Die Landesregierung verweigert eine klare Stellungnahme für oder gegen eine Landesausstellung.

Vier Initiativen arbeiten an Projekten für eine Landesausstellung. Seit Jahren und mit erheblichem Aufwand. Die Ansätze sind so unterschiedlich wie die Trägerschaften und der Reifegrad ihrer Projekte. «Muntagna» soll in den Bergen spielen, «Svizra27» in der Nordwestschweiz, «Nexpo» in den Städten und «X27» entgrenzt von konkretem Ort und konkreter Zeit. Alle arbeiten ohne obrigkeitlichen Auftrag und damit auf eigenes Risiko.

Die Zahl, die sich in zwei der Projektnamen versteckt, zeigt, auf wann die Landesausstellung in der Vorstellung konzipiert wird: 2027. Doch nach bundesrätlicher Zeitrechnung ist frühestens realistisch: 2037. Nur lassen sich Expo-Projekte nicht über ein Jahrzehnt konservieren. Die vier Initiativen arbeiten deshalb vorsätzlich für das Landesarchiv der unrealisierten Projekte.

Die Budgetlage der Schweiz sei derart angespannt, dass die Regierung vor 2028 keinen Entscheid treffen könne, ob sich die Schweiz eine Expo leisten könne. Diese Botschaft ist nicht neu und wird im neuen, 40-seitigen Bericht der Landesregierung über die Rahmenbedingungen für eine Landesausstellung damit lediglich wiederholt. Doch was der Bericht zum Ausdruck bringt, ist die maximale Verunsicherung, wie mit einer Expo umzugehen sei – es ist der Nachhall zur traumatischen Erfahrung mit der Expo.02, die alle Finanzvorgaben sprengte.

Nichts hatte bei der Organisation der Expo am Anfang des Jahrtausends funktioniert; weder das Management noch das Zusammenspiel von Staat und Wirtschaft, noch die Finanzierung. Doch die Expo.02 hat stattgefunden und war nicht nur ein Publikumserfolg, sondern auch inhaltlich durchaus ein treffendes Zeitdokument. Allerdings zu einem Preis, der jeder Good Governance spottet und der Bund letztlich vom Budget von 1,6 Milliarden einen Betrag von 920 Millionen zu schultern hatte.

Aus lauter Furcht, die Fehler vor mehr als zwanzig Jahren zu wiederholen, stellt der Bundesrat «Rahmenbedingungen», die eine zermürbende Hängepartie postulieren: Zum einen begrüsst er eine neue Landesausstellung, da sie angeblich «einen wichtigen Beitrag zur Kohäsion des Landes» zu leisten vermöge. Zum anderen will er dafür keine Verantwortung übernehmen, sondern kapriziert sich auf die Rolle des «Förderers einer von Dritten getragenen Initiative».

Der Bundesrat muss sich entscheiden; entweder zu einem klaren Commitment oder zu einer Desinteresse-Erklärung. Selbstredend muss und soll der Bund nicht selbst als Organisator auftreten. Jede Landesausstellung, die funktionieren soll, benötigt eine regionale Verankerung und hat deshalb einen «Bottom-up»-Ansatz zu verfolgen. Ebenso unbestritten ist, dass die Kosten von verschiedenen Schultern zu tragen sind und nicht nur staatliche Töpfe zu plündern sind.

Was der Bundesrat versucht, ist jedoch sich alle möglichen Hintertürchen offen zu halten. Er will sich nicht festlegen, wie viel er zu zahlen bereit, und schon gar nicht ist er bereit, in eine Vorleistung zu gehen. So soll auch die Schaffung der rechtlichen Grundlagen für eine Expo-Subvention erst nach 2028 angegangen werden. Weshalb eigentlich?

Dafür macht sich der Bundesrat ernsthafte Gedanken über «Exitstrategien» und «vorbeugende Vorkehrungen», um nicht wieder in eine Situation wie bei der Expo.02 zu kommen. Wo in einer vernünftigen Kooperation «Meilensteine» definiert werden, die in einer gewissen Zeit erreicht werden müssen, um das Projekt weiterverfolgen zu können, spricht der Bundesrat von «Exitpoints» als Rückzugsmöglichkeiten für den Bund. Dafür sollen die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden.

Die Schweiz kann auch ohne Landesausstellung. Die Schweiz kann aber nicht eine Landesausstellung ohne den Bund und damit die Regierung. Es kann doch für die Nachgeborenen im Bundesrat nicht so schwer sein, das Expo-Trauma zu überwinden.

QOSHE - Der Bundesrat leidet an einer posttraumatischen Expo-Störung - Christian Mensch
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Der Bundesrat leidet an einer posttraumatischen Expo-Störung

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28.11.2023

Die Landesregierung verweigert eine klare Stellungnahme für oder gegen eine Landesausstellung.

Vier Initiativen arbeiten an Projekten für eine Landesausstellung. Seit Jahren und mit erheblichem Aufwand. Die Ansätze sind so unterschiedlich wie die Trägerschaften und der Reifegrad ihrer Projekte. «Muntagna» soll in den Bergen spielen, «Svizra27» in der Nordwestschweiz, «Nexpo» in den Städten und «X27» entgrenzt von konkretem Ort und konkreter Zeit. Alle arbeiten ohne obrigkeitlichen Auftrag und damit auf eigenes Risiko.

Die Zahl, die sich in zwei der Projektnamen versteckt, zeigt, auf wann die Landesausstellung in der Vorstellung konzipiert wird: 2027. Doch nach bundesrätlicher Zeitrechnung ist frühestens realistisch: 2037. Nur lassen sich Expo-Projekte nicht über ein Jahrzehnt konservieren. Die vier Initiativen arbeiten deshalb vorsätzlich für das Landesarchiv der unrealisierten Projekte.

Die Budgetlage der Schweiz sei derart angespannt, dass die........

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