Wien-Neubau ist, was man einen Bobo-Bezirk nennt. Viele Lokale, kleine Geschäfte, eine bunte Kreativszene. Die Menschen haben einen hohen Bildungsabschluss und ein gutes Einkommen. Und mit Markus Reiter einen grünen Bezirksvorsteher mit modischer Hornbrille. Ein bisschen urban, ein bisschen bürgerlich – und einen Hang zur Selbstdarstellung.

47,8 Prozent der Stimmen gewann Reiter mit den Grünen bei den vergangenen Bezirks-Wahlen. Das ist beachtlich, die Partei scheitert für gewöhnlich an der 15-Prozent-Hürde. Doch Reiter sorgt vor, damit es auch so bleibt. Koste es, was es wolle. Er lässt sich selbst bewerben – und gibt dafür viel Steuergeld aus.

561.100 Euro an Steuergeldern sind im Bezirksbudget 2024 für Information und Öffentlichkeitsarbeit vorgesehen – bei einem Gesamt-Budget von 4,2 Millionen Euro. Kein anderer Bezirk gibt so viel Geld für diesen Bereich aus. Das kleine Neubau investiert dreimal so viel wie Wiens größter Bezirk Donaustadt und viermal so viel wie der gleich große Bezirksnachbar Josefstadt.

Rechnet man die Zahl im Verhältnis zu den Einwohner:innen wird es noch deutlicher: Die Donaustadt gibt dafür 80 Cent pro Kopf aus, die Josefstadt 5,4 Euro pro Kopf. Im 7. Bezirk Neubau sind es 17,8 Euro pro Kopf (siehe Grafik).

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Laut Stadtverfassung dürfen die Budgetmittel für Information und Öffentlichkeitsarbeit nur für bezirkseigene Werbung ausgegeben werden. Für Markus Reiter gibt es jedoch eine Bedingung, wie er im Gespräch mit der WZ erklärt: „Ich muss schon vorkommen.“ Und er kommt oft vor.

„Ein besseres Mikroklima für Neubau“, verspricht Reiters Konterfei auf der Rückseite eines schmalen Heftchens, das eine neue Begegnungszone ankündigt. „Kommt und erlebt, wer im 7. Bezirk für euch coole Aktionen für warme Sommertage anbietet“, verkündet er in einem Programmheft für Kinder. „Gerne können Sie mich auch am Handy anrufen“, bietet er in einem Flyer an.

Dabei waren es die Grünen, die jahrelang ein Verbot von Politiker:innen-Abbildungen gefordert haben. Geschenkt. Das Verbot gilt bei entgeltlichen Werbeeinschaltungen, jedoch nur auf Bundesebene. Bezirksvorsteher:innen sind davon nicht betroffen.

Kein Projekt wird ausgelassen, jede Möglichkeit wird genutzt, um zu werben. Neubau trägt die Titel Fair-Trade-Bezirk, Kulturbezirk, Umweltfreundlicher Bezirk, Kinder- und Jugendbezirk sowie Menschenrechtsbezirk. „Wir leben in einer Zeit von großen gesellschaftlichen Verwerfungen und Umbrüchen“, schreibt der Bezirksvorsteher vielsagend in einer Postwurfsendung an alle Haushalte in Neubau.

Neubau ist nicht der einzige Menschenrechtsbezirk in Wien. Doch er ist jener Bezirk, der dafür 45.000 Euro für Werbung ausgibt. Dahinter folgt Alsergrund mit 2.400 Euro, die Josefstadt budgetiert 100 Euro. „Das Projekt kann nur über dieses Budget finanziert werden“, sagt Reiter der WZ. Warum die anderen Bezirke weniger ausgeben, kann er sich nicht erklären.

Das Neubauer Bezirksbudget für 2024 wurde – neben den Stimmen der Grünen – auch mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Linke beschlossen. Reiter betont: „Wir gehen gemeinsame Wege mit den anderen Parteien und mit der Bevölkerung.“

Christina Schlosser, Bezirksobfrau der ÖVP Neubau, sieht das jedoch anders. „Miteinander heißt gemeinsam öffentlich auftreten. Das passiert aber nicht“, sagt sie. „Das Werbebudget dient einzig und allein der PR für den Bezirksvorsteher. Er kann darüber frei verfügen.“

Bezirke dürfen auch mehr ausgeben, als das Budget vorsieht. Das trifft vor allem dann zu, wenn Straßen umgebaut oder Klimaschutzmaßnahmen gesetzt werden. Die zusätzlichen Kosten werden am Ende des Jahres von der Stadt, vom Bund oder auch von der EU refundiert. Die Ausgaben für Information und Öffentlichkeitsarbeit können jedoch nicht rückerstattet werden.

„Das Geld fehlt an anderer Stelle“, sagt Schlosser. Sie verweist etwa auf den Kinderspielplatz beim Karl-Farkas-Park, der „verschlampt“, weil es keine finanziellen Mittel dafür gibt. „Auch der Siebensternpark bräuchte dringend eine Beleuchtung.“

Warum hat die ÖVP dem Bezirksbudget zugestimmt? „Wir können nicht bei den einzelnen Ausgaben mitbestimmen, sondern nur über das gesamte Bezirks-Budget abstimmen“, sagt sie. „Es ist daher ein Kompromiss. Zwei Drittel der geplanten Ausgaben, etwa für Schulen und für die Gestaltung des Öffentlichen Raums, finden wir richtig. Deshalb haben wir zugestimmt.“

Die Neos haben gegen das gesamte Budget gestimmt. „Der Schuldenrucksack ist zu groß“, sagt Julia Deutsch, Bezirksobfrau der Neos Neubau. „Uns fehlt der Wille oder zumindest der Versuch, nachhaltig einzusparen.“

„Partizipation kommt nicht von selbst, da muss man investieren“, sagt Markus Reiter. „Wir wollen, dass die Menschen abgeholt werden und mitgehen.“ Er erzählt über die Neugestaltung der Bernardgasse. Alle 145 Parkplätze kamen weg. Bei einer Umfrage stimmten 87 Prozent der Anrainer:innen für den Umbau.

Doch Reiter will mehr. „Wir lassen auch die Autobesitzer:innen nicht allein“, sagt er. „Deshalb entwickelten wir mit einem Verkehrsplanungsbüro eine Mobilitätsberatung “, sagt er. Wieder fließen mehrere Tausend Euro an Steuergeldern in Werbung, wieder kann sich Reiter präsentieren.

Innerhalb der Grünen gibt es Stimmen, die Reiter als künftigen grünen Wien-Chef sehen. Der erste Versuch als Nachfolger von Parteichefin Birgit Hebein scheiterte vor ein paar Jahren. Bereitet Reiter einen weiteren Versuch vor? Er winkt ab: „Ich trete wieder als Bezirksvorsteher von Neubau an“, sagt er.

Bis zur kommenden Wien-Wahl 2025 plant er eine Standortmarke für den 7. Bezirk. So wie das grüne Herz der Steiermark. Ende April soll die Marke präsentiert werden. Wie genau diese Marke aussehen wird, verrät er nicht. Nur so viel: „Das wird nicht billig.“

Und es wird seine Marke mitstärken.

QOSHE - Das goldene Lächeln des grünen Bezirksvorstehers  - Bernd Vasari
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Das goldene Lächeln des grünen Bezirksvorstehers 

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13.03.2024

Wien-Neubau ist, was man einen Bobo-Bezirk nennt. Viele Lokale, kleine Geschäfte, eine bunte Kreativszene. Die Menschen haben einen hohen Bildungsabschluss und ein gutes Einkommen. Und mit Markus Reiter einen grünen Bezirksvorsteher mit modischer Hornbrille. Ein bisschen urban, ein bisschen bürgerlich – und einen Hang zur Selbstdarstellung.

47,8 Prozent der Stimmen gewann Reiter mit den Grünen bei den vergangenen Bezirks-Wahlen. Das ist beachtlich, die Partei scheitert für gewöhnlich an der 15-Prozent-Hürde. Doch Reiter sorgt vor, damit es auch so bleibt. Koste es, was es wolle. Er lässt sich selbst bewerben – und gibt dafür viel Steuergeld aus.

561.100 Euro an Steuergeldern sind im Bezirksbudget 2024 für Information und Öffentlichkeitsarbeit vorgesehen – bei einem Gesamt-Budget von 4,2 Millionen Euro. Kein anderer Bezirk gibt so viel Geld für diesen Bereich aus. Das kleine Neubau investiert dreimal so viel wie Wiens größter Bezirk Donaustadt und viermal so viel wie der gleich große Bezirksnachbar Josefstadt.

Rechnet man die Zahl im Verhältnis zu den Einwohner:innen wird es noch deutlicher: Die Donaustadt gibt dafür 80 Cent pro Kopf aus, die Josefstadt 5,4 Euro pro Kopf. Im 7. Bezirk Neubau sind es 17,8 Euro pro Kopf (siehe Grafik).

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Laut Stadtverfassung dürfen die Budgetmittel für Information und Öffentlichkeitsarbeit nur für bezirkseigene Werbung ausgegeben werden.........

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