In Zeiten zunehmender Gottlosigkeit ist es wichtig, daran zu erinnern, dass der Mensch fehlbar ist und es Höheres gibt. Wenn das Grundgesetz gleich zu Beginn von der Verantwortung vor Gott und den Menschen spricht, dann steht das nicht nur Parteien gut zu Gesicht, die sich christlich nennen. Es ist eine Absage an jede Form totalitärer Herrschaft. Auch Religion kann sich hierzulande nur im Rahmen des Grundgesetzes entfalten. Das Gewaltmonopol hat der demokratische Rechtsstaat. Wer Menschen aufgrund ihres Bekenntnisses oder ihrer Parteizugehörigkeit zusammenschlägt, der handelt ebenso gottlos wie außerhalb unserer Grundordnung. Politische Gegner, auch Extremisten und Verfassungsfeinde, sind kein Freiwild.

Das ist für manche offenbar schwer zu verstehen, aber gerade hier liegt der Unterschied zu einem gottlosen Regime wie dem in Moskau, das keine Gnade auch gegenüber seinen eigenen Bürgern kennt, sie gezielt als Kanonenfutter verheizt und kritische Stimmen für immer zum Schweigen bringt. Putins Verachtung für die internationale Ordnung und die Menschenrechte darf nicht hingenommen werden. Das Grundgesetz als Gegenentwurf zur totalitären Herrschaft verpflichtet dazu, nach innen wie nach außen. Es stünde jeder politischen Partei gut zu Gesicht, jenseits der üblichen tagesaktuellen Reflexe das Fundament unserer Ordnung stärker hervorzuheben. Niemandem darf das Existenzrecht abgesprochen werden. Die Meinung und die Weltanschauung sind frei. Aber Freiheit kann sich nur unter der Berücksichtigung der Rechte der anderen entfalten. Auch der noch nicht Geborenen.

Durch die Erwähnung Gottes wird klar, dass die freiheitliche Ordnung in die Zukunft blickt und auch eine Zukunft hat. Sie ist kein Gottesstaat und schließt niemanden per se aus. Die Erwähnung Gottes und die Vergegenwärtigung dieser Instanz sind gewinnbringender als in Routine erstarrte Parolen und Pseudo-Demokratieförderung.

QOSHE - Zeichen in gottlosen Zeiten - Reinhard Müller
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Zeichen in gottlosen Zeiten

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09.05.2024

In Zeiten zunehmender Gottlosigkeit ist es wichtig, daran zu erinnern, dass der Mensch fehlbar ist und es Höheres gibt. Wenn das Grundgesetz gleich zu Beginn von der Verantwortung vor Gott und den Menschen spricht, dann steht das nicht nur Parteien gut zu Gesicht, die sich christlich nennen. Es ist eine Absage an jede Form totalitärer Herrschaft. Auch Religion kann sich hierzulande nur im Rahmen des Grundgesetzes entfalten. Das Gewaltmonopol hat der demokratische Rechtsstaat.........

© Frankfurter Allgemeine


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