Mit einer Israel-Flagge in der Hand tanzt Nik Jafarzadeh gut gelaunt bei den israelischen Volkstänzen mit. »Das funktioniert auch prima mit der Fahne«, sagt er schmunzelnd. Für ihn sei es eine Selbstverständlichkeit und große Freude, den Israeltag zu besuchen. Seit Jahren komme er mit seinen iranischen Freunden zum Wittenbergplatz, um den Israeltag zu feiern. »Juden und Iraner sind gute Freunde – wir sollten mehr zusammenarbeiten«, sagt Jafarzadeh, der die Organisation Iranische Parlamentarische Monarchie in Deutschland gegründet hat, die sich für Freiheit und Menschenrechte im Iran einsetzt.

An diesem Freitagnachmittag besuchen etwa 900 Gemeindemitglieder und Interessierte den Israeltag, der von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin und Brandenburg organisiert wird. Die Polizei zeigt starke Präsenz, dazu kommen noch private Sicherheitsmitarbeiter. Es gibt keine Vorfälle.

Auch Benita Schwertfeger tanzt ausgelassen mit. Sie ist extra aus Greifswald angereist. Das rote Shirt mit der Aufschrift »Run for their Lives« ist gerade noch rechtzeitig am Tag zuvor bei ihr angekommen, nun kombiniert sie es mit der Israelfahne, die sie sich wie einen Rock umgebunden hat. »Selbstverständlich stehe ich zu Israel«, sagt sie. Deshalb organisiere sie in Greifswald auch Mahnwachen, auf denen sie schon einmal angepöbelt worden sei. »Aber ich mache weiter«, so die überzeugte Christin.

Franz Joachim Marske kann nicht anders, er hält den ganzen Nachmittag das gerahmte Foto der vierköpfigen Familie Bibas, die alle Geiseln sind, hoch. »Ich bin von deren Schicksal so berührt, dass ich immer wieder darauf aufmerksam machen möchte«, meint er. Die Familie Bibas wurde bekannt, weil Baby Kfir die jüngste Geisel sein dürfte und er und sein Bruder mit ihren roten Haaren einen eigenen Charme haben.

Solidarität mit den Geiseln lautet auch das Motto des Israeltags. Eröffnet wird die Veranstaltung von Jochen Feilcke, dem Vorsitzenden der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin und Brandenburg. »Es ist ein Tag, an dem wir uns nett unterhalten wollen, aber auch unsere Verbundenheit mit den Geiseln zeigen möchten und dafür beten, dass sie wieder frei kommen«, sagt Jochen Feilcke. 210 Tage waren es an diesem Freitag seit dem »bestialischen Überfall der Hamas«. Die nun einsetzende Umkehrung vom Opfer zum Täter sei pervers, kritisiert Feilcke.

An einem der Stände kann jeder eine Nachricht an die Geiseln schreiben.

Cornelia Seibeld, Präsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, betont, dass die Bedrohung durch Antisemitismus immer größer werde und immer mehr Vorfälle gezählt werden. Aber an diesem Nachmittag soll das Feiern im Mittelpunkt steht. Und jeder könne sich vergewissern, wie wichtig die Freundschaft zwischen Israel und Deutschland sei.

Der israelische Botschafter Ron Prosor meint, dass die Welt verrückt geworden sei. »Was nicht sagbar war, wird nun sagbar.« Universitäten würden für Juden zu No-Go-Areas, und es werde zur Vernichtung Israels aufgerufen. Er möchte in Erinnerung rufen, wie wichtig es sei, den einzigen jüdischen Staat zu verteidigen, damit es einen sicheren Hafen für alle Jüdinnen und Juden in der Welt geben kann. »Wir müssen höllisch aufpassen, dass uns die Situation nicht entgleitet.«

Heute könne man nicht wegschauen, sondern müsse handeln. Der Gazastreifen müsse von der Hamas befreit und die Strukturen der Terrororganisation beseitigt werden. »Daran arbeiten wir Tag und Nacht.« Es dürfe nie wieder eine Gefahr von dort für Israel ausgehen. »Wir brauchen alle demokratischen Kräfte.«

Mit den Spenden sollen die Familien in Israel unterstützt werden.

Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, macht darauf aufmerksam, dass die Israel- und die Deutschland-Flagge auf dem Platz gehisst waren. »Sie stehen für Freiheit.« Nach den Grußworten, deren Sprecher von einer abgeschirmten Bühne reden, heizt Boris Rosenthal musikalisch ein.

Schließlich wird getanzt, Kinder spielen auf der Wiese, viele Besucher treffen alte Bekannte wieder, vertiefen sich in Gespräche und lassen es sich schmecken.

Mehrere Stände sind den Geiseln gewidmet. An einem kann jeder eine eigene Nachricht an sie richten – auch wenn sie diese Schreiben wahrscheinlich nie erreichen werden. »Wir denken an euch«, steht da in geschwungenen Buchstaben, auf einem anderen Papierstreifen »Haltet durch«. An einem Stand gibt es Basilikum- und Tomatenpflanzen zu erwerben – gegen eine Spende, mit der die Familien der Geiseln unterstützt werden sollen.

Etliche Institutionen wie die Jüdische Volkshochschule, Aktion Sühnezeichen, Mitzva e.V. haben ihre Stände mit Info-Material bestückt, und Mitarbeiter stehen für Gespräche bereit. Einer von ihnen ist Reinhard Naumann, ehemaliger Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf und evangelischer Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

»Ich möchte meine Solidarität und Verbundenheit mit Land und Leuten zeigen«, sagt er, während er anderen Postkarten mit Aufschriften wie »Knowing Jew Better« oder »Let’s talk« in die Hand drückt. »Ich freue mich über jeden, der da war«, sagt Jochen Feilcke. Es gebe Menschen, die sich derzeit nicht trauen, so eine Veranstaltung zu besuchen. »Die Atmosphäre war sehr gut, das Wetter spielte mit – wir sind rundum zufrieden.« Am Abend sind sowohl Falafel als auch Hummus ausverkauft.

QOSHE - Magnet Israeltag - Bettina Piper
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Magnet Israeltag

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10.05.2024

Mit einer Israel-Flagge in der Hand tanzt Nik Jafarzadeh gut gelaunt bei den israelischen Volkstänzen mit. »Das funktioniert auch prima mit der Fahne«, sagt er schmunzelnd. Für ihn sei es eine Selbstverständlichkeit und große Freude, den Israeltag zu besuchen. Seit Jahren komme er mit seinen iranischen Freunden zum Wittenbergplatz, um den Israeltag zu feiern. »Juden und Iraner sind gute Freunde – wir sollten mehr zusammenarbeiten«, sagt Jafarzadeh, der die Organisation Iranische Parlamentarische Monarchie in Deutschland gegründet hat, die sich für Freiheit und Menschenrechte im Iran einsetzt.

An diesem Freitagnachmittag besuchen etwa 900 Gemeindemitglieder und Interessierte den Israeltag, der von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin und Brandenburg organisiert wird. Die Polizei zeigt starke Präsenz, dazu kommen noch private Sicherheitsmitarbeiter. Es gibt keine Vorfälle.

Auch Benita Schwertfeger tanzt ausgelassen mit. Sie ist extra aus Greifswald angereist. Das rote Shirt mit der Aufschrift »Run for their Lives« ist gerade noch rechtzeitig am Tag zuvor bei ihr angekommen, nun kombiniert sie es mit der Israelfahne, die sie sich wie einen Rock umgebunden hat. »Selbstverständlich stehe ich zu Israel«, sagt sie. Deshalb organisiere sie in Greifswald auch Mahnwachen, auf denen sie schon einmal angepöbelt worden sei. »Aber ich........

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