In ihrer Kolumne «Liebes Leben, wir müssen reden» schreibt Social-Media-Redaktorin Maria Brehmer über alles, was das Leben schöner macht – und manchmal auch schwieriger. Heute: Wie die Wissenschaft antifeministische Stammtischweisheiten widerlegt.

«Happy wife, happy life», lautet eine auch bei uns bekannte, englischsprachige Redewendung. Übersetzt bedeutet sie in etwa: Geht es der Frau gut, ist auch der Mann glücklich.

Nur in Beziehungen können Frauen wirklich glücklich sein, das Glück der Frau ist das Bestreben eines jeden (Ehe-)Mannes – und die heterosexuelle Ehe folglich ein logisches Lebensziel.

Es ist dies eine vermeintlich moderne Stammtischweisheit, die uns etwas auftischen will, was die Forschung gerade widerlegt.

Verhaltensforscherinnen und Verhaltensforscher an der London School of Economics fanden jetzt nämlich etwas heraus, das sich wie eine feministische Provokation liest: Die Frau wird tendenziell unglücklicher, der Mann tendenziell glücklicher, sobald die Ehe geschlossen ist und Kinder geboren sind.

Verwirrend.

Denn man könnte meinen, der Mann sei im Bund fürs Leben derjenige mit dem Verlustgeschäft.

Das Vorurteil des unter dem Scheffel der nörgelnden Frau stehenden Ehepartners hält sich nämlich. «Ich muss nach Hause zur Regierung!», hat manch ein Schweizer ab sechzig im Repertoire seiner Verabschiedungsfloskeln.

Letzte Woche beobachtete ich in einem Schmuckgeschäft an der Zürcher Bahnhofstrasse, wie ein Mann bei der Auswahl der Eheringe seiner Zukünftigen auch mehrere Meter weit weg noch gut hörbar zuraunte, dass sie ja die Hochzeit wolle – und darum auch kein Recht auf Beklagen habe, wenn sie die Vorbereitungen belasten würden.

Die Hochzeit mit dem Traumprinzen gilt nach wie vor als einer der Höhepunkte eines Frauenlebens, die Hochzeitsindustrie ist nicht nur in der Schweiz ein Milliardengeschäft.

Tüll und Freudentränen: ein Mädchentraum. Tränen und nicht selten Nachteile: die Realität.

Fakt ist: Die meisten Ehen und Familien bauen auf dem unbezahlten Engagement der Frauen auf.

Ehepartnerinnen sorgen immer noch grossmehrheitlich zu Hause für die Kinder und fühlen sich für die Beziehungsarbeit und das Lösen von Konflikten jeglicher Natur verantwortlich. Sie machen den grössten Teil der Hausarbeit und sie organisieren das soziale Leben der Familie.

Ein Vollzeitjob, der keinen Feierabend kennt. Gleichzeitig plagen sie nicht selten Schuldgefühle, weil sie zwar alles erledigen müssen und oft auch wollen, aber nichts vermeintlich richtig erledigen können, zu lang sind die To-do-Listen, zu hoch die selbst und fremd auferlegten Ansprüche.

Es bräuchte keine Studie, um hier die logische Folge zu sehen: Für Frauen erhöht sich das Risiko, körperlich oder psychisch zu erkranken, wenn sie in der klassischen Kleinfamilie leben.

Männer hingegen, so zeigen verschiedene Studien eben auch, leben in einer Ehe gesünder und länger als ohne Langzeitbeziehung.

Es ist nicht das Unvermögen von Frauen, «happy» zu sein. Es sind die herrschenden Umstsände, die «unhappy» machen können. «Happy Wife, happy Life» – eine Formel, deren Zeit gekommen ist, um sich vom flotten Spruch zum Leitgedanken zu mausern.

QOSHE - Tränen, Tüll und Nachteile: Die wahre Heiratsstrafe - Maria Brehmer
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Tränen, Tüll und Nachteile: Die wahre Heiratsstrafe

6 0
10.02.2024

In ihrer Kolumne «Liebes Leben, wir müssen reden» schreibt Social-Media-Redaktorin Maria Brehmer über alles, was das Leben schöner macht – und manchmal auch schwieriger. Heute: Wie die Wissenschaft antifeministische Stammtischweisheiten widerlegt.

«Happy wife, happy life», lautet eine auch bei uns bekannte, englischsprachige Redewendung. Übersetzt bedeutet sie in etwa: Geht es der Frau gut, ist auch der Mann glücklich.

Nur in Beziehungen können Frauen wirklich glücklich sein, das Glück der Frau ist das Bestreben eines jeden (Ehe-)Mannes – und die heterosexuelle Ehe folglich ein logisches Lebensziel.

Es ist dies eine vermeintlich moderne Stammtischweisheit, die uns etwas auftischen will, was die Forschung gerade widerlegt.

Verhaltensforscherinnen und Verhaltensforscher an der........

© Aargauer Zeitung


Get it on Google Play