Im aktuellen Bericht des Weltklimarats IPCC geht es erstmals auch darum, wie sich die Erderwärmung und ihre merklichen sowie bei nicht ausreichendem Handeln zu erwartenden Folgen auf die Psyche auswirken. Spürbar nämlich, in Form von Angst, Stress, Ohnmachtsgefühlen. Nicht Eingang fand die mentale Verfasstheit derjenigen, die seit über fünfzig Jahren Daten von zunehmender Präzision und Dramatik ermitteln und Politik und Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, ohne dass daraus das nötige Handeln folgte.

Klimawissenschaftler sind inzwischen Kommunikatoren, deren Präsenz in Talkshows und sozialen Medien auch dem Letzten klargemacht hat, dass der Kampf gegen die Erderwärmung nicht eine Frage des Wissens, sondern der Umsetzung ist. Die eigene Frustration darüber, dass bei der Arbeitsteilung ein Part seiner Aufgabe ungenügend nachkommt, war bislang eher nicht Teil der Kommunikationsstrategie.

Die britische Tageszeitung „The Guardian“ hat nun die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, die ahnen lässt, dass hinter den nüchternen Wissenschaftler-Gesichtern nicht selten ein Ran­dall Mindy steckt: der Astronom aus der Klimakatastrophen-Parabel „Don’t look up“, aus dem vor laufenden Fernsehkameras ein „Wir werden alle sterben!“ herausbricht, weil die Menschheit die Gefahr durch einen heranrasenden Kometen nicht erkennen will.

Der „Guardian“, der Klimaberichterstattung zur Priorität erklärt hat, befragte alle 843 Autoren der seit 2018 erschienenen IPCC-Berichte nach ihrer Prognose für das Ausmaß der Erderwärmung und nach ihren Gefühlen die Zukunft betreffend. Fast die Hälfte, 380, antwortete. 77 Prozent sagen eine globale Erwärmung um mindestens 2,5 Grad voraus, was kein Alarmismus ist, sondern eine Berücksichtigung der aktuellen weltweiten Klimapolitik in den Modellierungen. Nur sechs Prozent halten die als Zielmarke formulierten 1,5 Grad Erwärmung – einst gewählt, weil die damit verbundenen Veränderungen auf dem Planeten noch als einigermaßen tolerabel gelten – für einhaltbar.

„Zahlreiche“ Wissenschaftler beschreiben laut „Guardian“, dass sie wütend und frustriert, hoffnungslos und angsterfüllt seien. Man kann sagen, dass es nicht ihr Job ist, ihre Gefühle mit der Welt zu teilen. Es ist aber auch nicht ihr Job, durch das unermüdliche Referieren von Handlungsoptionen einen Optimismus zu transportieren, der ihnen abhandengekommen ist. Verzweiflung verträgt sich außerdem gut mit schwarzem Humor.

In England sind in den sozialen Medien gerade Filmclips sehr erfolgreich, in denen Comedians Wissenschaftler-Aussagen „übersetzen“. „Die Klimakrise schreitet viel schneller voran als angenommen“, sagt ein Erdsystemwissenschaftler, darauf die Komikerin Jo Brand: „Wir fahren immer noch zur Hölle, nur schneller.“

QOSHE - Der Frust der Klimawissenschaftler - Petra Ahne
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Der Frust der Klimawissenschaftler

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10.05.2024

Im aktuellen Bericht des Weltklimarats IPCC geht es erstmals auch darum, wie sich die Erderwärmung und ihre merklichen sowie bei nicht ausreichendem Handeln zu erwartenden Folgen auf die Psyche auswirken. Spürbar nämlich, in Form von Angst, Stress, Ohnmachtsgefühlen. Nicht Eingang fand die mentale Verfasstheit derjenigen, die seit über fünfzig Jahren Daten von zunehmender Präzision und Dramatik ermitteln und Politik und Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, ohne dass daraus das nötige Handeln folgte.

Klimawissenschaftler sind inzwischen Kommunikatoren, deren Präsenz in Talkshows und sozialen Medien auch dem Letzten klargemacht hat, dass der Kampf gegen die Erderwärmung nicht eine........

© Frankfurter Allgemeine


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