In der letzten Zeit kam es zu mehreren Angriffen auf Wahlkäprinnen und Wahlkämpfer. Nun haben sich die deutschen Innenminister in einer Sondersitzung für eine Verschärfung des Strafrechts ausgesprochen, um Politiker besser vor Angriffen zu schützen. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz

Bild von Tumisu auf Pixabay

Wie stets, wenn es zu einer Zunahme bestimmter Straftaten kommt, fordern die Innenminister, aber auch andere Politiker, eine Verschärfung des Strafrechts. Das ist in der Vergangenheit auch schon oft genug gemacht worden, hat aber irgendwie nichts gebracht.

Dass eine Verschärfung des Strafrechts in der Regel die Kriminalität aber gar nicht eindämmt, scheint den Politikern nicht aufgefallen zu sein.

Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser fordert ein „ganz deutliches Stoppsignal“. Ja fein. Aber wie soll das aussehen?

Es ist ja nicht so, dass Körperverletzungen nicht unter Strafe stünen.

Schauen wir uns das mal im Einzelnen an:

Zunächst die einfache Körperverletzung, also z.B. eine Ohrfeige oder ein Tritt gegen das Schienbein.

§ 223 Körperverletzung
(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.

Bis zu fünf Jahre kann man dafür also ins Gefängnis gehen. Das ist ja kein Pappenstiel Und das ist ja nur die einfache Körpervverltzung. Schaun wir mal weiter:

§ 224 Gefährliche Körperverletzung
(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung

begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.

Da fängt der Strafrahmen also mit 6 Monaten Minimum an und endet erst bei 10 Jahren.

Ja und dann gibt es auch noch die schwere Körperverletzung.

§ 226 Schwere Körperverletzung
(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person

1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,

so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Hier haben wie eine Mindeststrafe von 1 Jahr, wenn die Folge absichtlich oder wissentlich verursacht wurde von 3 Jahren und eine Höchststrafe von 10 Jahren.

Über die innerhalb des Strafrahmens liegende tatsächliche Strafe, muss dann das Gericht entscheiden.

Nun ist es ja nichts Neues, dass Politiker immer wieder nach härteren Strafen rufen. Aus unerfindlichen Gründen kommt das bei großen Teilen der Bevölkerung auch immer wieder gut an.

Dabei verhindern höhere Strafen nachweislich nur im Bereich der Verkehrsdelikte Taten, wenn auch meist nur Ordnungswidrigkeiten. Denn da denken immerhin viele Menschen daran, dass sie hohe Bußgelder bezahlen müssen, wenn sie zu schnell unterwegs sind und dass der Lappen schnell weg ist, wenn sie betrunken oder bekifft Auto fahren.

Bei Körperverletzungsdelikten ist das aber nicht der Fall. Ich bin seit nunmehr 37 Jahren Strafverteidiger, aber noch nie hat mir ein Schläger gesagt, er hätte von der Tat abgesehen, wenn die zu erwartenden Strafe höher gewesen wäre. Gewaltausbrüche sind in aller Regel spontan. Und da denkt der gemeine Schläger eben nicht daran, wie hoch eventuell die Strafe sein wird, wenn man ihn erwischt. Die ist dem herzlich egal. Wäre das anders, müssten Länder mit wahnsinnig hohen Strafen, wiue z.B. die USA, wo man auch schon mal ein paar hundert Jahre bekommen kann, ja völlig Kriminalitätsfrei sein. Selbst die Todesstrafe hat eben entgegen landläufiger Meinung keine Kriminalitätsminderung zur Folge. Im Gegenteil. Wenn man weiß, dass es eh die Todesstrfae gibt, kommt es auf eine Tat weniger oder mehr auch nicht mehr an.

Strafen müssen so gestrickt sein, dass der Täter nach deren Verbüßung möglichst nicht mehr straffällig wird. Durch bloßen Frieheitsentzug ist allerdings da nicht viel zu erreichen. Das Zauberwort heißt Therapie. Eine Bewährungsstrafe gepaart mit einem Antiaggressionstraining bewirkt im Zweifel mehr, als ein stupides Wegsperren. Aber das kostet Geld. Und Geld gibt man für die Justiz nicht so gerne aus, wie die Erfahrung zeigt.

Unabhängig davon weiß ich nicht, warum Körperverletzungen gegen Wahlkämpfer und Wahlkämpferinnen nun ein höheres Unrecht darstellen sollen, als z.B. solche gegen Rettungssanitäter, Polizisten oder auch Obdachlose. Sind die gleicher als gleich?

Das bestehende Strafrecht bilde die Bedrohung für Amts- und Mandatsträger, aber auch für Ehrenamtliche „nicht mehr hinreichend ab“, sagte der CDU-Politiker und Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen. Was soll das bedeuten? Ist die körperliche Unversehrtheit von Amts- und Mandatsträgern eine andere als die von Erika Mustermann?

Ja, solche Taten sind ein Ärgernis und man sollte alles dafür tun, dass sie minimiert werden. Nun erhalten allerdings gerade Amts- und Mandatsträger häufiger Schutz als andere Menschen. Als mir ein Gegner in einer Familiensache einmal den Satz entgegen schleuderte, „Sie haben mir meinen Sohn genommen, ich werde Ihnen Ihre Kinder nehmen.“ bot die Polizei mir lediglich an, zweimal am Tag an meinem Haus vorbeizufahren. An einen Schutz meiner Kinder z.B. auf dem Schulweg, war nicht zu denken. Wie denn auch? Personalmangel. Dabei kannte man die Gefährlichkeit des Drohenden.

Stoppsignale

Wenn Stoppsignale gesetzt werden sollen, dann nehmt endlich einmal Geld in die Hand und verstärkt Polizei und Justiz, damit jedem Schläger klar wird, dass man ihn erwischen und in kurzer Zeit auch aus dem Verkehr ziehen wird. Stoppsignale gibt es nicht zum Nulltarif, Dummlaber schon. Ansonsten ist das wieder nur das übliche Geplärre vor den Wahlen. Danach wird wieder weiter gepennt. Strafen, gerade bei jüngeren Menschen, funktionieren nur, wenn sie auf dem Fuße erfolgen. Lange Verfahren führen dazu, dass ein Großteil der Zeugen sich nur noch rudimentär erinnert und Schuldige freigesprochen werden müssen. Das freut mich dann zwar als Verteidiger, als Bürger finde ich das aber ziemlich Kacke.

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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Gewalt im Wahlkampf

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11.05.2024

In der letzten Zeit kam es zu mehreren Angriffen auf Wahlkäprinnen und Wahlkämpfer. Nun haben sich die deutschen Innenminister in einer Sondersitzung für eine Verschärfung des Strafrechts ausgesprochen, um Politiker besser vor Angriffen zu schützen. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz

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Wie stets, wenn es zu einer Zunahme bestimmter Straftaten kommt, fordern die Innenminister, aber auch andere Politiker, eine Verschärfung des Strafrechts. Das ist in der Vergangenheit auch schon oft genug gemacht worden, hat aber irgendwie nichts gebracht.

Dass eine Verschärfung des Strafrechts in der Regel die Kriminalität aber gar nicht eindämmt, scheint den Politikern nicht aufgefallen zu sein.

Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser fordert ein „ganz deutliches Stoppsignal“. Ja fein. Aber wie soll das aussehen?

Es ist ja nicht so, dass Körperverletzungen nicht unter Strafe stünen.

Schauen wir uns das mal im Einzelnen an:

Zunächst die einfache Körperverletzung, also z.B. eine Ohrfeige oder ein Tritt gegen das Schienbein.

§ 223 Körperverletzung
(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.

Bis zu fünf Jahre kann man dafür also ins Gefängnis gehen. Das ist ja kein Pappenstiel Und das ist ja nur die einfache Körpervverltzung. Schaun wir mal weiter:

§ 224 Gefährliche Körperverletzung
(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung

begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis........

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