Über Geld wird nur ungern gesprochen. Aber warum eigentlich? Der Redaktion ist kein guter Grund eingefallen. Der Finanzfragebogen soll deswegen Licht ins Dunkel der Berliner Gehaltstabellen bringen. Wie viel verdienen Berliner? Wo liegen ihre Prioritäten beim Geldausgeben und woran sparen sie angesichts der steigenden Preise am ehesten?

Andreas ist 34 Jahre alt und arbeitet im Kundenservice. Er kommt mit seinem Gehalt sorglos über die Runden, hat aber keine größeren Rücklagen. Vom Spenden hält er nicht viel.

Was ist Ihr Beruf?

Ich arbeite im Callcenter. Ich mag die Jobbezeichnung Customer Service Agent lieber. Das klingt schöner. Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden mit meinem Job, vor allem wegen meines tollen Teams. Mich stört allerdings die Kommunikation in vielen Bereichen, vor allem aus der Chefetage. Wir im Kundenservice federn dann immer ab, wenn etwas schiefgeht.

Wie viel arbeiten Sie?

Ich arbeite von 8.30 Uhr bis 17 Uhr. Es gibt einen Ausgleichstag, wenn man samstags arbeitet. Das passiert an einem Samstag im Monat. Ich habe 25 Tage Urlaub, das könnte mehr sein, aber ist für mich in Ordnung. Ich habe es bisher nicht geschafft, alle Urlaubstage zu nutzen. Nach der Arbeit bin ich dann auch nicht mehr erreichbar. Ich möchte danach abschalten und nicht mal mehr an die Arbeit denken. Wenn man sich einlullen lässt, macht das einen kaputt.

Wie viel verdienen Sie?

Ich verdiene 2300 Euro brutto, das ergibt 1632 Euro netto. Ich bekomme zusätzlich eine Provision. Die variiert, pendelt sich aber meistens zwischen 200 und 250 Euro ein.

Wie hoch sind Ihre laufenden Kosten?

Geschätzt sind das etwa 650 Euro. Davon sind 480 Euro Miete, der Rest teilt sich auf Strom, Internet und Abonnements wie Netflix oder Disney+ auf.

30.04.2024

•gestern

30.04.2024

Wie und wo wohnen Sie?

In Wedding, aber wir können Mitte sagen, das hört sich hipper an (lacht). Ich wohne mit meiner Mutter in einer Zweizimmer-Altbauwohnung auf 70 Quadratmetern. Meine Mutter bewohnt ein Zimmer und ich das andere. Als es vor einigen Jahren mit meiner Ex auseinandergegangen ist, war ich verschuldet. Ich hatte nichts mehr, also wirklich gar nichts. Dann bin ich vorübergehend bei meiner Mutter eingezogen. Und aus „vorübergehend“ wurden dann sieben Jahre.

Es ist wirklich sehr schwer, in Berlin eine Wohnung zu finden. Mittlerweile muss man viel Geld haben – oder Kontakte. Ich möchte gern in Mitte bleiben. Und ich will nicht gleichzeitig 50 Prozent meines Gehaltes für meine Miete ausgeben. Es ist schon Luxus, in Berlin zu einem Besichtigungstermin eingeladen zu werden. Ich suche und werde auch eingeladen, aber es hat bisher einfach nicht funktioniert.

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Wie beeinflussen Sie die steigenden Preise beim Einkauf?

Was früher für einen ganzen Einkaufswagen gereicht hat, füllt heute einen halben. Vor der Inflation bin ich mit dem Geld natürlich deutlich besser ausgekommen. Ich bin noch nicht in der Not, irgendwo zurückzustecken oder zu verzichten, aber man gönnt sich weniger als vorher.

Wie legen Sie Ihr Geld an?

Ich lege mein Geld nicht an. Das, was am Ende des Monats auf dem Girokonto ist, nehme ich mit in den nächsten Monat.

Wie viel bleibt am Ende vom Monat?

Das ist immer unterschiedlich. So 100 Euro vielleicht, manchmal aber auch nur ein Fünfer.

Was gönnen Sie sich trotz Inflation? Wo liegen Ihre Prioritäten?

Meine Sucht – meinen Nikotinkonsum. Da könnte man auch gut Geld sparen. Ich gebe für meine Zigaretten im Monat etwa 150 Euro aus. Ich stopfe, so ist das günstiger als vorher.

Wie viel geben Sie für Hobbys und Urlaube aus?

Ich gebe viel Geld für Unterhaltung aus: Mit Freunden weggehen, mal ins Kino – und ich bin Gamer. Einmal im Jahr ist die Gamescom eigentlich gesetzt, das hat im letzten Jahr rund 680 Euro für eine Woche gekostet, in diesem Jahr sind es 930 Euro. Wahrscheinlich gehen für meine Hobbys pro Monat etwa 200 bis 300 Euro drauf. In den Urlaub fahre ich eigentlich nie. Im letzten Jahr war ich zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wieder im Ausland.

Wofür spenden Sie?

Es spenden nur Idioten. Es kommt sowieso nur ein Bruchteil dort an. Deshalb bin ich, was das Thema betrifft, sehr verhalten. Menschen sind schlecht, wenn es hart auf hart kommt, rettet man sich immer selbst. Man ist zum Schluss ja doch egoistisch.

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Wie kontrollieren Sie Ihre Ausgaben?

Ich schaue einmal die Woche auf mein Girokonto. Und überlege regelmäßig, ob etwas in den Rahmen passt. So setze ich mir zumindest gedanklich Limits, was ich ausgeben kann und was nicht drin ist.

Haben Sie Überlebensstrategien, falls es mal nicht reicht?

Ich habe eigentlich keinen Notfallplan, wenn alle Stricke reißen. Das Geld reicht zwar noch, aber wenn alles noch teurer wird, muss ich auf Dinge verzichten. So weit ist es noch nicht.

Als ich länger krank war, war mein Notfallplan: wieder arbeiten. Gerade bin ich in Bewerbungsgesprächen. Ich habe einen kleinen Sohn und habe das Ziel, ihm alles zu ermöglichen, was er sich wünscht. Ich möchte meinem Kind etwas bieten können.

Sind auch Sie überzeugt davon, dass wir mehr über Geld reden müssen? Die Redaktion sucht weitere Gesprächspartner für den Finanzfragebogen. Melden Sie sich unter leser-blz@berlinerverlag.com.

QOSHE - Andreas, 34, Callcenter-Mitarbeiter: „In den Urlaub fahre ich eigentlich nie“ - Stella Tringali
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Andreas, 34, Callcenter-Mitarbeiter: „In den Urlaub fahre ich eigentlich nie“

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02.05.2024

Über Geld wird nur ungern gesprochen. Aber warum eigentlich? Der Redaktion ist kein guter Grund eingefallen. Der Finanzfragebogen soll deswegen Licht ins Dunkel der Berliner Gehaltstabellen bringen. Wie viel verdienen Berliner? Wo liegen ihre Prioritäten beim Geldausgeben und woran sparen sie angesichts der steigenden Preise am ehesten?

Andreas ist 34 Jahre alt und arbeitet im Kundenservice. Er kommt mit seinem Gehalt sorglos über die Runden, hat aber keine größeren Rücklagen. Vom Spenden hält er nicht viel.

Was ist Ihr Beruf?

Ich arbeite im Callcenter. Ich mag die Jobbezeichnung Customer Service Agent lieber. Das klingt schöner. Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden mit meinem Job, vor allem wegen meines tollen Teams. Mich stört allerdings die Kommunikation in vielen Bereichen, vor allem aus der Chefetage. Wir im Kundenservice federn dann immer ab, wenn etwas schiefgeht.

Wie viel arbeiten Sie?

Ich arbeite von 8.30 Uhr bis 17 Uhr. Es gibt einen Ausgleichstag, wenn man samstags arbeitet. Das passiert an einem Samstag im Monat. Ich habe 25 Tage Urlaub, das könnte mehr sein, aber ist für mich in Ordnung. Ich habe es bisher nicht geschafft, alle Urlaubstage zu nutzen. Nach der Arbeit bin ich dann auch nicht mehr erreichbar. Ich möchte danach abschalten und nicht mal mehr an die Arbeit denken. Wenn man sich einlullen lässt, macht das einen kaputt.

Wie viel verdienen Sie?

Ich........

© Berliner Zeitung


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