Die Taurus-Fans im Bundestag winden sich. Sie suchen nach einer Möglichkeit, die Ukraine mit dem Marschflugkörper zu beliefern, aber nicht dabei erwischt zu werden. Bei dem Waffendeal muss so getrickst werden, dass kein Verstoß gegen das Völkerrecht nachgewiesen werden kann. Putin hat es auch geschafft: Schon vor dem Angriffskrieg in der Ukraine wimmelte es im Donbass von Russen in grünen Uniformen, mit denen Putin nichts zu tun haben wollte, die aber rein zufällig die Annektion der ostukrainischen Gebiete für den russischen Staat vorbereiteten. Auch die Invasion in der Ukraine wird nicht als Krieg, sondern als Spezialoperation bezeichnet. Krieger wählen ihre Worte weise.

Einige Abgeordnete im Deutschen Bundestag wollen solcher Raffinesse vorsichtig kopieren. Bei einer direkten Taurus-Lieferung an Kiew, wie es CDU/CSU am Donnerstag in ihrem Antrag fordern, könnte man auf die Bereitstellung deutscher Soldaten verzichten, lautet das Kalkül. Dann zerstört der von Deutschland bereitgestellte Taurus vielleicht den Kreml, aber gelenkt haben ihn schließlich die Ukrainer. Eigentlich kann da nicht mal Putin etwas dagegen haben, mag man sich in der Unions-Fraktion denken.

Die Kanzlerbefragung am Mittwoch war die Ouvertüre für die Debatte über den Taurus-Antrag der Union am Donnerstag. Der CDU-Abgeordnete Norbert Röttgen warf Scholz vor, „widersprüchlich“ zu argumentieren. Schließlich hätten Frankreich und Großbritannien bereits eigene Marschflugkörper an die Ukraine geliefert, dennoch betrachte Scholz die beiden Nato-Verbündeten nicht als Kriegspartei. Im Falle Deutschlands lehne der Kanzler wiederum die Lieferung wegen einer drohenden Kriegsbeteiligung ab. Scholz spiele nicht mit klaren Karten und ziele darauf ab, „die Öffentlichkeit in dieser Frage zu täuschen“, sagte Röttgen.

Der Kanzler führte Röttgen und die anderen Taurus-Fans im Bundestag am Ring durch die Manege. Scholz nutzte die Fragerunde, um die deutsche außenpolitische rote Linie zu definieren: „Ich halte es für erforderlich, dass es bei der Lieferung von Waffen keine Beteiligung deutscher Soldaten gibt.“ Mit Halbwahrheiten werde öffentliche Kommunikation betrieben. „Was mich ärgert, lieber Norbert, ist, dass du alles weißt und eine öffentliche Kommunikation betreibst, die darauf baut, dass dein Wissen kein öffentliches Wissen ist“, sagte Scholz in Richtung Röttgen. Das sei einer Demokratie nicht würdig.

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11.03.2024

12.03.2024

•vor 8 Std.

Taurus-Lieferung: Wird Scholz dem Druck der Grünen nachgeben?

gestern

Taurus-Lieferung: Baerbock fordert vor Bundestagsabstimmung den Kanzler heraus

12.03.2024

Die Grünen müssen bei ihren argumentatorischen akrobatischen Verrenkungen vorsehen, sich keine Zerrung zuzuziehen. Wenn der Taurus schon nicht direkt nach Kiew geliefert werden darf, dann soll er wenigstens im Ringtauschverfahren genehmigt werden. So hatte es der britische Außenminister David Cameron vorgeschlagen und Außenministerin Annalena Baerbock dankbar aufgegriffen: Berlin liefert den Taurus nach London. Die Briten behalten den deutschen Marschflugkörper und schicken dafür eigene Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow in die Ukraine. Zwar befinden sich zur Steuerung der britischen Raketen auch bereits britische Soldaten in der Ukraine, aber nur in „kleiner Zahl“, wie es aus Downing Street No. 10 heißt. Droht dann nur ein „kleiner“ Krieg mit Russland?

Baerbock will den Stier bei den Hörnern packen. Laut Informationen der FAZ wird im Auswärtigen Amt an dem Megatrick getüftelt: Baerbock will den Taurus nach Kiew schicken, ohne dabei die roten Linien des Kanzlers zu übertreten. Damit keine deutschen Soldaten in die Kampfplanung und -handlung involviert werden, könnte die britische Armee in die Lage versetzt werden, den Taurus zu steuern. Die Zielprogrammierung wird einfach mitgeschickt – wie die Aufbauanleitung beim Ikea-Schrank.

Aus London könnte der deutsche Marschflugkörper dann nach Kiew geliefert werden, aber deutsche Soldaten wären nicht beteiligt. Dass Deutschland die Raketen vorher scharf gestellt hat, wird schon keiner merken, hoffen Baerbocks Beamte. Nur im Kanzleramt hat man den Plan als doch „sehr durchsichtig“ durchschaut.

Obama-Berater: „Selbst mit dem Taurus hat die Ukraine keine realistische Chance“

11.03.2024

Militärexperte Richter: „In den USA ist man sehr wohl bereit, mit Russland zu verhandeln“

12.03.2024

Für die Taurus-Fans war der Mittwoch eine erste Kostprobe. Man fragt sich, warum die Union das politische Harakiri am Donnerstag veranstaltet. In der Bevölkerung gibt es für Taurus-Lieferungen keine Mehrheit, die Angst vor einem Krieg mit Russland ist real.

Putin sagte am Mittwoch im russischen Fernsehen, „wir verfolgen das sehr genau“. In der Diskussion in Deutschland sei die Opposition „noch aggressiver“. Zudem werden die USA zunehmend kriegsmüde und wollen Deutschland in der Ukraine einen lange währenden eingefrorenen Konflikt hinterlassen. Röttgen und Co. wären besser beraten, nicht mit dem Taurus die Machtfrage zu stellen.

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Bundestagsdebatte: Scholz blamiert Taurus-Fans und führt Röttgen vor

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14.03.2024

Die Taurus-Fans im Bundestag winden sich. Sie suchen nach einer Möglichkeit, die Ukraine mit dem Marschflugkörper zu beliefern, aber nicht dabei erwischt zu werden. Bei dem Waffendeal muss so getrickst werden, dass kein Verstoß gegen das Völkerrecht nachgewiesen werden kann. Putin hat es auch geschafft: Schon vor dem Angriffskrieg in der Ukraine wimmelte es im Donbass von Russen in grünen Uniformen, mit denen Putin nichts zu tun haben wollte, die aber rein zufällig die Annektion der ostukrainischen Gebiete für den russischen Staat vorbereiteten. Auch die Invasion in der Ukraine wird nicht als Krieg, sondern als Spezialoperation bezeichnet. Krieger wählen ihre Worte weise.

Einige Abgeordnete im Deutschen Bundestag wollen solcher Raffinesse vorsichtig kopieren. Bei einer direkten Taurus-Lieferung an Kiew, wie es CDU/CSU am Donnerstag in ihrem Antrag fordern, könnte man auf die Bereitstellung deutscher Soldaten verzichten, lautet das Kalkül. Dann zerstört der von Deutschland bereitgestellte Taurus vielleicht den Kreml, aber gelenkt haben ihn schließlich die Ukrainer. Eigentlich kann da nicht mal Putin etwas dagegen haben, mag man sich in der Unions-Fraktion denken.

Die Kanzlerbefragung am Mittwoch war die Ouvertüre für die Debatte über den Taurus-Antrag der Union am Donnerstag. Der........

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