Aletta von Massenbach bemühte sich, Optimismus zu verbreiten. „Was die finanzielle Situation anbelangt, ist der BER ein ganz normaler Flughafen“, sagte die Flughafenchefin am Mittwoch in Schönefeld. Und die Zahlen entwickelten sich gut.

Aber zu der Bilanz für das vergangene Jahr, die von Massenbach vorstellte, gehört auch: 2023 haben weniger Passagiere den BER genutzt als den Flughafen Tegel in seinem letzten vollen Jahr. Im Vergleich zum gesamten Berliner Fluggastaufkommen 2019 sind es nur noch 65 Prozent. Auch 2023 verzeichnete die Flughafengesellschaft FBB einen Verlust. Trotz allem sei ein „ordentliches Ergebnis“ erzielt worden, so von Massenbach.

Im vergangenen Jahr gab es am Flughafen BER 23,07 Millionen Passagiere. Zum Vergleich: 2019, im letzten Jahr vor der Corona-Pandemie, waren auf den damaligen Berliner Airports Tegel und Schönefeld insgesamt 35,6 Millionen Fluggäste unterwegs. Davon starteten und landeten mehr als 24,2 Millionen in Tegel. Der innerstädtische Flughafen erlebte damals sein letztes komplettes Jahr. Für dieses Jahr erwartet die Flughafengesellschaft am BER 24,8 Millionen Passagiere – nur wenig mehr als TXL.

Die Pandemie ist vorbei, der internationale Luftverkehr erholt sich wieder. Doch Aletta von Massenbach bestätigte, dass dieser Prozess am BER deutlich langsamer vorangeht als anderswo. Während der Bilanzpressekonferenz zeigte sie eine Grafik: In Deutschland wurden im vergangenen Jahr gerade mal 72 Prozent des Luftverkehrs von 2019 bewältigt, in Spanien sind es dagegen 102, in Griechenland 114 Prozent. „Erholung und Wachstum fallen gegenüber Europa zurück“, lautete die Bilanz der Flughafenchefin. „Das sollte ein Weckruf für die gesamte Branche sein“ – und für die Politik.

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Doch während andere Länder die Kosten des Luftverkehrs gesenkt haben, wurden sie in Deutschland angehoben – bereits während der Corona-Pandemie, zuletzt mit der erneuten Erhöhung der Luftverkehrssteuer. Es sind die Standortkosten, die vor allem die Punkt-zu-Punkt-Airlines abschrecken. Fluggesellschaften wie Easyjet, Ryanair, Eurowings und Wizzair haben sich dafür entschieden, anderswo zu wachsen. „Sie kommen nur sehr zurückhaltend wieder zurück“, so die BER-Chefin.

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Von der kostenbedingten Zurückhaltung von Fluggesellschaften, die früher als Low-Cost-Airlines einsortiert worden seien, sei Berlin besonders stark betroffen, erklärte von Massenbach am Mittwoch. „Denn wir haben den mit Abstand höchsten Anteil von Point-to-Point-Airlines. Da ist rechnerisch klar, dass wir die langsamsten sind, was die Erholung nach Covid anbelangt“, stellte die Flughafenchefin klar. Dass der Luftverkehr in Frankfurt am Main und München stärker zunehme, liege daran, dass diese Airports ein anderes Geschäftsmodell haben: Sind sind vor allem Hubs der Lufthansa.

Ein weiterer Faktor könnte der Anstieg sein, den die Entgelte mit der Eröffnung des BER vor dreieinhalb Jahren genommen haben. „Berlin ist teurer geworden im Vergleich zu Tegel und Schönefeld. Das war ein großer Sprung für die Fluggesellschaften“, gestand von Massenbach ein. Deshalb gelte inzwischen: „Wir halten unsere Entgelte flach.“

Die Flughafengesellschaft erwartet, dass die Passagierzahl in Berlin erst Ende dieses Jahrzehnts wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht. Doch ob diese Erwartung eintreffe, hänge von vielen ökonomischen Faktoren ab, so die Flughafenchefin. „Wir glauben auch nicht, dass der Inlandsverkehr wieder stark wachsen wird.“ Er ist im Vergleich zum letzten Jahr vor der Pandemie deutlich gesunken, auf 36 Prozent des damaligen Aufkommens. Waren 2019 in Berlin 8,3 Millionen Fluggäste innerdeutsch unterwegs, waren es im vergangenen Jahr rund drei Millionen. „Es gibt Veränderungen im Verhalten“, stellte Aletta von Massenbach fest. Der Rückgang war stärker als anderswo.

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Weniger stark war der Rückgang beim Passagieraufkommen zu anderen europäischen Zielen: Hier sank die Zahl von 25,7 Millionen auf 18,4 Millionen. Beim Interkontinentalverkehr blieb sie mit 1,7 Millionen ungefähr gleich. 2017 waren es aber noch zwei Millionen – allerdings gab es da auch noch Air Berlin. Zwar kehrten Delta sowie Condor zurück, und im Mittleren Osten gibt es neue Ziele. Doch die Hoffnung der Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) und anderer Berliner, dass der BER im internationalen Flugverkehr eine Rolle spielt, wird sich auf absehbare Zeit nicht erfüllen.

Wie sieht die finanzielle Bilanz aus? Das Fazit lautet: „Insgesamt bleibt die finanzielle Situation der FBB angespannt“ – vor allem wegen der „Bauvergangenheit“. Die Flughafengesellschaft müsse einen Teil der Belastungen schultern, die der Bau des BER mit sich gebracht hat. Vergangenes Jahr erzielte der Konzern, der Berlin, Brandenburg und dem Bund gehört, 212,8 Millionen Euro Verlust. „Das ist signifikant“, gestand die Chefin ein. „Es ist ein schmerzlicher Verlust. Aber wir sind besser als der Plan.“

Im Jahr davor waren es 244,2 Millionen Euro – auch das war deutlich weniger als die Verluste, die während der Haupt-Corona-Jahre zu verbuchen waren. Zur Erinnerung: 2020 stand das Unternehmen mit mehr als eine Milliarde Euro mehr als knietief in den roten Zahlen. Um sie auszugleichen, genehmigte die EU-Kommission eine Beihilfe von 1,7 Milliarden Euro. 2026 stehen die drei staatlichen Flughafengesellschafter wieder in der Pflicht. Dann stünde die nächste Phase der Teilentschuldung an, und 660 Millionen Euro sind zu zahlen. „2026 wollen wir finanziell selbstständig sein“, so die Chefin.

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2027/2028 soll die FBB wieder schwarze Zahlen schreiben – das sei der Plan, bekräftigte von Massenbach. „Aber auch das hängt von der weiteren Entwicklung und makroökonomischen Aspekten ab“, gab sie zu bedenken. „Wir sind im Plan, aber es ist noch ein Weg zu gehen“, sagte Jörg Simon, der Vorsitzende des Flughafenaufsichtsrats. „Auch in Zukunft wird es negative Ergebnisse geben, aber wichtig ist, dass das operative Kerngeschäft gesund ist.“

Die am Mittwoch vorgestellte Bilanz zeigt, dass die Betriebserträge von 429,8 Millionen auf 495 Millionen Euro stiegen. Das Ebitda wuchs von 56,8 Millionen auf 124,4 Millionen Euro. Dabei handelt es sich um den Gewinn, der sich aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ergibt – ohne Zinsen, Steuern, Abschreibungen und sonstigen Finanzierungsaufwendungen. „Für uns ist das eine magische Kennzahl, denn sie zeigt nicht nur die Fähigkeit, die Vergangenheit zu schultern. Sie wird auch immer wichtiger, wenn wir nach vorn schauen und mit Banken sprechen, um eine Refinanzierung zu ermöglichen“, stellte die Flughafenchefin fest. Deren Gesamtbezüge im vergangenen Jahr beziffert der Geschäftsbericht auf 483.000 Euro.

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Und was ist mit den Prozessen am Boden? Weiterhin beschweren sich Fluggäste, dass sie am BER besonders lange darauf warten müssen, bis aufgegebene Koffer auf den Gepäckbändern landen. „Allermeistens funktioniert es. Aber es gibt Momente, wo es nicht funktioniert“, gestand Aletta von Massenbach ein. Allerdings sei die FBB für dieses Thema nicht direkt verantwortlich. „Das Vertragsverhältnis besteht zwischen Fluggesellschaften und ihren Partnern. Die Zeit, wann ein Flugzeug entladen werden soll, ist vorgegeben. Sie hängt davon ab, wo sich die Parkposition der Maschine befindet“ – zwischen 20 und 40 Minuten. Doch eine Neuerung gibt es immerhin: „Wir sehen jetzt im Airport Control Center, wie weit der Flieger ist. Wurde er schon entladen?“

Klar ist: Es bleibt schwierig. Vor allem am BER.

QOSHE - Weniger Fluggäste als in Tegel: Warum der BER immer noch schwächelt - Peter Neumann
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Im vergangenen Jahr gab es am Flughafen BER 23,07 Millionen Passagiere. Zum Vergleich: 2019, im letzten Jahr vor der Corona-Pandemie, waren auf den damaligen Berliner Airports Tegel und Schönefeld insgesamt 35,6 Millionen Fluggäste unterwegs. Davon starteten und landeten mehr als 24,2 Millionen in Tegel. Der innerstädtische Flughafen erlebte damals sein letztes komplettes Jahr. Für dieses Jahr erwartet die Flughafengesellschaft am BER 24,8 Millionen Passagiere – nur wenig mehr als TXL.

Die Pandemie ist vorbei, der internationale Luftverkehr erholt sich wieder. Doch Aletta von Massenbach bestätigte, dass dieser Prozess am BER deutlich langsamer vorangeht als anderswo. Während der Bilanzpressekonferenz zeigte sie eine Grafik: In Deutschland wurden im vergangenen Jahr gerade mal 72 Prozent des Luftverkehrs von 2019 bewältigt, in Spanien sind es dagegen 102, in Griechenland 114 Prozent. „Erholung und Wachstum fallen gegenüber Europa zurück“, lautete die Bilanz der Flughafenchefin. „Das sollte ein Weckruf für die gesamte Branche sein“ – und für die Politik.

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