Während russische Soldaten die ukrainische Stadt Odessa bombardieren, findet in Moskau das diesjährige internationale Musikfestival „Dorogna na Jalta“ (auf Deutsch „Weg nach Jalta“) im Kreml statt. Eines der Jurymitglieder ist der deutsche Musiker und Liedermacher Tino Eisbrenner. Mit seiner Band Jessica feierte er in der DDR einen Erfolg nach dem anderen. Mittlerweile ist es still um ihn geworden.

Es ist nicht das erste Mal, dass Eisbrenner am Festival teilnimmt. Letztes Jahr stand er selbst auf der Bühne und holte mit seiner Interpretation des Antikriegsliedes „Kraninche“ den zweiten Platz. Am vergangenen Sonntag bewertete er zusammen mit weiteren – ausschließlich russischen Jurykollegen – die Gesangsbeiträge von 16 Wettbewerbsteilnehmern aus 15 Ländern, die im Halbfinale gegeneinander antraten.

Seit 2019 findet das Festival jährlich statt. Auf der Website des Festivals wird die Ausrichtung der Veranstaltung so beschrieben: „Von der Hauptbühne des Landes werden sowjetische Lieder über den Zweiten Weltkrieg in verschiedenen Sprachen der Welt aufgeführt.“ Der Gewinner erhält laut Veranstalter ein Preisgeld in Höhe von 5 Millionen Rubel. Das Finale wird am 1. Mai stattfinden.

In der Videoaufnahme der Veranstaltung ist Tino Eisbrenner zu sehen und zu hören. Erst spricht er auf Russisch, wechselt dann ins Deutsche. „Ich möchte mich noch mal bedanken für das Vertrauen, mich in diese Jury einzuladen“, sagt er. Nach dem Aufritt eines türkischen Sängers erklärt Eisbrenner, dass er „sehr beeindruckt von der Vielfalt der Teilnehmer des Festivals“ sei. „In Deutschland haben wir darin wenig Tradition – das hat auch historische Gründe“, fügt er hinzu.

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Die Anwesenden applaudieren, doch in Deutschland ist es still geworden um den ehemaligen Kulturmanager der Berliner Kulturstätte Pfefferberg. Bis heute ist der Liedermacher vor allem für seine mit Schulfreunden gegründete Amateurband Jessica bekannt. 1984 wurde sie zur beliebtesten Newcomerband der DDR gekürt. Als 2011 die Reunion von Jessica erfolgte und die Band nach 25 Jahren das erste Mal wieder zusammen auf der Bühne stand, waren die Konzerte restlos ausverkauft.

Doch der Nostalgie-Charme und der darauf aufbauende Erfolg waren nicht von langer Dauer. Als Tino Eisbrenner im letzten Jahr trotz des Ukrainekriegs am Festival teilnahm, mehrte sich die Kritik. In einem Interview mit dem NDR sagte der Musiker, dass er seine „deutsche Beteiligung dort“ für „sehr wichtig“ erachte.

Seine Teilnahme findet er keinesfalls bedenklich, ganz im Gegenteil: „Ich bin der Künstler, der eine Brücke baut und auch dort ein anderes Bild von den Deutschen schafft.“ Seiner Meinung nach helfe er dabei, dass dort kein „neues Feindbild“ entsteht, „bei allem, was deutsche Politiker derzeit von sich geben“. Das Gesagte ist mittlerweile zwölf Monate alt, doch die erneute Reise zum Festival und der Aufstieg zum Jurymitglied lassen darauf schließen, dass Eisbrenner weiterhin diese Meinung vertritt.

Seit 2015 setzt sich der Musiker mit seinem Verein Friedensgesellschaft Musik statt Krieg e.V. für ein friedliches Miteinander ein. Immer wieder trat Eisbrenner bei Friedensdemonstrationen auf, unter anderem bei Veranstaltungen, die von der DKP organisiert wurden. Die DKP wird vom Verfassungsschutz beobachtet und als linksextremistisch eingestuft.

Bisher hat sich Tino Eisbrenner öffentlich nicht zu seiner Teilnahme geäußert. Am 1. Mai, wenn das große Finale stattfindet, wird er erneut auf den Bildschirmen des russischen Staatsfernsehens zu sehen sein.

QOSHE - DDR-Musiker als Jurymitglied im Kreml: „In Deutschland haben wir darin wenig Tradition“ - Sophie-Marie Schulz
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DDR-Musiker als Jurymitglied im Kreml: „In Deutschland haben wir darin wenig Tradition“

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30.04.2024

Während russische Soldaten die ukrainische Stadt Odessa bombardieren, findet in Moskau das diesjährige internationale Musikfestival „Dorogna na Jalta“ (auf Deutsch „Weg nach Jalta“) im Kreml statt. Eines der Jurymitglieder ist der deutsche Musiker und Liedermacher Tino Eisbrenner. Mit seiner Band Jessica feierte er in der DDR einen Erfolg nach dem anderen. Mittlerweile ist es still um ihn geworden.

Es ist nicht das erste Mal, dass Eisbrenner am Festival teilnimmt. Letztes Jahr stand er selbst auf der Bühne und holte mit seiner Interpretation des Antikriegsliedes „Kraninche“ den zweiten Platz. Am vergangenen Sonntag bewertete er zusammen mit weiteren – ausschließlich russischen Jurykollegen – die Gesangsbeiträge von 16 Wettbewerbsteilnehmern aus 15 Ländern, die im Halbfinale gegeneinander antraten.

Seit 2019 findet das Festival jährlich statt. Auf der Website des Festivals wird die Ausrichtung der Veranstaltung so........

© Berliner Zeitung


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