Analyse

Die Probleme der Urban Studies haben System

Nicht die Verfehlungen bei den Urban Studies sind das eigentliche Problem. Sondern dass die Universität es versäumt hat, den Fachbereich mit anderen Disziplinen zu vernetzen.

Christian Mensch 26.01.2024, 19.27 Uhr

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Ein Muttertier und zwei Wildschweinjunge streifen im April 2020 durch eine Strasse des Karmel-Viertels in der nördlichen Stadt Haifa, Israel.

Bild: Abir Sultan/Keystone /EPA

Die Universität Basel macht es sich zu einfach. Die unbestrittenen Verfehlungen in und um den Fachbereich Urban Studies sind nicht die seltenen Ausreisser, die sich in jeder noch so gut geführten Organisation ereignen. Sie sind vielmehr die Folge von Versäumnissen der Fakultät und letztlich der Universitätsleitung.

Um dies zu verstehen, sind die Urban Studies doppelt zu verorten; zum einen in ihrer Entstehungsgeschichte, zum anderen in einem spezifischen akademischen Kontext.

Vom vormaligen Rektor Antonio Loprieno angedacht war, dass die Universität eine Fakultät für Architektur erhalten soll. Als Vorstufe wurden vor zehn Jahren in der Schnittstelle von Kultur- und Umweltwissenschaften die Urban and Landscape Studies gegründet, ein interdisziplinäres Institut mit fünf Professuren. Das unfertige Konstrukt wurde jedoch nicht aus-, sondern abgebaut. Was übrig blieb, sind die Urban Studies, eine methodologisch höchst eingeschränkte Disziplin mit bloss einer Professur in Basel und ohne wesentlichen Anschluss an benachbarte Disziplinen.

Der Fachbereich gehört zu den Geisteswissenschaften, steht als Neugründung allerdings nicht in der Tradition der alten historisch-philosophischen Fächer. Er ist vielmehr dem verpflichtet, was Loprieno das «postkonoloniale Paradigma» nennt. Damit ist eine Haltung verbunden, in der die westliche Welt durch ihre kolonialherrliche Zeit definiert wird und sich die nicht westliche Welt in einem mehr oder weniger fortgeschrittenen Stadium der Dekolonialisierung zu wähnen hat. Es ist eine Welt des offenen oder verdeckten Rassismus und der Diskriminierung, die es zu entlarven gilt.

In diesem akademischen Verständnis ist auch nicht die objektive Wissenschaft das Mass aller Dinge, sondern ist vielmehr eine «partizipative Wissenschaft» gefragt, die zwangsläufig zu einer aktivistischeren Haltung führt. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich dazu eine globale Diskursbühne gebildet, in der diese Auffassung von Wissenschaft als Mainstream verstanden wird. Nicht nur in Basel kollidiert diese akademische Parallelwelt nun aber mit örtlichen Befindlichkeiten.

Das Beschriebene ist nicht originell und in universitären Kreisen Allgemeingut. Die Fakultät hat sogar im Februar 2023 eine Kommission eingesetzt, um die Urban Studies zu «integrieren». Doch so sehr an der Uni gescheites Argumentieren gepflegt wird, so sehr werden offene Konflikte gescheut. So auch im konkreten Fall: Das Rektorat delegierte die Aufarbeitung an die Fakultät, und diese hat sich das Eigenlob angeheftet, es gebe keine systematischen Mängel.

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Die Probleme der Urban Studies haben System

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26.01.2024

Analyse

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Christian Mensch 26.01.2024, 19.27 Uhr

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Bild: Abir Sultan/Keystone /EPA

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