Es ist eine höchst ungewöhnliche Frage, mit der dieses Interview beginnt. Aber im Fall der Pet Shop Boys doch sehr berechtigt. „Warum mussten wir nach London kommen, um Sie zu treffen?“, will der geschätzte Spiegel-Kollege Andreas Borcholte von den Pet Shop Boys wissen. Denn: Eigentlich haben die beiden doch noch eine Wohnung in Berlin. Warum also extra von Berlin nach London jetten, um übers neue Album „Nonetheless“ (zu Deutsch: nichtsdestotrotz) zu sprechen?

Tatsächlich, so erfahren wir, waren Neil Tennant und Chris Lowe aber schon seit Ende 2022 nicht mehr in ihrer Berliner Wohnung, die sie sich einst in Mitte gegönnt haben, da sie ein bisschen neidisch auf die Wohnung ihres Kumpels Wolfgang Tillmans waren, für die er „praktisch nichts“ (O-Ton Multimillionär Neil Tennant) bezahlt habe. So waren die Pet-Shop-Boys-Alben „Electric“ (2013), „Super“ (2016), aber allen voran das in den Berliner Hansa-Studios entstandene Album „Hotspot“ heftig von Berlin geprägt. Da fahren sie in den Liedtexten sogar U1; und der Lyrik-Videoclip zur Single „Dreamland“ enthält Impressionen von der U-Bahn-Station Alexanderplatz.

Die beiden Pet Shop Boys haben also etwas zu erzählen über Berlin. Und das tun sie dann im Spiegel-Interview auch; zum Beispiel, warum sie in den letzten Jahren weniger hier waren: Corona. „Es gab in Berlin total strenge Corona-Regeln“, moniert Keyboarder Chris Lowe. „Und wir haben ständig die falschen Masken getragen. Ich hatte so ein schickes Teil von Adidas, aber wenn du dann zu den Türsteher-Kids gekommen bist, wurdest du weggeschickt: ‚Nein, falsch, holen Sie sich bitte die richtige Maske!‘“

Die Deutschen seien zu streng, pflichtet ihm Pet-Shop-Boys-Sänger Neil Tennant bei, verspricht aber ein Wiedersehen: „Unsere Berlin-Phase ist noch nicht vorbei. Wir werden wiederkommen, das nächste Mal bei unserer Tournee im Sommer.“ Heißt im Umkehrschluss aber auch: Vor ihrem Auftritt in der Uber-Arena am 6. Juli stehen die Chancen eher schlecht, die beiden zufällig in der U1 oder im Berghain zu treffen.

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Obwohl: „Ach, jetzt kriege ich wirklich Heimweh nach Berlin“, gesteht Tennant dann doch im Laufes des Gesprächs. Lowe erzählt, wie sie anno 1987 erstmals nach Berlin kamen – um David Bowie vor dem Reichstag zu erleben. Auch vom Osten waren die beiden damals fasziniert: „Das Erste, was wir gemacht haben, war natürlich, über den Checkpoint Charlie nach Ost-Berlin zu fahren“, erzählt Lowe, „weil es wie das Unglaublichste schien, was man tun konnte. Es war ein Samstagnachmittag, und es war menschenleer am Alexanderplatz. Dieser Kontrast zum Westen war wirklich beeindruckend.“

Berlin in der Gegenwart sehen die beiden Pet Shop Boys gewissermaßen auch als Kontrapunkt zu London, wo es unter jungen Leuten gerade sehr populär sei, keinen Alkohol zu trinken. „Das haben wir in Berlin anders erlebt“, berichtet Chris Lowe. „Wann immer wir ins Berghain gegangen sind, und wir waren ziemlich oft dort, gingen wir erst am Sonntagnachmittag.“

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Doch die Pet Shop Boys hingen nicht nur gerne in den offensichtlich coolen, sondern auch in den vermeintlich uncoolen Orten sehr gerne ab. Zum Beispiel in der inzwischen geschlossenen Wilmersdorfer Schwulen-Kneipe Harlekin: „Wir mochten immer jene Läden, die wir ‚tragische alte Bars‘ genannt haben“, verrät Sänger Neil Tennant. „Wir waren gerne im Harlekin, dort gab es die obszönsten Dinge, eine Pierrot-Figur und eine riesige Peniskerze. Viele Vintage-Schwule gingen dorthin. Und sie spielten immer Schlagermusik.“ Der Song „The Schlager Hit Parade“ auf der neuen Platte erinnert dran. Wilmersdorf lässt grüßen!

Wenn die beiden so über Berlin plaudern, klingt es manchmal so, als würden Großstadtjungs von der Provinz schwärmen: „In Wahrheit ist Berlin immer noch ein einziger großer Wald“, sagt Lowe. „Ein großer Wald, in den jemand Häuser hineingeworfen hat“, ergänzt Neil Tennant. Davon können sie in London eben doch nur träumen.

QOSHE - Pet Shop Boys im Interview: „In Berlin haben wir ständig die falschen Corona-Masken getragen“ - Stefan Hochgesand
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Pet Shop Boys im Interview: „In Berlin haben wir ständig die falschen Corona-Masken getragen“

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24.04.2024

Es ist eine höchst ungewöhnliche Frage, mit der dieses Interview beginnt. Aber im Fall der Pet Shop Boys doch sehr berechtigt. „Warum mussten wir nach London kommen, um Sie zu treffen?“, will der geschätzte Spiegel-Kollege Andreas Borcholte von den Pet Shop Boys wissen. Denn: Eigentlich haben die beiden doch noch eine Wohnung in Berlin. Warum also extra von Berlin nach London jetten, um übers neue Album „Nonetheless“ (zu Deutsch: nichtsdestotrotz) zu sprechen?

Tatsächlich, so erfahren wir, waren Neil Tennant und Chris Lowe aber schon seit Ende 2022 nicht mehr in ihrer Berliner Wohnung, die sie sich einst in Mitte gegönnt haben, da sie ein bisschen neidisch auf die Wohnung ihres Kumpels Wolfgang Tillmans waren, für die er „praktisch nichts“ (O-Ton Multimillionär Neil Tennant) bezahlt habe. So waren die Pet-Shop-Boys-Alben „Electric“ (2013), „Super“ (2016), aber allen voran das in den Berliner Hansa-Studios entstandene Album „Hotspot“ heftig von Berlin geprägt. Da fahren sie in den Liedtexten sogar U1; und der Lyrik-Videoclip zur........

© Berliner Zeitung


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