Natürlich sind da die vielen Tore in den letzten Spielminuten, mit denen Bayer Leverkusen vor allem in der jüngeren Vergangenheit für Furore gesorgt hat. Das ist für viele reine Magie oder einfach nur Glück, allerdings gibt es doch auch rationale Gründe.

Eine Mannschaft, die so überlegen aufspielt und eine Kombinationsmaschine anwirft, die einfach nicht nachlässt, spielt ihren Gegner, je länger die Partie dauert, irgendwann auch so müde, dass die Konzentration nachlässt. In besseren Bayern-Zeiten hat das der damalige Münchner Manager nach solchen Spielen, wenn sich jemand traute, Bayern-Dusel zu sagen, in jedes Mikrofon förmlich gebellt: „Das ist kein Glück!“

Es gibt aber etwas anderes, für das man Bayer Leverkusen in dieser Saison bewundern muss. Sie sind längst deutscher Meister geworden, und sie haben nun noch ein paar Ziele vor sich – das Pokalfinale, das Endspiel in der Europa League. Es wäre also erklärbar, wenn der ein oder andere es in der Bundesliga im Hinterkopf etwas ruhiger angeht, allein schon, um sich in der Endphase ja nicht zu verletzen.

Und Trainer Xabi Alonso dreht Woche für Woche kräftig die Rotationstrommel – und nichts passiert. Leverkusen spielt immer wie Leverkusen, und das so überzeugend, dass man wie vor einer Woche in Frankfurt den Eindruck bekommen kann, es sei völlig egal, wen Alonso in die Startelf beruft.

Das geht aber auch anders, und das zeigen die letzten Spieltagen fast jeder Saison, wenn es für die einen noch um alles, für die anderen aber nur noch um einen guten Eindruck geht. Das funktioniert aber häufig nicht, und jeder Fußballspieler, ob in der höchsten oder in der untersten Liga hat diese Erfahrung im Verlauf seines Sportlerlebens schon gemacht: Verlass dich nicht auf andere, sonst bist du verlassen!

Der Vorwurf heißt dann immer Wettbewerbsverzerrung – und das Wort-Ungetüm klingt schon wie eine böse Verletzung. Dass die Dortmunder ihre Leistung in Mainz „einfach schade“ fanden, wird in Köln und Berlin vielleicht nicht so gut ankommen, weil die Bitte um Entschuldigung möglicherweise passender gewesen wäre. Und egal, wie sauer jemand sei, er könne nicht so sauer sein wie er selber, fand Borussen-Trainer Edin Terzic, und auch diesen Satz sollte er vielleicht noch mal überdenken, wenn er sich in die Gefühlslage der Kollegen hineindenkt.

Die werden aber im Zweifel wegen der alten Fußball-Weisheit gar nicht mal so sauer auf ihn sein – nicht nur der Pokal, auch die letzten Spieltage haben schließlich immer ihre eigenen Gesetze. Das der BVB nach dem Kraftakt von Paris ein fast komplett neues Team in Mainz spielen ließ, ist dabei völlig nachvollziehbar.

Im besten Fall wäre es so gekommen, dass alle ihrem Trainer hätten zeigen wollen, dass sie im Finale der Champions League auf jeden Fall in der Startelf stehen sollten oder mindestens der erste Einwechselkandidat sind. Heraus kam allerdings das komplette Gegenteil – der Abstiegskampf machte den Mainzern Beine, sie liefen sieben Kilometer mehr.

Es geht natürlich auch anders, und wer sollte das besser wissen als Borussia Dortmund nach der verpassten Meisterchance im vergangenen Jahr gegen – ausgerechnet Mainz. Auch der Finalgegner Real Madrid tauschte seine Mannschaft am Samstag aus. Und gewann 4:0 in Granada.

QOSHE - Die letzten Spieltage haben ihre eigenen Gesetze - Peter Penders
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Die letzten Spieltage haben ihre eigenen Gesetze

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12.05.2024

Natürlich sind da die vielen Tore in den letzten Spielminuten, mit denen Bayer Leverkusen vor allem in der jüngeren Vergangenheit für Furore gesorgt hat. Das ist für viele reine Magie oder einfach nur Glück, allerdings gibt es doch auch rationale Gründe.

Eine Mannschaft, die so überlegen aufspielt und eine Kombinationsmaschine anwirft, die einfach nicht nachlässt, spielt ihren Gegner, je länger die Partie dauert, irgendwann auch so müde, dass die Konzentration nachlässt. In besseren Bayern-Zeiten hat das der damalige Münchner Manager nach solchen Spielen, wenn sich jemand traute, Bayern-Dusel zu sagen, in jedes Mikrofon förmlich gebellt: „Das ist kein Glück!“

Es gibt aber etwas anderes, für das man Bayer Leverkusen in dieser Saison bewundern muss. Sie sind längst deutscher Meister geworden,........

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