„Our world is on fire – use your voice“ – am Freitagmorgen hat die Berliner Ortsgruppe der Organisation Fridays for Future mit einem 60 Quadratmeter großen Schriftzug auf der Marschallbrücke zur Beteiligung an den EU-Parlamentswahlen aufgerufen. Polizisten haben das Gebiet abgesperrt. Im Regen findet eine Pressekonferenz mit Wissenschaftlern und Luisa Neubauer statt. Passanten reagieren überwiegend positiv auf die Kunstaktion der Jugendlichen.

„Das Thema ist wichtig“, sagt eine Touristin vom Niederrhein, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie ist für vier Tage in Berlin und durch Zufall auf die Aktion aufmerksam geworden. Kurz bleibt sie stehen und holt ihr Smartphone aus der Brusttasche, um ein Foto zu machen. „Das Klima ist wichtig und die Aktion tut ja niemandem weh. Ich finde es gut, solange sie nicht auf der Straße kleben“.

Ein Mann mit Glatze bleibt stehen und schüttelt den Kopf. Als die Berliner Zeitung ihn nach seiner Meinung zu der Aktion fragen möchte, winkt er ab. „Ich sage dazu nichts“. Trotz des regnerischen Wetters finden sich auch externe Unterstützer. Ein 25-jähriger Student, der ebenfalls lieber anonym bleiben möchte, steht am Brückengeländer und beobachtet das Treiben. „Ich bin solidarisch hier“, sagt er. Er sei nicht in der Gruppe organisiert, aber er lebe trotzdem klimabewusst. „Vielen ist die Gewaltigkeit der Klima-Auswirkungen nicht klar.“

Ein paar Meter weiter steht Mechthild, die wahrscheinlich anders heißt, und hält eine bunte Europa-Flagge in die Höhe. Sie arbeitet in der wissenschaftlichen Politikberatung „um die Ecke“ und habe sich eine Stunde freigenommen, um zu unterstützen. „Europa ist bunt. Und Europa ist das, was uns zusammenhält.“

Die Farbe zerfließt, es wird gepinselt, gewischt, das Wasser vom Schriftzug gekehrt. Das Wetter stellt der Kunstaktion einige Hürden. Die Klima-Aktivisten lassen sich davon nicht beirren. „Etwa 50 Personen malen mit“, schätzt Pressesprecherin Darya Sotoodeh. Zwei Moderatoren, die den Duracell-Hasen geradezu kraftlos aussehen lassen würden, führen durch den Vormittag und tanzen ungehemmt im Regen. Dazu gibt es Musik-Acts, wie Hitzefrei oder Lio J. „Hurra, diese Welt geht unter“ der Band K.I.Z tönt aus den Lautsprechern. Interessierte Passanten wippen im Takt oder bleiben stehen, um zuzusehen.

gestern

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•vor 4 Std.

Auf der „Bühne“ sprechen drei Schülerinnen über ihre Sorgen um Klima und Demokratie. Mit zittriger Stimme fragt eine Schülerin, wofür sie lernen müsse, wenn sie sowieso keine Zukunft habe. „Das Hinauszögern der Maßnahmen gefährdet mein Leben“, ruft sie in das Mikrofon. „Und das alles nur, weil die Regierung nicht in die Potten kommt!“

Frieda Egeling, eine von drei Pressesprecherinnen, erklärt, warum sich die Bewegung gegen eine große Massenmobilisierung entschieden habe, um auf die EU-Parlamentswahl aufmerksam zu machen: „Wir wollen heute der Wissenschaft eine Plattform geben.“ Durch ein faktenbasiertes und schnelles Handeln sei es möglich, Rechtsruck in Europa entgegenzutreten.

Hungern fürs Klima: „Olaf Scholz will mich verrecken lassen“

•gestern

Jetzt mit der BVG: Mit wem streikt Luisa Neubauer eigentlich nicht?

04.03.2024

Für Fridays for Future war es der Start ihrer Kampagne für die Europawahl im Juni, die die Bewegung als „Klimawahl“ bezeichnet. Bei einer Pressekonferenz wird ein langer Tisch im Regen aufgestellt. Auf dem weißen Tuch, das über den Tisch gelegt wird, steht: United behind the Science. Luisa Neubauer, Gesicht der deutschen Fridays-for-Future-Bewegung, moderiert die Pressekonferenz. Vier Wissenschaftler sind eingeladen. „Wir haben eingeladen zu einer Art Intervention“, sagt Neubauer. Demokratie und Klima lägen eng beieinander, sagt sie.

„Die Physik sagt: Wir brauchen Null-Emissionen“: Prof. Dr. Anders Levermann ist theoretischer Physiker am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Er weist darauf hin, dass die Temperatur im vergangenen Jahr nach oben geschnellt sei. Ökonomin Claudia Kemfert sagt, dass Deutschland das Ziel nie auf die im Pariser Klimaabkommen festgelegten 1,5 Grad festgelegt habe. Auf die Hungerstreikenden am Kanzleramt angesprochen, antwortet sie, man sei solidarisch mit den Zielen, die Form des Streiks sehe man jedoch mit Sorge. „Wir fordern nicht, dass Menschen sich in Gefahr begeben.“

Global werde das CO₂-Budget überschritten. Laut dem Energiewende-Experten Pao-Yu Oei dürfe jedoch die Struktur- und Sozialpolitik nicht vergessen werden. „Das ist vor allem für Gegenden in Europa wichtig, die von Armut betroffen sind“. Der Demokratieforscher Matthias Quendt warnt vor einem Rechtsruck: „Nationalismus ist keine Lösung“. Es sei „jetzt nötiger mehr denn je in der Nachkriegszeit“, ein Zeichen zu setzen.

Für Freitag, den 31. Mai, ruft Fridays for Future Deutschland außerdem zu einem Klimastreik anlässlich der Europawahl am 9. Juni auf. An diesem Tag soll es in deutschen Städten zu weiteren Aktionen kommen.

QOSHE - Fridays for Future: „Ich finde es gut, solange sie nicht auf der Straße kleben“ - Stella Tringali
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Fridays for Future: „Ich finde es gut, solange sie nicht auf der Straße kleben“

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19.04.2024

„Our world is on fire – use your voice“ – am Freitagmorgen hat die Berliner Ortsgruppe der Organisation Fridays for Future mit einem 60 Quadratmeter großen Schriftzug auf der Marschallbrücke zur Beteiligung an den EU-Parlamentswahlen aufgerufen. Polizisten haben das Gebiet abgesperrt. Im Regen findet eine Pressekonferenz mit Wissenschaftlern und Luisa Neubauer statt. Passanten reagieren überwiegend positiv auf die Kunstaktion der Jugendlichen.

„Das Thema ist wichtig“, sagt eine Touristin vom Niederrhein, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie ist für vier Tage in Berlin und durch Zufall auf die Aktion aufmerksam geworden. Kurz bleibt sie stehen und holt ihr Smartphone aus der Brusttasche, um ein Foto zu machen. „Das Klima ist wichtig und die Aktion tut ja niemandem weh. Ich finde es gut, solange sie nicht auf der Straße kleben“.

Ein Mann mit Glatze bleibt stehen und schüttelt den Kopf. Als die Berliner Zeitung ihn nach seiner Meinung zu der Aktion fragen möchte, winkt er ab. „Ich sage dazu nichts“. Trotz des regnerischen Wetters finden sich auch externe Unterstützer. Ein 25-jähriger Student, der ebenfalls lieber anonym bleiben möchte, steht am Brückengeländer und beobachtet das Treiben. „Ich bin solidarisch........

© Berliner Zeitung


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