Analyse zum Strassenbau

Das Rheinstrasse-Debakel ist eine ruhmlose Episode der Baselbieter Politik

Die umstrittene Wiedereröffnung der Rheinstrasse zwischen Pratteln und Augst dürfte mit der Eröffnung der verlängerten Lohagstrasse nun vollends begraben sein. Rückblickend zeigt sich: Keine Seite bekleckerte sich dabei mit Ruhm, vor allem aber fehlte die politische Führung.

Andreas Schwald 16.12.2023, 05.00 Uhr

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Bleibt zu beziehungsweise vor allem dem öffentlichen Verkehr vorbehalten: Die Rheinstrasse zwischen Augst und Pratteln, über die so einige Autopendler auch heute noch gerne fahren würden.

Bild: Roland Schmid

Mit einer bescheidenen, fast als Randnotiz wahrgenommenen Meldung der Gemeinde Pratteln ging diese Woche einer der erbittertsten politischen Kämpfe des Jahres zu Ende. Die Verlängerung der Lohagstrasse ins Prattler Gewerbegebiet Netziboden – eine Strasse, die fast so unauffällig ist wie die dazugehörige Meldung – ist per sofort offen und befahrbar. Somit sind auch die dortigen Betriebe wieder ohne grosse Umwege erreichbar.

Doch dieses bisschen Strasse steht sinnbildlich für das gesamte Drama, das sich innert Jahresfrist um die mittlerweile fast schon berüchtigte Rheinstrasse zwischen Augst und Pratteln abgespielt hatte. Mitten in Salina Raurica, einem Filetstück unter den kantonalen Entwicklungsgebieten. Beinahe verlegen wird damit ein Konflikt beendet, im Rahmen dessen sich kaum eine der beteiligten Parteien mit Ruhm bekleckert hatte.

Zu viel stand auf dem Spiel – und niemand gewann

Die Lohagstrasse in Pratteln ist endlich an die neue Kantonsstrasse angeschlossen und offen.

Bild: Kenneth Nars

Kein Wunder, möchte man den Abschluss des Rheinstrasse-Debakels nicht unbedingt an die grosse Glocke hängen. Es ist zu einem Lehrstück über politische Führungslosigkeit geworden: über ein gut gemeintes, aber letztlich vom Kantonsgericht abgestraftes Powerplay aus dem Landrat. Über einen streitbaren Kantonsingenieur, der mittendrin verschwand. Und über einen Regierungsrat, der lieber die administrativen Mühlen mahlen liess, statt von Anfang an die Führung zu übernehmen.

Worum aber ging es eigentlich? Ging es tatsächlich nur darum, die nach der Eröffnung der neuen Kantonsstrasse Ende 2022 abgehängte Gewerbezone schnellstmöglich wieder ans Netz zu bekommen – also darum, einen ungeschickten Fehler zu beheben? Oder ging es eher darum, durch die Hintertüre mit der Rheinstrasse die ehemalige, für viele Pendler immer noch bevorzugte Kantonsstrasse Richtung Basel de facto wieder zu öffnen? Oder ging es letztlich doch nur um ein fürstliches Kräftemessen zwischen Gewerbelobby und Baudirektor Isaac Reber (Grüne)?

Ein sehr heiss gekochter Brei aus Forderungen

Das Problem war: Von allem ein bisschen – und vom Kräftemessen ein bisschen zu viel. Denn die Eskalation entstand, weil die Beteiligten ihren Job machten. Das Gewerbe aus dem Gebiet verschaffte seinem Unmut schon früh Luft. Zu Recht. Wirtschafts- und Autoverbände sprangen auf und unterstützten das Gewerbe mit allen Mitteln – ebenfalls zu Recht, denn sonst wären sie schlechte Gewerbevertreter. Und die FDP-Fraktion brachte den Ball subito ins Parlament. Denn sie vertritt ja Wirtschaft und Individualverkehr.

Schnell umgesetzt, Problem behoben? Die verlängerte Strasse wird jedenfalls schon mal gut genutzt.

Bild: Kenneth Nars

Der einzige Vorwurf, den sich diese Seite gefallen lassen muss, ist jener der Zwängerei. Jetzt hatte man doch im Dezember 2022 feierlich die neue Kantonsstrasse namens Rauricastrasse eröffnet und nur wenige Wochen später wurde nicht nur die Verlängerung der Lohagstrasse gefordert, sondern auch gleich noch die temporäre Wiedereröffnung der Rheinstrasse als Kantonsstrasse – womit unter anderem der Fricktaler Verkehr wieder munter durch die frisch entlastete Gemeinde Augst nach Pratteln gebrummt wäre.

Intelligenter Strassenbau ist hier kein Luxus, sondern Notwendigkeit

Doch Zwängerei gehört im Parlament zum Tagesgeschäft. Wer versagte, war die Exekutive: Das Powerplay traf auf eine fast unvorbereitete Bau- und Umweltschutzdirektion, die der Heftigkeit der Forderungen nur bedingt standhalten konnte. Zwar wehrte sich Baudirektor Reber im Parlament verbal, kam damit aber nicht durch – und musste am Schluss sogar mit dem Kantonsgericht die Judikative bemühen. Diese pfiff zwar die Legislative wegen Kompetenzüberschreitung zurück, ermahnte aber auch die Regierung ihrer eigenen Verantwortung.

Diese ruhmlose Episode der Baselbieter Politik zeigt zum einen, wie fragil die Situation im Entwicklungsgebiet Salina Raurica ist, einem Gebiet, an dem sich Kantons- und Gemeindeplaner, aber auch Wirtschaftsförderer seit über einem Jahrzehnt die Zähne ausbeissen. Und sie zeigt, wie sehr eine Direktion ins Straucheln geraten kann, wenn wegen Streitigkeiten im Tiefbauamt eines ihrer wichtigsten Standbeine massgeblich wackelt. Vor allem im Drehscheibenkanton Baselland, wo eine intelligente Verkehrs- und Strassenplanung eben doch kein Luxus, sondern oft reine wirtschaftliche Notwendigkeit sind.

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Mit einer bescheidenen, fast als Randnotiz wahrgenommenen Meldung der Gemeinde Pratteln ging diese Woche einer der erbittertsten politischen Kämpfe des Jahres zu Ende. Die Verlängerung der Lohagstrasse ins Prattler Gewerbegebiet Netziboden – eine Strasse, die fast so unauffällig ist wie die dazugehörige Meldung – ist per sofort offen und befahrbar. Somit sind auch die dortigen Betriebe wieder ohne grosse Umwege erreichbar.

Doch dieses bisschen Strasse steht sinnbildlich für das gesamte Drama, das sich innert Jahresfrist um die mittlerweile fast schon berüchtigte Rheinstrasse zwischen Augst und Pratteln abgespielt hatte. Mitten in Salina Raurica, einem Filetstück unter den kantonalen Entwicklungsgebieten. Beinahe verlegen wird damit ein Konflikt beendet, im Rahmen dessen sich kaum eine der beteiligten Parteien mit Ruhm bekleckert hatte.

Kein Wunder, möchte man den Abschluss des Rheinstrasse-Debakels nicht unbedingt an die grosse Glocke hängen. Es ist zu einem Lehrstück über politische Führungslosigkeit geworden: über ein gut gemeintes, aber letztlich vom Kantonsgericht abgestraftes Powerplay aus dem Landrat. Über einen streitbaren Kantonsingenieur, der mittendrin verschwand. Und über einen Regierungsrat, der lieber die administrativen Mühlen mahlen liess, statt von Anfang an die Führung zu übernehmen.

Worum aber ging es eigentlich? Ging es tatsächlich nur darum, die nach der Eröffnung der neuen Kantonsstrasse Ende 2022 abgehängte Gewerbezone schnellstmöglich wieder ans Netz zu bekommen – also darum, einen ungeschickten Fehler zu beheben? Oder ging es eher darum, durch die Hintertüre mit der Rheinstrasse die ehemalige, für viele Pendler immer noch bevorzugte Kantonsstrasse Richtung Basel de facto wieder zu öffnen? Oder ging es letztlich doch nur um ein fürstliches Kräftemessen zwischen Gewerbelobby und Baudirektor Isaac Reber (Grüne)?

Das Problem war: Von allem ein bisschen – und vom Kräftemessen ein bisschen zu viel. Denn die Eskalation entstand, weil die Beteiligten ihren Job machten. Das Gewerbe aus dem Gebiet verschaffte seinem Unmut schon früh Luft. Zu Recht. Wirtschafts- und Autoverbände sprangen auf und unterstützten das Gewerbe mit allen Mitteln – ebenfalls zu Recht, denn sonst wären sie schlechte Gewerbevertreter. Und die FDP-Fraktion brachte den Ball subito ins Parlament. Denn sie vertritt ja Wirtschaft und Individualverkehr.

Der einzige Vorwurf, den sich diese Seite gefallen lassen muss, ist jener der Zwängerei. Jetzt hatte man doch im Dezember 2022 feierlich die neue Kantonsstrasse namens Rauricastrasse eröffnet und nur wenige Wochen später wurde nicht nur die Verlängerung der Lohagstrasse gefordert, sondern auch gleich noch die temporäre Wiedereröffnung der Rheinstrasse als Kantonsstrasse – womit unter anderem der Fricktaler Verkehr wieder munter durch die frisch entlastete Gemeinde Augst nach Pratteln gebrummt wäre.

Doch Zwängerei gehört im Parlament zum Tagesgeschäft. Wer versagte, war die Exekutive: Das Powerplay traf auf eine fast unvorbereitete Bau- und Umweltschutzdirektion, die der Heftigkeit der Forderungen nur bedingt standhalten konnte. Zwar wehrte sich Baudirektor Reber im Parlament verbal, kam damit aber nicht durch – und musste am Schluss sogar mit dem Kantonsgericht die Judikative bemühen. Diese pfiff zwar die Legislative wegen Kompetenzüberschreitung zurück, ermahnte aber auch die Regierung ihrer eigenen Verantwortung.

Diese ruhmlose Episode der Baselbieter Politik zeigt zum einen, wie fragil die Situation im Entwicklungsgebiet Salina Raurica ist, einem Gebiet, an dem sich Kantons- und Gemeindeplaner, aber auch Wirtschaftsförderer seit über einem Jahrzehnt die Zähne ausbeissen. Und sie zeigt, wie sehr eine Direktion ins Straucheln geraten kann, wenn wegen Streitigkeiten im Tiefbauamt eines ihrer wichtigsten Standbeine massgeblich wackelt. Vor allem im Drehscheibenkanton Baselland, wo eine intelligente Verkehrs- und Strassenplanung eben doch kein Luxus, sondern oft reine wirtschaftliche Notwendigkeit sind.

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16.12.2023

Analyse zum Strassenbau

Das Rheinstrasse-Debakel ist eine ruhmlose Episode der Baselbieter Politik

Die umstrittene Wiedereröffnung der Rheinstrasse zwischen Pratteln und Augst dürfte mit der Eröffnung der verlängerten Lohagstrasse nun vollends begraben sein. Rückblickend zeigt sich: Keine Seite bekleckerte sich dabei mit Ruhm, vor allem aber fehlte die politische Führung.

Andreas Schwald 16.12.2023, 05.00 Uhr

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Bleibt zu beziehungsweise vor allem dem öffentlichen Verkehr vorbehalten: Die Rheinstrasse zwischen Augst und Pratteln, über die so einige Autopendler auch heute noch gerne fahren würden.

Bild: Roland Schmid

Mit einer bescheidenen, fast als Randnotiz wahrgenommenen Meldung der Gemeinde Pratteln ging diese Woche einer der erbittertsten politischen Kämpfe des Jahres zu Ende. Die Verlängerung der Lohagstrasse ins Prattler Gewerbegebiet Netziboden – eine Strasse, die fast so unauffällig ist wie die dazugehörige Meldung – ist per sofort offen und befahrbar. Somit sind auch die dortigen Betriebe wieder ohne grosse Umwege erreichbar.

Doch dieses bisschen Strasse steht sinnbildlich für das gesamte Drama, das sich innert Jahresfrist um die mittlerweile fast schon berüchtigte Rheinstrasse zwischen Augst und Pratteln abgespielt hatte. Mitten in Salina Raurica, einem Filetstück unter den kantonalen Entwicklungsgebieten. Beinahe verlegen wird damit ein Konflikt beendet, im Rahmen dessen sich kaum eine der beteiligten Parteien mit Ruhm bekleckert hatte.

Zu viel stand auf dem Spiel – und niemand gewann

Die Lohagstrasse in Pratteln ist endlich an die neue Kantonsstrasse angeschlossen und offen.

Bild: Kenneth Nars

Kein Wunder, möchte man den Abschluss des Rheinstrasse-Debakels nicht unbedingt an die grosse Glocke hängen. Es ist zu einem Lehrstück über politische Führungslosigkeit geworden: über ein gut gemeintes, aber letztlich vom Kantonsgericht abgestraftes Powerplay aus dem Landrat. Über einen streitbaren Kantonsingenieur, der mittendrin verschwand. Und über einen Regierungsrat, der lieber die administrativen Mühlen mahlen liess, statt von Anfang an die Führung zu übernehmen.

Worum aber ging es eigentlich? Ging es tatsächlich nur darum, die nach der Eröffnung der neuen Kantonsstrasse Ende 2022 abgehängte Gewerbezone schnellstmöglich wieder ans Netz zu bekommen – also darum, einen ungeschickten Fehler zu beheben? Oder ging es........

© Basellandschaftliche Zeitung


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