschaft, Funktionäre und Fans erden sich nämlich wieder. Von personellen wie auch ideellen Alt-Lasten kann man sich schneller befreien. Fußball-Söldner, die nur ihren nächsten Karriereschritt im Sinn haben, werden vom Hof gejagt. Aus – natürlich auch dem Abstieg geschuldet – betriebswirtschaftlichen Beweggründen setzt man wieder mehr auf die eigene Jugend. Stichwort: Berliner Weg.

09.05.2024

gestern

09.05.2024

Hertha BSC: Florian Niederlechner hofft auf „Vollangriff auf die 1. Bundesliga“

gestern

Hertha BSC: Sondertrikot ist mehr als eine Hommage an die erfolgreichste Zeit

08.05.2024

Zwar vergilben die Träume von weiteren Europapokal-Nächten nach Kopenhagen oder Lissabon – doch dafür heißen die Gegner im Zweitligaalltag endlich nicht mehr Augsburg, Wolfsburg, Mainz und Co. Statt Bundesliga-Einheitsbrei kommt es wieder zu echten Traditions-Krachern wie gegen den Hamburger SV, den 1. FC Kaiserslautern und 1. FC Nürnberg; langerwarteten Ost-Duellen mit Hansa Rostock und dem 1. FC Magdeburg oder interessanten Exoten wie eben das saarländische SV Elversberg oder in der kommenden Saison das schwäbische SSV Ulm.

So ist es kein Geheimnis, dass die Zweite Liga aus traditions-nostalgischer Fan-Perspektive der Bundesliga um Meilen voraus ist. Und genau deshalb ist ein Abstieg aus der Fußball- Bundesliga keinesfalls immer ein schleichender Niedergang. Ganz im Gegenteil: Ein Abstieg kann sich vor allem für viele Jüngere, die sonst nur erfolgreiche Zeiten miterlebten, gar positiv auswirken.

QOSHE - Warum der Abstieg in die 2. Bundesliga eine positive Wirkung haben kann - Nicolas Butylin
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Warum der Abstieg in die 2. Bundesliga eine positive Wirkung haben kann

12 1
11.05.2024

Ein mieser Moment, den man im Fußballfan-Leben nicht einfach so vergisst: Ein Samstagnachmittag irgendwann im Mai, die pralle Sonne scheint einem ins Gesicht und die eigene Herzensmannschaft ist abgestiegen. Weil sie zu schlecht für den großen Bundesligazirkus war; weil die elf Spieler auf dem Rasen versagt haben; weil das Team nicht die Portion Glück hatte wie andere Mannschaften aus West- und Süddeutschland. Und weil der Bundesliga-Verbleib schlichtweg nicht verdient war.

Am 20. Mai vergangenen Jahres musste auch ich den Abstieg meiner Fußballmannschaft miterleben. Das 1:1 von Hertha BSC war gegen den VfL Bochum zu wenig. Dazu: Das Gegentor, erzielt von Keven Schlotterbeck, kassierten die Blau-Weißen in der........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play