Ich kenne das Problem aus direkter Anschauung: Eine meiner besten Freundinnen hat alles getan, um ein Kind zu bekommen – aus der Ukraine.

Sie selbst, frisch verheiratet, plante zusammen mit ihrem Mann schon länger Nachwuchs. Die beiden wirkten wie ein Traumpaar. Beides Gutverdiener schon in jungen Jahren, Akademiker, überaus sportlich, überdurchschnittlich attraktiv, bei voller Gesundheit, lebensfroh. Sie wollten ihr Glück und ihre überschießende Energie mit einem Kind krönen, ihre guten Gene der Nachwelt hinterlassen – und ihre Lebensfreude weitertragen.

Bis zu jenem Tag, der alles veränderte: Bei meiner Freundin wurde Krebs diagnostiziert, mit Anfang 30. Schnellstens wurde sie auf den OP-Tisch verfrachtet, ich erspare allen hier die Details. Es gab erhebliche Komplikationen, doch es wurde alles dafür getan, um vor der Operation noch möglichst viele Eizellen zu entnehmen und einfrieren zu lassen. Damit die beiden per Leihmutterschaft nach der Genesung doch noch ein Kind zusammen bekommen zu können. Das wäre beinahe schiefgegangen, aber meine Freundin hat es überlebt. Nach ein paar Monaten war sie wieder die alte.

Leihmutterschaft ist in Deutschland verboten – das sollte sich ändern

vor 10 Min.

Doch nun fing ihr Mann an zu drängeln, das mit der Leihmutter müsse jetzt über die Bühne gehen. Er wolle kein alter Vater sein.

Also ließen sich die beiden beraten, sie hatten schon Tausende Euro gezahlt für Entnahme und Lagerung der Eizellen. Aus der Ukraine könnte die Leihmutter stammen, hatten sie sich erkundigt. Wiederum sollten Zehntausende Euro dafür fließen; der Mann meiner Freundin war guten Mutes.

Doch meine Freundin fühlte sich unter Druck gesetzt. Sie war gerade erst genesen, die Psyche hinkte hinterher. Sie hatte große Angst vor einem Rezidiv und haderte damit, einem neuen Menschen das Leben zu schenken, bevor sie selbst wusste, ob sie die nächsten Jahre überleben würde. Krebspatienten gelten erst dann als geheilt, wenn der Krebs nach fünf Jahren nicht zurückgekehrt ist.

gestern

26.04.2024

•gestern

Weil ihr Mann es unbedingt wollte, trafen sich sich mit Anbietern von Vermittlungsagenturen aus der Ukraine, die ihr aber mit jedem Treffen unseriöser erschienen. Meine Freundin wollte nun immer weniger ein Baby auf diese Art bekommen – und auf natürliche Weise ging es nicht mehr. Schließlich kam Corona dazwischen; in dieser Zeit war an den Austausch eines Kindes über die Grenzen nicht zu denken. Meine Freundin atmete auf.

Doch dann war die Pandemie vorbei und ihr Mann fing wieder an zu drängeln. Er war schwer enttäuscht, dass noch kein Baby da war. Das ließ er sie immer öfter spüren. Es eskalierte derart, dass meine Freundin sich von ihm trennte. Kurz darauf lernte sie einen neuen Mann kennen, mit dem sie nun sehr glücklich ist. Für ihn ist sie ausreichend für eine Partnerschaft. Und sie hat genau dieses Gefühl gebraucht: dass sie als Frau auch ohne Kind wertvoll ist.

Warum ich das erzähle? Weil ich selbst dieses Beispiel brauchte, um überhaupt zu verstehen, warum manche eine Leihmutter in Anspruch nehmen wollen. Mir geht der Kinderwunsch völlig ab, immer schon. Ich kann zwar nachvollziehen, warum Menschen Kinder bekommen, aber ich kann noch besser nachvollziehen, wenn sie keine Kinder bekommen. Und haben wir nicht schon genug Menschen auf der Welt?

Braucht es zusätzlich wirklich noch Kinder von solchen, bei denen entweder die Natur oder die natürliche Auslese oder das Alter oder das Geschlecht eigentlich bestimmen: Nein, du oder ihr als Paar könnt euch eben nicht fortpflanzen? Es muss und kann nicht jeder Kinder haben, das sollte erst einmal deutlich stärker normalisiert werden. In vielen Kreisen gilt eine kinderlose Frau immer noch automatisch als seltsam und viele lassen sich dadurch beeinflussen.

Müssen wir außerdem wirklich alles tun, das medizinisch irgendwie machbar ist? Aber nur für solche, die sich das finanziell leisten können oder die jemanden finden, der aus altruistischen Gründen ihr Kind austrägt? Ist das nicht auch ungerecht, wenn diese Möglichkeit von Geldbeutel oder Beziehungen abhängt? Und ist es nicht ziemlich egozentrisch, weil etwa das Kind dazu gar nicht befragt werden kann?

Dann wäre da noch die andere Frau, die Leihmutter. Sie wird per Vertrag auf ihren Körper und das Gebären reduziert. Ansprüche (außer Geld als Gegenleistung für die Ware Kind, wenn überhaupt) hat sie nicht zu haben. Und das soll zeitgemäß sein? Erschließt sich mir leider so gar nicht.

Das Beispiel meiner Freundin hat mir aus direkter Nähe gezeigt, dass es durchaus Situationen geben kann, in denen Paare ein berechtigtes Interesse haben können, sich ein Kind austragen zu lassen. Doch es hat auch gezeigt, dass dieser Wunsch nicht immer unumstößlich sein muss. Der Mann meiner Freundin wird nun vielleicht eine andere Frau finden, mit der er auf natürliche Weise ein Kind haben kann. Zumindest sucht er eifrig danach.

Abgesehen von diesen Beziehungsfragen zwischen Mutter-Vater-, Vater-Vater- oder Mutter-Mutter-Kind, von denen man vorher ja nie weiß, wie zerbrechlich sie sein können: Das weiß man bei herkömmlichen Beziehungen auch nicht, aber da kommt wenigstens nicht noch eine vierte Person in Form der Leihmutter ins Spiel, von der man im Falle finanzieller Transaktionen in der Regel nur sehr wenig weiß. Im Falle einer wie in Deutschland vielleicht geplanten sogenannten altruistischen Leihmutterschaft weiß man eventuell zwar mehr, aber nur bis zum Zeitpunkt des Austragens. Eine Schwangerschaft verändert viel im Leben einer Frau. Wie geht man damit um, wenn die altruistische Dame ihr Kind doch nicht hergeben will, weil sie es einfach nicht kann?

Und wie geht man damit um, wenn die altruistische Dame durch die Schwangerschaft gesundheitlich geschädigt wird, vielleicht gar stirbt? Oder wenn das Kind nicht gesund, gar behindert ist? Finanziell und rechtlich lassen sich dazu Vorkehrungen treffen, aber psychisch?

Überhaupt, der körperliche Aspekt: Für eine Leihmutterschaft werden zwar die Samenzelle des Spendervaters und die Eizelle der Spendermutter verwendet, aber das Kind wächst im Körper der Leihmutter heran. In ihrem Blutkreislauf, unter ihrem Herzen. Für mich wäre das ein Ausschlusskriterium für ein Kind, das ich mein Eigen nennen wollte: ein Mischwesen, ausgebrütet in einem fremden Körper?

(K)ein Recht auf Kinder: Warum Leihmutterschaft nicht legalisiert werden sollte

18.08.2023

Ich habe meine Freundin damals darauf angesprochen, aber für sie war das gar kein Problem. Auch dass Ukrainerinnen vielleicht doch nicht so freiwillig an der Sache teilnehmen könnten wie vermutet, ließ sie nicht gelten: Schließlich würde dafür sehr viel Geld fließen. Das EU-Parlament hat am Dienstag dieser Woche die Leihmutterschaft in die rechtliche Definition von Menschenhandel aufgenommen, und ich finde das sehr angebracht. Menschen sind keine Ware – sie dürfen es in meinen Augen auch nie wieder werden.

Meine Freundin machte sich über all diese ethischen und medizinischen Fragen keine Gedanken, weil sie so stark auf ihren eigenen Fall konzentriert war. Das Kind war der Grund, weshalb sie schließlich davor zurückschreckte. Sie wollte für es da sein, über Jahrzehnte eine gute Mutter sein, mit einem passenden Vater an ihrer Seite. Da sie sich darüber nicht mehr sicher war, brach sie es ab. Gott sei Dank, möchte ich meinen.

Ich finde nämlich, dass hier zu oft im Vordergrund steht, jemandem den Wunsch zu erfüllen, unbedingt ein Kind zu bekommen. Ohne alle Konsequenzen zu bedenken.

Denn wenn es dann erst mal da ist, kümmern wir uns kaum noch darum. Deutschland gilt nicht umsonst im Gegensatz zu vielen europäischen Nachbarn als geradezu kinderfeindlich. Alleinerziehende können ein Lied davon singen, wie schnell sie in der (Alters-)Armut landen. Es fehlt überall an Kitas. Und dazu sollen nun auch noch Leihmütter in die Spur geschickt werden, um das Elend zu verstärken?

Warum Frauen keine Kinder bekommen

13.07.2021

Adoptionen sind etwas anderes. Diese Kinder sind schon da, und jedes von ihnen hat es verdient, in eine möglichst liebende Familie vermittelt zu werden. Es mag ja sogar sein, dass solche, die sich ein Leihmutter-Kind wünschen, besonders engagierte Eltern werden können. Weil sie vorher schon so viel probiert haben und nicht einfach zufällig Eltern geworden sind.

Doch das muss nicht immer der Fall sein. Die – wenn auch umstrittene – Publizistin Birgit Kelle warnt etwa in ihrem Buch „Ich kauf mir ein Kind“ unter anderem davor, dass auch Pädophile sich auf diese Weise ihre Opfer geradezu heranzüchten könnten. Ich selbst kenne einen Mann mit pädophilen Neigungen, der jahrelang versucht hat, mit möglichst vielen jungen Frauen ungeschützten Sex zu haben. Damit dabei irgendwann ein Kind herauskommt. Was gottlob nicht funktioniert hat. Inzwischen ist er zu alt dafür. Aber wäre damals schon die Leihmutterschaft möglich gewesen, womöglich hätte er es auch auf diese Weise probiert.

Auf all diese Ausnahmen und Gefahren müsste man in Deutschland erst einmal Antworten finden, bevor eine Leihmutterschaft offiziell erlaubt würde. Denn eines muss außer Frage stehen: Es muss an erster Stelle um das Wohl des Kindes gehen. Egal, wie viel oder wie wenig Geld dafür fließt.

Hier lesen Sie das Pro: Ein jahrelanger stiller und einsamer Kampf – darum sollte Leihmutterschaft erlaubt sein

QOSHE - Leihmutterschaft ist in Deutschland verboten – und das ist gut so - Ruth Schneeberger
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Leihmutterschaft ist in Deutschland verboten – und das ist gut so

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28.04.2024

Ich kenne das Problem aus direkter Anschauung: Eine meiner besten Freundinnen hat alles getan, um ein Kind zu bekommen – aus der Ukraine.

Sie selbst, frisch verheiratet, plante zusammen mit ihrem Mann schon länger Nachwuchs. Die beiden wirkten wie ein Traumpaar. Beides Gutverdiener schon in jungen Jahren, Akademiker, überaus sportlich, überdurchschnittlich attraktiv, bei voller Gesundheit, lebensfroh. Sie wollten ihr Glück und ihre überschießende Energie mit einem Kind krönen, ihre guten Gene der Nachwelt hinterlassen – und ihre Lebensfreude weitertragen.

Bis zu jenem Tag, der alles veränderte: Bei meiner Freundin wurde Krebs diagnostiziert, mit Anfang 30. Schnellstens wurde sie auf den OP-Tisch verfrachtet, ich erspare allen hier die Details. Es gab erhebliche Komplikationen, doch es wurde alles dafür getan, um vor der Operation noch möglichst viele Eizellen zu entnehmen und einfrieren zu lassen. Damit die beiden per Leihmutterschaft nach der Genesung doch noch ein Kind zusammen bekommen zu können. Das wäre beinahe schiefgegangen, aber meine Freundin hat es überlebt. Nach ein paar Monaten war sie wieder die alte.

Leihmutterschaft ist in Deutschland verboten – das sollte sich ändern

vor 10 Min.

Doch nun fing ihr Mann an zu drängeln, das mit der Leihmutter müsse jetzt über die Bühne gehen. Er wolle kein alter Vater sein.

Also ließen sich die beiden beraten, sie hatten schon Tausende Euro gezahlt für Entnahme und Lagerung der Eizellen. Aus der Ukraine könnte die Leihmutter stammen, hatten sie sich erkundigt. Wiederum sollten Zehntausende Euro dafür fließen; der Mann meiner Freundin war guten Mutes.

Doch meine Freundin fühlte sich unter Druck gesetzt. Sie war gerade erst genesen, die Psyche hinkte hinterher. Sie hatte große Angst vor einem Rezidiv und haderte damit, einem neuen Menschen das Leben zu schenken, bevor sie selbst wusste, ob sie die nächsten Jahre überleben würde. Krebspatienten gelten erst dann als geheilt, wenn der Krebs nach fünf Jahren nicht zurückgekehrt ist.

gestern

26.04.2024

•gestern

Weil ihr Mann es unbedingt wollte, trafen sich sich mit Anbietern von Vermittlungsagenturen aus der Ukraine, die ihr aber mit jedem Treffen unseriöser erschienen. Meine Freundin wollte nun immer weniger ein Baby auf diese Art bekommen – und auf........

© Berliner Zeitung


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