Führenden Vertretern der israelischen Regierung droht eine Anklage durch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wegen Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Chefankläger Karim Khan könne noch in dieser Woche internationale Haftbefehle gegen Premierminister Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Joav Galant sowie den Generalstabschef Herzi Halevi unterschreiben, berichten israelische Medien.

In Den Haag wird bereits seit 2021 gegen die Hamas und Israel wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen ermittelt. Auch zur Gewalt israelischer Siedler im Westjordanland laufen Untersuchungen. Netanjahu sei wegen möglicher Festnahmen, die eine dramatische Verschlechterung des internationalen Ansehens Israels bedeuten würden, äußerst besorgt, hieß es in den Berichten.

Juristisch würde ein Haftbefehl des IStGH gegen Netanjahu und andere israelische Bürger bedeuten, dass die Unterzeichnerstaaten des Strafgerichtshofs verpflichtet wären, diese Personen festzunehmen und nach Den Haag zu überstellen - sofern sie sich auf das Hoheitsgebiet dieser Staaten begeben.

Chefankläger Karim Khan hat bereits vier internationale Haftbefehle gegen hochrangige Russen erlassen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen, darunter auch Präsident Wladimir Putin.

Die Bundesregierung will die Den Haager Haftbefehle konsequent vollstrecken. „Deutschland ist dann verpflichtet, Präsident Putin, wenn er deutsches Territorium betritt, zu inhaftieren und an den IStGH zu übergeben“, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann im März 2023.

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Gilt das auch bei einem Haftbefehl gegen Netanjahu? Dazu schweigt die Bundesregierung. Sprecher Steffen Hebestreit sagte am Montag in der Regierungspressekonferenz lediglich, es bleibe abzuwarten, ob sich die Gerüchte bewahrheiteten. Solange wird sich die Bundesregierung nicht öffentlich zu den Vorgängen positionieren. Auf eine Anfrage der Berliner Zeitung wollte das Auswärtige Amt keine Auskunft geben.

Die israelische Regierung ist alarmiert. Netanjahu schrieb auf X, Israel werde unter seiner Führung „niemals irgendeinen Versuch des Strafgerichtshofs akzeptieren, sein inhärentes Recht auf Selbstverteidigung zu untergraben“. Der Regierungschef schrieb zudem: „Die Drohung, Soldaten und Repräsentanten der einzigen Demokratie im Nahen Osten und des einzigen jüdischen Staates der Welt zu fassen, ist empörend.“ Israel werde „den gerechten Krieg gegen Terroristen, die auf Völkermord aus sind, bis zum Sieg fortsetzen“.

Under my leadership, Israel will never accept any attempt by the ICC to undermine its inherent right of self-defense.

The threat to seize the soldiers and officials of the Middle East’s only democracy and the world’s only Jewish state is outrageous. We will not bow to it.
Israel…

Eine solche Entscheidung des Strafgerichtshofs würde zwar nicht das israelische Vorgehen beeinflussen, wäre aber „ein gefährlicher Präzedenzfall, der die Soldaten und Repräsentanten aller Demokratien bedroht, die gegen brutalen Terrorismus und rücksichtslose Aggression kämpfen“, schrieb Netanjahu.

Wie mehrere israelische Medien berichten, versuchen die USA, die die Statuten des IStGH nicht unterzeichnet haben, eine Verurteilung der israelischen Regierung zu verhindern. Netanjahu stehe unentwegt mit der amerikanischen Regierung in Kontakt, um einen Strafbefehl noch abzuwenden. Laut eines Berichts des israelischen Senders Channel 12 hat Netanjahu den britischen Außenminister David Cameron und die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock während ihrer Besuche in Israel gebeten, zu intervenieren.

Auch die Gruppe der G7-Staaten soll in Den Haag vorstellig geworden sein. Wie Bloomberg berichtet, haben Vertreter der größten westlichen Industrienationen den Richtern am IStGH verdeutlicht, dass eine Verurteilung der israelischen Führung die Aussicht auf eine Waffenruhe in Gaza in weite Ferne rücken lasse.

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Der Internationale Strafgerichtshof verfolgt Individuen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Israel erkennt das Gericht nicht an. Aber die palästinensischen Gebiete sind Vertragsstaat. Daher darf der Ankläger auch ermitteln.

Dagegen soll der Internationale Gerichtshof IGH, ebenfalls mit Sitz in Den Haag, Konflikte zwischen Staaten lösen. Am Dienstag wird hier ein Urteil in der Klage Nicaraguas erwartet, das Deutschland die Beihilfe zum Völkermord in Gaza vorwirft.

QOSHE - Bei Haftbefehl gegen Netanjahu – würde Deutschland den Premierminister verhaften? - Simon Zeise
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Bei Haftbefehl gegen Netanjahu – würde Deutschland den Premierminister verhaften?

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30.04.2024

Führenden Vertretern der israelischen Regierung droht eine Anklage durch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wegen Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Chefankläger Karim Khan könne noch in dieser Woche internationale Haftbefehle gegen Premierminister Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Joav Galant sowie den Generalstabschef Herzi Halevi unterschreiben, berichten israelische Medien.

In Den Haag wird bereits seit 2021 gegen die Hamas und Israel wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen ermittelt. Auch zur Gewalt israelischer Siedler im Westjordanland laufen Untersuchungen. Netanjahu sei wegen möglicher Festnahmen, die eine dramatische Verschlechterung des internationalen Ansehens Israels bedeuten würden, äußerst besorgt, hieß es in den Berichten.

Juristisch würde ein Haftbefehl des IStGH gegen Netanjahu und andere israelische Bürger bedeuten, dass die Unterzeichnerstaaten des Strafgerichtshofs verpflichtet wären, diese Personen festzunehmen und nach Den Haag zu überstellen - sofern sie sich auf das Hoheitsgebiet dieser Staaten begeben.

Chefankläger Karim Khan hat bereits vier internationale Haftbefehle gegen hochrangige Russen erlassen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen,........

© Berliner Zeitung


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