Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Auf der Suche nach Gesprächspartnern: Entwicklungsministerin Svenja Schulze in Kiew (9.5.2024)

Es wäre lächerlich, wenn es nicht einen so ernsten Hintergrund hätte und nicht der deutsche Steuerzahler für so vieles davon bezahlen müsste: der am Donnerstag begonnene Propagandabesuch von Entwicklungsministerin Svenja Schulze in Kiew. Kaum war sie da, musste sie feststellen, dass ihr ukrainischer Gesprächspartner, Wiederaufbauminister Oleksander Kubrakow, gerade eben vom Parlament entlassen worden war. Offizielle Begründungen dafür gab es nicht, aber am selben Tag wurde auch Kubrakows Kabinettskollege im Landwirtschaftsressort, Mykola Solskyj, gefeuert – wegen des Verdachts, sich am Verkauf staatlichen Ackerlands bereichert zu haben. Das Gespenst der Korruption, gegen die Kubrakow laut Schulze so wacker gekämpft haben soll, geht also weiter um in Kiew. Gegen Kubrakow gab es in den letzten Monaten Vorwürfe, er habe nicht genug Geld für die regionale Entwicklung lockergemacht – im ukrainischen Kontext bedeutet das im Klartext, er habe den regionalen Eliten nicht genug Stoff zur eigenen Bereicherung durchgereicht.

Da stand Schulze dann in Kiew wie bestellt und nicht abgeholt – und mit einer vom scheidenden Kubrakow geschenkten Kette mit Friedenstaube um den Hals. Es blieb ihr nichts übrig, als einen Zuschussbescheid über 45 Millionen Euro von der Kreditanstalt für den Wiederaufbau (KfW) für das ukrainische Energienetz dazulassen. Auch in Berlin glaubt offenbar niemand mehr daran, dass Kiew irgendeinen Euro wird zurückzahlen können. Ist der Bundesregierung offenbar auch egal. Zumal es auf der Hand liegt, dass eine Reparatur des Stromnetzes aktuell nicht der Beleuchtung von Wohnungen dient, sondern der ukrainischen Kriegsanstrengung. Ohne Strom dreht sich keine Drehbank und kein Radarschirm, fährt keine Lokomotive Granaten an die Front. Schulze weiß das: Russland dürfe den Krieg um die ukrainische Energieversorgung nicht gewinnen, sagte sie. Dummerweise gilt auch: Ein weiterer russischer Raketenschlag auf die mit KfW-Geld frisch reparierten Stromnetze, und die 45 Millionen sind weg. Ohne vorherigen Waffenstillstand ist Schulzes Geld buchstäblich auf den Kopf gehauen.

Aber die Bundesregierung setzt andere Prioritäten. Am selben Tag, an dem Schulze ihren Scheck in Kiew aus der Handtasche zog, legte ihr Kabinettskollege Boris Pistorius in Washington einen »höheren zweistelligen Millionenbetrag« für Munition für die US-Raketenwerfer »Himars« auf den Tisch – eine Angriffswaffe. Aus Liebe zur Ukraine und ihrem »Freiheitskampf« rücken die USA nichts mehr raus.

Derweilen tat Wolodimir Selenskij das, was er am besten kann: theatralisch daherreden. Die Ukraine habe »verdient«, schleunigst in die EU aufgenommen zu werden. Dies nutze auch der EU, und zwar nicht nur geopolitisch. Sondern? Wirtschaftlich etwa? Milliarden in Fässer ohne Boden zu kippen, das kann »Europa« auch so.

QOSHE - Von hinten aufgezäumt - Reinhard Lauterbach
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Von hinten aufgezäumt

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10.05.2024

Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Auf der Suche nach Gesprächspartnern: Entwicklungsministerin Svenja Schulze in Kiew (9.5.2024)

Es wäre lächerlich, wenn es nicht einen so ernsten Hintergrund hätte und nicht der deutsche Steuerzahler für so vieles davon bezahlen müsste: der am Donnerstag begonnene Propagandabesuch von Entwicklungsministerin Svenja Schulze in Kiew. Kaum war sie da, musste sie feststellen, dass ihr ukrainischer Gesprächspartner, Wiederaufbauminister Oleksander Kubrakow, gerade eben vom Parlament entlassen worden war. Offizielle Begründungen dafür gab es nicht, aber am selben Tag wurde auch Kubrakows Kabinettskollege im Landwirtschaftsressort, Mykola Solskyj, gefeuert – wegen des Verdachts, sich am Verkauf........

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