Kleingärtner:innen lieben Rasen. Sie hegen und pflegen, düngen und jäten ihn. Er ist ihr ganzer Stolz. Auch im Kleingartenverein (KGV) Himmelteich in der Wiener Donaustadt ist das so. Hinter Thujen-Hecken rollen sich akkurat getrimmte Grünteppiche aus.

Doch die Rasen-Liebe geht nicht weit. Vor dem Gartenzaun schlägt sie in Vandalismus um. Dort vernichten Kleingärter:innen im Frühjahr 2022 eine Wiese entlang ihrer Anlage und rufen sie zum Parkplatz aus. Sträucher werden entwurzelt, Grasnarben abgetragen, Erde geschottert – und es wird eine Ladestationen für E-Autos aufgehängt. Kein Grashalm wagt sich durch den verdichteten Boden. Das braune Gerippe einer toten Fichte erinnert an die verlorene Flora.

Das Problem – Grund und Boden des neuen Parkplatzes gehören weder den Kleingärtner:innen noch dem Kleingartenverein, sondern allen. Im Grundbuch ist der etwa 300 Quadratmeter große Bereich als öffentliches Gut ausgewiesen. Die Mitglieder des KGV haben eine kommunale Grünfläche auf eigene Faust planiert – ohne offizielle Genehmigung von Bezirk oder Stadt.

Konsequenzen hat das bisher keine. Obwohl die Bezirksvertretung seit mindestens eineinhalb Jahren davon weiß, blieb die Eigeninitiative bisher ungestraft. Ein Porsche Cayenne parkt hinter einem Volkswagen, der hinter einem Mercedes parkt. Neben den Autos hängt ein Zettel am Gartenzaun: „Die Flächen wurden privat hergestellt, finanziert und werden sauber gehalten. Wir bitten Sie höflichst, diese Flächen für die Parzellen freizuhalten“, steht da. Und dann die Parzellen-Nummern von 13 Bewohner:innen.

Der Newsletter mit den guten Nachrichten: Kleine Geschichten über Fortschritte und Erfolg.

Einer von ihnen ist Wilhelm Wohatschek. Wohatschek ist nicht irgendein Kleingärtner. Er ist der oberste Kleingärtner des Landes. Als Präsident des Zentralverbandes der Kleingärtner ist er Herr über rund 14.000 Parzellen im Besitz der Stadt Wien. Wohatschek ist ein mächtiger Mann. Er habe „schon vielen Politikern und anderen Menschen geholfen, einen Garten zu bekommen“, wie seine Tochter Sylvia Wohatschek der Wochenzeitung Falter im Jahr 2021 sagte. Seit mehr als 40 Jahren genießt Wohatschek die Ruhe im Donaustädter Kleingarten Himmelteich.

Wir wollten von Wohatschek wissen, warum ihm ein Parkplatz wichtiger ist als öffentlicher Grünraum. „Das war nie ein Grünstreifen, das war seit 40 Jahren ein Gatsch“, sagt er. Sie hätten die Fläche planiert, um Parkmöglichkeiten für Besucher:innen zu schaffen. Treibende Kraft sei er keine gewesen. Er habe lediglich 250 Euro zur Umgestaltung beigetragen. Ob es eine Genehmigung gab, wisse er nicht. Ob es eine Aufforderung des Bezirks gab, die Schotterung rückgängig zu machen, auch nicht. „Bei mir hat sich niemand gemeldet und es ist mir im Prinzip auch egal“, sagt er.

Die Frage, die Wohatschek egal ist, ist erheblich. Denn der Präsident des Zentralverbandes der Kleingärtner hat einen guten Draht zu Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (SPÖ). 2020 hatten die beiden Männer geschäftlich die Ehre. Damals verkaufte der Zentralverband Nevrivy einen Kleingarten. Nur zwei Kilometer Luftlinie von Wohatscheks Residenz bekam Nevrivy ein idyllisches Stück Land am Schotterteich Krcalgrube. Wenige Monate danach widmete die Stadt das neue Grundstück um – und verdoppelte seinen Wert. Nun beschäftigt der Deal die Staatsanwaltschaft. Sie ermittelt wegen Amtsmissbrauch gegen Nevrivy. Es geht um Umwidmungsgewinn durch Insiderwissen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Nimmt der Bezirksvorsteher nun Rücksicht auf seinen ehemaligen Geschäftspartner, wie manche Kleingärtner:innen munkeln? Nevrivy winkt ab. „Wer in der Kleingartenanlage wohnt, weiß ich nicht“, lässt er über eine Sprecherin ausrichten. In einem Artikel der Kronen Zeitung vom August 2022 bezeichnet Nevrivy die Versiegelung als „illegal”. Seither habe er die zuständige MA 28 (Straßenverwaltung und Straßenbau) schon zweimal darauf aufmerksam gemacht, dass der rechtskonforme Zustand wieder herzustellen sei.

Die MA 28 bestätigt die Aussage gegenüber der WZ. Die per E-Mail erfolgte Aufforderung Nevrivys will uns die Magistratsmitteilung nicht zukommen lassen. Auch Nevrivy will den „Stadt-Wien-internen Schriftverkehr“ nicht freigeben, wie uns seine Sprecherin wissen lässt.

Fest steht – passiert ist nichts. Seit mindestens 20 Monaten parken die Autos unbehelligt am Schotterband. Wieso die MA 28 nicht intervenierte, erklärt die Abteilung mit dem hohen Arbeitspensum im Magistrat. „Bei der Fülle und dem großen Umfang unserer Aufgaben kann es schon passieren, dass manche ein wenig länger dauern“, schreibt uns die Pressestelle lapidar. Doch unsere Recherchen haben sie aufgeweckt: „Die MA 28 wird selbstverständlich dafür sorgen, dass die Verantwortlichen die Aneignung der öffentlichen Fläche rückgängig machen und die Fläche auf ihre Kosten wieder herstellen.“

An wen die Aufforderung zum Rückbau gehen wird, ist ungewiss. Der KGV Himmelteich will mit der Planierung der Grünfläche nichts zu tun gehabt haben. „Die betroffene Fläche ist außerhalb unserer Anlage“, sagt Obmann Franz Eliska. „Das ist Sache einzelner Mitglieder.” Dem widerspricht einer der 13 Bewohner:innen, die den Bau des Parkplatzes finanzierten. Er will anonym bleiben. Der Verein sei in die Pläne aktiv eingebunden gewesen. Er selbst habe nur dafür gezahlt. „Die Initiative ging von unserem Obmann auf Wunsch einzelner Mitglieder aus”, sagt er. Welche Mitglieder das waren, wisse er nicht. Ob der Bezirksvorsteher Bescheid wusste, auch nicht.

„Seit dem Artikel in der Kronen Zeitung war es zum Glück still und der Bezirksvorsteher weiß ohnehin Bescheid“, sagt Obmann Eliska. „Hoffentlich bleibt das so. Schließlich brauchen wir hier Parkplätze. Viele Bewohner sind alt und auf Pflegerinnen angewiesen. Die müssen auch irgendwo parken.“ Bisher habe sich der Bezirk bei ihm nicht über den Parkplatz beschwert, sagt er.

Ganz im Gegenteil. Laut Bezirksvorstehung will Nevrivy den Kleingärtner:innen vom Himmelteich nun legal helfen. Er habe Eliska zugesichert, „dass die zuständige Fachdienststelle gerade dabei ist, alle Straßen im Bezirk zu überprüfen und dahingehend zu optimieren, dass legale Parkplätze zur Verfügung stehen“, heißt es aus der Pressestelle der Bezirksvertretung Donaustadt.

Nevrivy setzt sich für Parkplätze für die Kleingärtner:innen ein. Eigentlich ist der KGV Himmelteich gut an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen. Im Minutentakt fährt der Bus zur eineinhalb Kilometer entfernten U-Bahn-Station Aspern-Nord. Am Zentralparkplatz der Anlage steht jeder Parzelle außerdem ein legaler, nummerierter Autostellplatz zur Verfügung. Zu wenig, finden viele Bewohner:innen.

Und so haben sie eine Wiese planiert. In ihren Gärten gedeiht der Rasen hingegen prächtig. Hier rollen sich saftige Grünteppiche aus. Statussymbole hinterm Gartenzaun. Vor dem Gartenzaun musste der Rasen weichen, zugunsten eines anderen Statussymbols – dem Auto.

Michael Ortner und Matthias Winterer deckten vergangenen September Nevrivys Kleingarten-Deal in der Wiener Donaustadt auf. Der Zentralverband der Kleingärtner verkaufte dem Donaustädter Bezirksvorsteher günstig ein Grundstück am Badeteich. Wenige Monate später verdoppelte sich der Wert der Parzelle durch eine Umwidmung der Stadt Wien. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Nevrivy. Obmann des Zentralverbands ist Wilhelm Wohatschek. Nun hat ein anonymer Hinweis beide Namen erneut in Zusammenhang gebracht – unsere Redakteure gingen dem nach.

Bezirksvorstehung Donaustadt

Wilhelm Wohatschek, Präsident des Zentralverbandes der Kleingärtner und Siedler Österreichs

Erwin Forster, Stabstellenleiter Öffentlichkeitsarbeit, MA 28, Straßenverwaltung und Straßenbau

Franz Eliska, Obmann Kleingartenverein Himmelteich

Heidi Sequenz, Die Grünen, Landtagsabgeordnete Wien

Bewohner:innen der Kleingartenanlage Himmelteich in der Donaustadt

Der Kleingartenverein Himmelteich mit 162 Parzellen wurde 1971 gegründet. In ganz Wien gibt es knapp 36.000 Kleingarten-Parzellen. Die Donaustadt hat mit 329 Hektar die größte Kleingartenfläche. Wilhelm Wohatschek ist seit 1987 Präsident des Zentralverbands der Kleingärtner und Siedler Österreichs. Er wohnt seit mehr als 40 Jahren im Sommer im KGV Himmelteich.

Grundbuch

Vereinsregister

Kronen Zeitung: „55.000 Siedlern drohen Strafzettelorgien!“

Falter: Klein, aber mein

Der vergoldete Kleingarten des Bezirksvorstehers

Der rote Schrebergarten-Cluster

Kronen Zeitung: „55.000 Siedlern drohen Strafzettelorgien!“

Falter: Klein, aber mein

Die Presse: Im Himmelreich am Himmelteich

QOSHE - Der planierte Grünstreifen in Wien-Donaustadt - Michael Ortner
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Der planierte Grünstreifen in Wien-Donaustadt

24 29
25.04.2024

Kleingärtner:innen lieben Rasen. Sie hegen und pflegen, düngen und jäten ihn. Er ist ihr ganzer Stolz. Auch im Kleingartenverein (KGV) Himmelteich in der Wiener Donaustadt ist das so. Hinter Thujen-Hecken rollen sich akkurat getrimmte Grünteppiche aus.

Doch die Rasen-Liebe geht nicht weit. Vor dem Gartenzaun schlägt sie in Vandalismus um. Dort vernichten Kleingärter:innen im Frühjahr 2022 eine Wiese entlang ihrer Anlage und rufen sie zum Parkplatz aus. Sträucher werden entwurzelt, Grasnarben abgetragen, Erde geschottert – und es wird eine Ladestationen für E-Autos aufgehängt. Kein Grashalm wagt sich durch den verdichteten Boden. Das braune Gerippe einer toten Fichte erinnert an die verlorene Flora.

Das Problem – Grund und Boden des neuen Parkplatzes gehören weder den Kleingärtner:innen noch dem Kleingartenverein, sondern allen. Im Grundbuch ist der etwa 300 Quadratmeter große Bereich als öffentliches Gut ausgewiesen. Die Mitglieder des KGV haben eine kommunale Grünfläche auf eigene Faust planiert – ohne offizielle Genehmigung von Bezirk oder Stadt.

Konsequenzen hat das bisher keine. Obwohl die Bezirksvertretung seit mindestens eineinhalb Jahren davon weiß, blieb die Eigeninitiative bisher ungestraft. Ein Porsche Cayenne parkt hinter einem Volkswagen, der hinter einem Mercedes parkt. Neben den Autos hängt ein Zettel am Gartenzaun: „Die Flächen wurden privat hergestellt, finanziert und werden sauber gehalten. Wir bitten Sie höflichst, diese Flächen für die Parzellen freizuhalten“, steht da. Und dann die Parzellen-Nummern von 13 Bewohner:innen.

Der Newsletter mit den guten Nachrichten: Kleine Geschichten über Fortschritte und Erfolg.

Einer von ihnen ist Wilhelm Wohatschek. Wohatschek ist nicht irgendein Kleingärtner. Er ist der oberste Kleingärtner des Landes. Als Präsident des Zentralverbandes der Kleingärtner ist er Herr über rund 14.000 Parzellen im Besitz der Stadt Wien. Wohatschek ist ein mächtiger Mann. Er habe „schon vielen Politikern und anderen Menschen geholfen, einen Garten zu bekommen“, wie seine Tochter Sylvia Wohatschek der Wochenzeitung Falter im Jahr 2021 sagte. Seit mehr als 40 Jahren genießt Wohatschek die Ruhe im........

© Wiener Zeitung


Get it on Google Play